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Albrecht Dümling: Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo. Die Weintraubs Syncopators zwischen Berlin und Australien
Albrecht Dümling: Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo. Die Weintraubs Syncopators zwischen Berlin und Australien
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Vorne macht es zisch und hinten knallt’s

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Albrecht Dümling erzählt die Geschichte der Weintraubs Syncopators
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Den Titel seines Buchs über die Weintraubs Syncopators hat sich Albrecht Dümling von einem Tonfilmschlager der frühen dreißiger Jahre geliehen: „Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo“. Hans Albers hatte diesen launigen Gassenhauer 1933 in der Komödie „Heut kommt’s drauf an“ gesungen. Max Raabe hat ihn in den Neunzigern für ein neues Publikum wieder ausgegraben. Regie führte 1933 Cabaret­legende Kurt Gerron, der 1944 in Ausch­witz von den Nazis ermordet wurde. Dieses „Schicksal“ ist den Mitgliedern der Weintraubs gottseidank erspart geblieben. Aber die „Zeitläufte“ haben die einstige „beste Jazz-Band“ im Berlin der Roaring Twenties nach der „Machtergreifung“ bis nach Australien getrieben. Albrecht Dümling hat das Leben der Weintraubs nun akribisch rekonstruiert und damit einen wichtigen Beitrag zur deutschen Popularmusikforschung  geliefert.

Hollaender und Wachsmann

In Fußnoten spuken die Weintraubs seit Jahrzehnten in verschiedenen Kontexten herum. Zwei der zeitweiligen Mitglieder der Jazzband sind zu „Legenden“ geworden: der Cabaret-Tausendsassa Friedrich Hollaender und der spätere Hollywood-Filmkomponist Franz Wachsmann. Es war Wachsmann, der 1930 für Hollaender den Tingeltangelsound des „Blauen Engels“ kongenial orchestriert und damit den Grundstein für seine Karriere im Hollywood-Exil gelegt hat. Die anderen jüdischen Mitglieder freilich führten bis heute in der Forschung ein Leben im Schatten. Gegründet wurden die Weintraubs Syncopators 1924 von dem Pianisten und Schlagzeuger Stefan Weintraub. Es war der Schellackplattensammler Klaus Krüger, der seit Mitte der 1980er Jahre die Grundlagen für die Weintraubs-Forschung geliefert hat. In dieser Zeit hat dann auch Albrecht Dümling mit seiner Ausstellung „Das verdächtige Saxophon“ ein neues Bewusstsein für das Thema „Entartete Musik“ im NS-Staat geschaffen. 2011 schließlich dokumentierte Dümling in seiner gründlichen Studie über die „verschwundenen Musiker“ im australischen Exil das letzte Kapitel der Weintraubs. Man konnte Hoffnung haben, dass nun endlich auch die „Vorgeschichte“ der Weintraubs erzählt werden würde. Wie sich herausstellte, hatte Dümling Feuer gefangen.

Weder die Exil-, Popularmusik-, Jazz- oder Filmforschung hatte sich bisher um die Weintraubs gekümmert. Dabei wäre die Jazzband ein Musterbeispiel für die  „Weimar Culture“ gewesen, als die Grenzen zwischen Jazz und Unterhaltungsmusik, Cabaret und Revue, Bühne und Film fließend waren. So hat Dümling nun über den „Umweg“ Australien diese Lücke geschlossen und gleichzeitig ein Standardwerk zur „Popkultur“ der Weimarer Republik vorgelegt – ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Medienkultur im Berlin der Roaring Twenties, die sich durch eine Offenheit den Genres und den diversen Performancekünsten gegenüber auszeichnete, die erst seit der Jahrtausendwende so richtig geschätzt und eingeschätzt wird. So galten die Weintraubs unter Jazzpuristen eher als Randerscheinung der Szene, weil sie als Showband behandelt wurden. Das lag natürlich auch daran, dass von ihnen hauptsächlich Tagesschlager wie „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn“, „Ich kauf mir ’ne Rakete“ oder der „Gorilla“-Song auf Platte überliefert sind und nur wenige „Jazz“-Nummern wie „Up And At ’Em“. Dabei hätte es viele genaue zeitgenössische Beschreibungen ihrer „Jazz“-Kunst gegeben. Und allein der Bandname hätte aufhorchen lassen müssen. „Synkope“ war das Modewort der Stunde gewesen. Wobei es schon 1929 Widerstand gegen den Namen der Gruppe gegeben hatte, wie man aus einem Programmheft des „Wintergarten“ herauslesen kann: „Syncopators – aber gute Deutsche. Wenn sich auch dieser Amerikanismus mit der Jazzbegleitung in ihren Bühnennamen eingeschlichen hat.“ Wobei natürlich trotzdem versprochen wird: „Schon für das Auge ist es Genuß und Kurzweil, wie das klappt in ständigem Wechsel der Instrumente – an fünf verschiedene beherrscht jeder von ihnen. Und was sie bringen, haben sie höchstselbst zurechtgemacht, instrumentiert, arrangiert.“ Wie soll man die Band einordnen? Als Jazz-„Artisten“?

Alter Name, neues Exil

Schon vor 1933 hatten die Weintraubs auf der großen Schlagzeugtrommel das Wort „Syncopators“ entfernen lassen. 1948 haben Billie Wilder und Friedrich Hollaender in den „Ruinen von Berlin“ diese jetzt ramponierte Trommel (mit dem alten Schriftzug „Syncopators“) wieder ausgegraben, für das Marlene-Dietrich-Vehikel „A Foreign Affair“ – gewissermaßen eine ironische Fußnote zur Geschichte der Band. Schon Anfang 1933 hatte die gleichgeschaltete Presse in einer Kritik über die Weintraubs den Begriff „Jazz“ vermieden und stattdessen von „temperamentvoll gefiedelten und geblasenen Rhythmen“ geschwafelt. Wenige Wochen später gingen die Mitglieder ins Exil. In Rotterdam beschloss die Band, die jetzt wieder ihren alten Namen führte, nur noch im Ausland aufzutreten. In einem großen Text erzählten im September 1933 einige der Mitglieder die Geschichte der Weintraubs einem niederländischen Journalisten. Unvermittelt taucht darin auch ein alter Bekannter auf.

In New York

In einem Absatz über ihre New-York-Reise heißt es da: „In New York tauschten sie auch Telegramme mit Friedrich Hollaender aus, der wie die Syncopators selbst Emigrant ist.“ Die jüdische Herkunft der Musiker wurde dabei nicht erwähnt. Bis 1937 sind die Weintraubs durch die halbe Welt gezogen. Sie machten Station in Belgien, der Schweiz, Italien, Österreich, Tschechien, der Sowjetunion und im japanischen Kaiserreich. 1937 schließlich fanden die Weintraubs in Australien ihre neue Heimat. Wobei sie auch dort wieder zwischen alle Stühle gerieten und zeitweise als „enemy alien“ behandelt wurden. Erst im September 1941 wurden Stefan Weintraub und sein Bandkollege Horst Graff aus dem Internierungslager, in dem sie zusammen mit Nazis eingesperrt waren, entlassen. Danach zerbrach die Band. In den siebziger Jahren wurden die Weintraubs Syncopators wieder entdeckt, zusammen mit den Comedian Harmonists, denen Fernsehregisseur Eberhard Fechner 1976 einen zweiteiligen Dokumentarfilm widmete. Es war eine Pionierarbeit, der jetzt gewissermaßen ein Pendant gefolgt ist: Albrecht Dümlings vorzügliche Monografie über die Weintraubs Syncopaters. Ein Buch, das jedem ans Herz zu legen ist, der sich für die Populärkultur der Weimarer Republik interessiert.

  • Albrecht Dümling: Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo. Die Weintraubs Syncopators zwischen Berlin und Australien (Musik & Zeitgeschichte, Band 2), ConBrio, Regensburg 2022, 232 S., Abb.,€ 24,90, ISBN 978-3-949425-03-5

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