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Louis Armstrong – Sein Leben und seine Musik
Louis Armstrong – Sein Leben und seine Musik
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Wolfram Knauer: Black and Blue

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Louis Armstrong – Sein Leben und seine Musik, Reclam, Ditzingen 2021, 256 S., Abb., Euro 24,00, ISBN 978-3-15-011323-3
Publikationsdatum
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Wolfram Knauer widmet sich in seinem neuen Buch erneut dem Leben und Wirken von Louis Armstrong. Bereits 2010 veröffentlichte er eine Monografie über den vermutlich bekanntesten Jazztrompeter, der die Entwicklung dieser Musik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitprägte. „Black and Blue“ ist jedoch mehr als eine Neuauflage der Biografie. Der Umfang hat sich erweitert und die Perspektive von 2021 auf Armstrong ist, nicht zuletzt durch die Präsidentschaft Barack Obamas und die Black-Lives-Matter-Bewegung, eine andere als die von 2010.

Die Fragen, die Knauer an Louis Armstrong im Jahr 2021 stellt, sollten sich mehr aus der Musik heraus entwickeln und an dieser auch beantwortet werden. Daher nimmt er sich mehr Raum, zahlreiche Aufnahmen zu besprechen. Erfreulicherweise gibt es eine Playlist, in der die besprochene Musik und Videos zu finden sind. Somit ist es einfacher, in die beschriebene Klangwelt einzutauchen und sich mit der Sicht Knauers praktisch auseinanderzusetzen.

Black and Blue ist auch weit mehr als eine „Heldengeschichte“ über eine stilbildende Persönlichkeit des Jazz. Knauer webt vielmehr ein großes Bild, durch das sich verschiedene rote Fäden ziehen. Die Biografie Armstrongs steht dabei mit einem weiten Zugriff auf das Thema und vielen Querverbindungen immer im Zusammenhang mit musikalischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit. Durch eine Kombination eines Blickes auf das große Ganze und auf Details richtet sich das Buch gleichermaßen an Leser, für die das Thema neu ist, wie auch an Leser mit Vorwissen.Knauer erzählt die Geschichte eines Afroamerikaners, der in New Orleans zu Beginn des 20. Jahrhunderts in eine Welt geboren wurde, die stark von Rassismus geprägt war. Ohne Zugang zum offiziellen Bildungssystem fand er aber seinen eigenen Weg, wusste seine Chancen zu nutzen, sich den Gegebenheiten anzupassen und wurde zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Entertainer der USA.

Schon als Kind lernte Armstrong die geschäftsfördernde Wirkung von Musik kennen, als er beim Verkaufen von Kohle seine Ware mit Gesang anbot. Knauer weist darauf hin, wie wichtig im weiteren Verlauf das Singen in einem Barbershop Quartett für Armstrongs musikalische Entwicklung war. „Hier lernte er, auf andere zu hören. Hier lernte er, mit der Bluestonalität kreativ umzugehen. Hier lernte er, wie wichtig der Einsatz auch schauspielerischer Fähigkeiten sein konnte, um sein Publikum zu begeistern. Hier lernte er, wie man eine Melodie sicher phrasierte, […] hier lernte er eine Art der Intonation, die tief in afroamerikanischer Erfahrung verankert war. Vor allem aber lernte er, improvisatorisch im Ensemble seinen eigenen Ton zu finden, einen Ton, der sich in das Zusammenspiel aller einpasste und den Ensemblesound dabei in der entstehenden harmonischen Spannung über die Stimme des Einzelnen erhob.“ Den ersten formalen Musikunterricht und seine erste Trompete erhielt Armstrong im „Colored Waif’s Home for Boys“. Und die Band von Fate Marable, mit der er auf einem Mississippi-Dampfer spielte, war sein „schwimmendes Konservatorium“.

Armstrong hatte ein Gespür für das Publikum, eine hohe Musikalität und die technischen Fähigkeiten, seine Ideen umzusetzen. Ihm war bewusst, dass die Welt, in der er lebte, von Euroamerikanern regiert und gelenkt wurde. Er ließ sich von Weißen managen und war als musikalischer Botschafter für die USA im Ausland unterwegs. Oft wurde ihm vorgeworfen, mit seinem Lachen und seinen typischen weißen Taschentüchern zu sehr einem „Onkel Tom“-Stereotyp zu entsprechen und sich ausnutzen zu lassen. Armstrong äußerte sich nur selten politisch. Wenn er es aber tat, wurden seine Worte gehört und zeigten Wirkung. In erster Linie war er jedoch Musiker und wirkte durch seine Musik. Hier sieht Knauer auch das größte Vermächtnis, indem er schreibt: „Armstrong lehrte das weiße Amerika, die afroamerikanische Ästhetik zu verstehen.“

Musikalische und politische Geschichtsschreibung ist immer auch eine Frage der Perspektive. Wolfram Knauer bietet mit Black and Blue eine neue Perspektive auf Louis Armstrong und den Jazz.
 

 

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