Dass in einer zeitgemäßen Musik-, Instrumental- und Vokaldidaktik die Elementare Musikpraxis von immenser Bedeutung ist, zeigt Michael Dartsch in seiner neuen Veröffentlichung „Musik lernen. Musik unterrichten“, das als Einführung in die Musikpädagogik für alle, die Musikpädagogik studieren oder Musik unterrichten, konzipiert ist. Inhalte, Herangehensweisen und Methoden der Elementaren Musikpädagogik nehmen hier deutlich mehr Raum ein, als in vergleichbaren Veröffentlichungen. Nicht zuletzt wird dies möglich durch die dreifache Expertise des Autors und Professors an der Hochschule für Musik Saar in Musikpädagogik, Violindidaktik und Elementarer Musikpädagogik.
Der Charakter eines Studienbuches wird gleich zu Beginn deutlich. Hier stehen zunächst theoretische Überlegungen zum Musikalitätsbegriff und zu den weiteren Einflussfaktoren auf das Musiklernen (Begabung, Sozialisation, Übeeinsatz und Motivation) sowie zur anthropologischen Bedeutung von Musik und musikalischer Bildung (Kap. 2) im Mittelpunkt. Dabei wird jeweils auf aktuelle Studien – auch eigene Untersuchungen des Autors – und einschlägige Literatur verwiesen und es werden erste pädagogische Konsequenzen aus den referierten Inhalten abgeleitet. Überaus einleuchtend ist die aus den Überlegungen zur Musikanthropologie entwickelte Systematik der übergeordneten Ziele und Zielbereiche: Die Schülerinnen und Schüler sollen Musik spüren, Musik meistern, Musik kennen und Musik erschaffen. An dieser Stelle zeigt sich deutlich, dass die Veröffentlichung auch für bereits in der Unterrichtspraxis stehende Lehrkräfte gewinnbringend sein kann, die mit Hilfe der formulierten Fragen ihr eigenes Tun reflektieren können.
Im zentralen Kapitel zu den Inhalten des Musikunterrichts (Kap. 3) werden verständlich und systematisch Inhaltsbereiche und Vorgehensweisen der Elementaren Musikpraxis erläutert, die jeder Musikpädagogin beziehungsweise jedem Musikpädagogen geläufig sein sollten. Insbesondere wird die Bedeutung des Erfindens von Musik und der Improvisation hervorgehoben und auch mit praktischen Beispielen belegt.
Bemerkenswert ist auch, dass im Kapitel „Musik verstehen“ elementare Verfahren wie Rhythmussprache und Relative Solmisation breiten Raum einnehmen.
Ausführliche Überlegungen zur Didaktik der Interpretation und des Übens runden das Kapitel im Sinne eines Grundrisses der Instrumental- und Vokaldidaktik ab. Fehlen darf dann natürlich nicht die Erörterung der Unterrichtsmethoden im eigentlichen Sinne; ungewöhnlicher ist in diesem Zusammenhang der Exkurs über Methoden in der (Unterrichts-)Forschung, der aufgrund der gut gewählten Beispiele sowohl für Studienanfänger als Einführung als auch allgemein als Hilfe zur Beobachtung von Unterricht oder zur Beurteilung von Forschungsergebnissen funktionieren kann.
Bei der folgenden Beschreibung von Zielgruppen und Formen von Musikunterricht wird einmal mehr deutlich, dass im Fokus der modernen Musikpädagogik selbstverständlich Menschen jeden Alters – von Säuglingen bis zu Hochbetagten – und unterschiedlichster Potenziale mit ihren jeweiligen entwicklungsbedingten Möglichkeiten und Besonderheiten stehen und dass das Musizieren in der Gruppe (als Partner-, Kleingruppen-, Großgruppen- bzw. Klassenunterricht) der aus verschiedenen Perspektiven heraus sinnvoll begründbare „Normalfall“ ist. Das Schlusskapitel zu den Institutionen, an denen Musikunterricht eine Rolle spielt, wendet sich wieder eher an Studienanfänger, denen hier erstes berufskundliches Wissen vermittelt wird.
Nützlich zum Nachschlagen sind die zahlreichen Querverweise und das Personenverzeichnis am Ende. Im Buch selbst finden sich wenige, gut gewählte Literaturhinweise, die die Motivation zum Weiterlesen durchaus erhöhen. Das vollständige Literaturverzeichnis ist online abrufbar (www.breitkopf.com, BV 399 eingeben und Info-Button anklicken). Die Attraktivität des Buches als Lehr- und Studienbuch ließe sich durch eine etwas variantenreichere Textgliederung (Grafiken, „Check-listen“, Überblickstabellen, abgesetzte Kästen mit Reflexionsfragen oder Zusammenfassungen o.Ä.) sicher noch etwas erhöhen.
Empfohlen sei an dieser Stelle ergänzend eine weitere Neuerscheinung, die kürzlich vom gleichen Autor im Auftrag des Bayerischen Musikrats herausgegeben wurde: Musik im Vorschulalter. Dokumentation Arbeitstagung 2013. Bosse 2014.
Michael Dartsch: Musik lernen. Musik unterrichten. Eine Einführung in die Musikpädagogik. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 2014