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Shwarzweißes Buchcover mit orangenem Titel: "Franz Waxman. Zwischen Filmmusik und Konzertsaal" Ingeborg Zechner
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Vom Blauen Engel zum Sunset Boulevard

Untertitel
Ingeborg Zechners exzellente Studie über den Filmkomponisten Franz Waxman
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Ingeborg Zechner: Franz Waxman. Zwischen Filmmusik und Konzertsaal, 432 Seiten, Abbildungen, gebunden, Böhlau Verlag Wien, e 60,00, ISBN 978-3-205-21907-1 

Er arrangierte den Tingeltangelsound für Josef von Sternbergs „Der blaue Engel“ und komponierte den Horror-Score für James Whales „Bride of Frankenstein“: Franz Wachsmann, geboren 1906 in Königshütte, Oberschlesien. Fast sechs Jahrzehnte nach seinem Tod liegt nun endlich eine erste große Monografie über den jüdischen Exilkomponisten vor: „Franz Waxman: Zwischen Filmmusik und Konzertsaal“ (Böhlau Verlag). Verfasst wurde sie von der Musikwissenschaftlerin Ingeborg Zechner von der Universität Graz. Neben dem Schwerpunkt Filmmusik (aus dem „Golden Age“) beschäftigt sie sich auch mit Musik & Migration sowie Musik & Medialität, was ihre überarbeitete Habilitationsschrift besonders prägt.

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Franz Wachsmann begann seine Karriere im Berlin der späten „Roaring Twenties“ als Pianist und Arrangeur bei den „Weintraubs Syncopators“, der „besten Jazzband von Berlin“, der Albrecht Dümling eine herausragende Monografie gewidmet hat: „Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo“ (ConBrio). Dieses Buch erzählt gewissermaßen die Vorgeschichte der Franz-Waxman-Story. Für das Kino entdeckt wurde Franz Wachsmann 1929 von Friedrich Hollaender, der ihn als Arrangeur in das „Blaue Engel“-Team holte. Bis zur „Machtergreifung“ 1933 waren Wachsmann & Hollaender ein Traumteam. Gemeinsam komponierten sie die Musik für Siodmaks „Der Mann, der seinen Mörder sucht“, bei der sie ein Theremin einsetzten. Kurz nach der Premiere des letzten gemeinsamen Films „Ich und die Kaiserin“ floh Hollaender nach Paris. 

Treffpunkt Paris

Bald danach traf auch Wachsmann im Pariser „Hotel Ansonia“ ein, in dem Peter Lorre, Max Colpet und Billie Wilder „residierten“ und auf Aufträge warteten. Noch 1933 wurde Wachsmann von dem ehemaligen Ufa-Produzenten Erich Pommer für Fritz Langs grandiose „Liliom“-Verfilmung verpflichtet. „Liliom“ sollte zu Wachsmanns „Visitenkarte“ für Hollywood werden.

In ihrer Studie rekonstruiert Zechner den Entstehungsprozess der Musik zu „Liliom“, den sie als „äußerst professionell, wenn auch unter extremem Zeitdruck stehend“ bezeichnet. Auffällig bei dem „Liliom“-Score ist der Einsatz der Ondes Martenot, der an Wachsmanns Berliner Theremin-Experimente erinnert. Zechner führt diese „Professionalität“ zurück auf seine Ufa-Jahre: „Die Sensibilität für innovative Klanggestaltungs- und Aufnahmemöglichkeiten erwarb Waxman durch seine Tätigkeit in der deutschen Filmindustrie, die auch in den unterhaltenden Filmgenres durchaus eine gewisse Experimentierfreude unter Beweis stellte.“ Erinnert sei an dieser Stelle an die gemeinsame „Erfindung“ der Tonfilmoperette durch Erich Pommer und den Komponisten Werner Richard Heymann, den die Autorin zusammen mit Friedrich Hollaender am Rande (auch) würdigt. 

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Schwarz-Weiß-Filmstill mehrere im Variete-Stil bekleidete Frauen

Marlene Dietrich in „Der blaue Engel“. Die Musikarrangements stammen von Franz Waxman (damals noch Wachsmann). Foto: Wikimedia Commons

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In Paris sollte Pommer ursprünglich für Fox Europe auch das Musical „Music in the Air“ produzieren, für das er Wachsmann verpflichtet hatte. Aber es kam anders. Anfang 1934 gab die Fox die Einstellung ihrer europäischen Produktion bekannt und Pommer landete in Hollywood. Und so wurde der Film in Hollywood gedreht. Mit an Bord: Franz Wachsmann, der nun Waxman hieß. „Music in the Air“ wurde zum Flop. Aber Waxman hatte noch einen anderen „Fan“ gefunden, den Filmregisseur James Whale, der begeistert gewesen war von seinem „Liliom“-Score. Und der ihn unbedingt für sein nächs­tes Projekt haben wollte: „Bride of Frankenstein“. Der Film wurde zum Klassiker des Horrorfilms. Und Franz Waxman wurde zum Hollywood-Komponisten, dessen Konterfei 1999 sogar eine Briefmarke schmücken sollte. 

Der Sound Hollywoods

Drei Jahrzehnte lang prägte Franz Waxman den Sound Hollywoods, meis­tens zusammen mit seinem treuen Hausorchestrator Leonid Raab. Einige ihrer gemeinsamen Arbeiten hat Zechner anhand der Soundtrack-Alben analysiert. Die Auswahl reicht von „Humoresque“ über Hitchcocks „The Paradine Case“ bis hin zu „Peyton Place“ und „Taras Bulba“. Der Titel des Kapitels beschreibt exakt das Thema ihrer Analyse: „Die intermediale Konstruktion von filmmusikalischer Werkhaftigkeit bei Franz Waxman durch das Soundtrack-Album der 1950er- und 1960er-Jahre.“ 

Franz Waxman wurde in den USA oft als „seriöser“ „composer-conductor“ bezeichnet. Ein  Begriff, der in Deutschland (sehr) erklärungsbedürftig ist. Ein ideologisch aufgeladener Begriff, der seit den vierziger Jahren einen bemerkenswerten Bedeutungswandel durchlief. Als „composer-conductor“ wurden Filmkomponisten wie Erich Wolfgang Korngold genauso vermarktet wie Leonard Bernstein. Und um diesen Begriff kreisen auch Zechners Ausführungen zu Waxmans Beitrag zum Los Angeles Musical, das zum Aushängeschild für die amerikanische Kulturpolitik des Kalten Krieges wurde. 

1959 fielen in einer ORF-Sendung über Franz Waxman folgende Sätze: „Das Jahr 1933 nahm ihm in Deutschland jede Berufschance. Waxman ging wie viele andere Künstler ins Ausland.“ Für Zechner liegt diese Feststellung „wohl näher an der historischen Realität als viele auf dem meist unreflektierten Flucht-Narrativ basierende Studien zum Thema. Die Chance als Filmkomponist beruflich in Deutschland reüssieren zu können, war aufgrund der bereits beschriebenen Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt und der damit verbundenden Perspektivlosigkeit äußerst gering. Franz Waxmans Karriere der Jahre 1929 bis 1935 mag in diesem Sinne tatsächlich eine weitere Emigrantenkarriere in Hollywood sein, die sich in ihrer spezifischen Ausformung und ihren Perspektiven allerdings wesentlich von denen vieler deutscher Musiker, Juden oder Filmschaffender unterschied, aber dennoch in einer gewissen Weise als typisch für Filmkomponisten gelten kann, vor allem wenn man diese aus der Perspektive der historischen Netzwerkanalyse betrachtet.“ Was 1959 noch merkwürdig geklungen haben mag, bestätigt Zechner 2024 durch ihre gründliche Studie, die zu einem Standardwerk der deutschen Filmmusik- und Exilforschung werden könnte.

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