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Klezmer-Panorama

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Klezmer aktuell und anderes mit: Kroke, Filfarbike Mishpoke, Klezmeyer, Helmut Eisel & Sebastian Voltz Trio.

Aufgrund dem Blues ähnlichen Deklamationen, dem Tanz entlehnten Rhythmen und der Neigung zu Improvisationen ist Klezmer, wie man gerade bei aktuellen Trends beobachten kann, für bestimmte Jazzidiome attraktiv und vice versa. Solchen Einhegungen kommen Helmut Eisel & Sebastian Voltz Trio bei ihrem Live-„Studiokonzert“ (Neuklang LP 4119 / Edel) am nächsten, indem sie aus dem schummrigen Hammondorgel-Ambiente des Frank-Sinatra-Hits „That’s Life“ über eine kurze Free-Jazz-Interjektion den „Bebop Freilach“ eröffnen. Nach diesem abrupten Umbruch legt Helmut Eisel mit stiltypisch sardonischem Klarinettengelächter ganz andere Spuren frei, nämlich aufgereizten Swing, der doch wieder im musikalischen Modus vivendi zum Rekurs auf den ursprünglichen Song wird. Neben anderen Standards wie „My Funny Valentine“ und den unverwüstlichen „Strangers In The Night“ im postmodernen Arrangement mit raffinierten Multiphonics bietet diese exzellente Combo mysterioso pikante Timbres mit „Never Ending Lunch“ und „Devil’s Chocolate Cake“ sowie Rockgroove in „Albertine’s Dance“.

Den genuin orientalischen Radius dehnen die Klezmeyers auf nahe liegende Bereiche aus. Dominant ist in diesem Trio die Klarinettenstimme von Franziska Orso, die mit gewissen Glissandi die heftigen Gefühle der „Querida“ (Liebe) intoniert. Zwischen diese melodischen Linien fügt Gitarrist Robert Keßler passende Flamenco-Elemente ein, die sogar als Berceuse „Mach die Äuglein wieder auf“ wirksam sind. Elegant geschwungene Klarinetten-Ondinen blicken dann im Musette-Stil auf „La rive gauche“, dessen Strömung sich durch eine Kollektivimprovisation beschleunigt. Außerdem locken Sambabeats „Emilias Lächeln“ (GLM - FM 203-2 / Soulfood) hervor, die offenbar auch mit der polyphonen „Sleepy“-Mood von Bassist David Hagen und diesem insgesamt sehr aromatischen Worldjazz-Bouquet sehr zufrieden ist.

Solche „Klezmer Tales“ haben „Filfarbike Mishpoke“ (German Pops Arts 006 / Edel), wie die Band Yxalag weiß. Sie erkennt die Klezmer-Gefühle in vielen Ländern, etwa wo das Mittelmeer „Türkis“ ist und das Sonnenlicht im andalusischen Stilspektrum gesplitterter Stimmführung von Klarinette, Violine und Posaune oszilliert. Hier sind geradezu symphonische Attitüden präsent, denn die sieben Yxalag-Musikerinnen und -Musiker verwenden ausgiebig die instrumentalen Möglichkeiten ihrer Besetzung. Besonders „Koloswag“, von einem mazedonischen Klarinettisten inspiriert, bringt Groove durch Tutti-Energie und expressive Soli hervor. Andererseits findet sich jiddische Melancholie sowohl bei der „Grine Kusine“ als auch bei „The Norwegian“, einem von Jakob Lakner für Streichquartett adaptiertem Folkloremotiv. Yxalag verschmäht nicht Bewährtes, späht aber international mit wachem kreativen Sensorium nach der Wahlverwandtschaft.

Ganz anderen Wegweisern folgt die polnische Band Kroke auf ihrem Album „Ten“ (Universal 470 572 3). Frivole Tanzrhythmen mit Flöte und Akkordeon feiern „Bright Clouds“ als stimulierende Himmelserscheinungen. Gar futuristisch wirkt die „Psalmia“, nicht sakral, denn der Gesang von Anna Maria Jopek ist verschleiert, schwebt scheinbar über Elektrosounds. So klingt auch die „Passacaglia For 3“ zwar wie eine Liturgie, aber ein schräges Violinsolo raut die Kontemplation nachhaltig auf. Mit Kroke wird das Klezmer-Panorama durch variable, von der knorrigen Gorale-Tradition beeinflussten Arrangements, unbekümmert über Acid- und Latin-Jazz-Bahnen für die Zukunft geöffnet. 

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