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Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni; Bryn Terfel, Renée Fleming, Ann Murray, Michele Pertusi, Herbert Lippert, Monica Groop, Roberto Scaltriti, Mario Luperi. London Philharmonic Orchestra, Sir Georg Solti. Decca 455 500-2 DDD (3 CDs)
Was für Georg Solti eine Station unter vielen sein sollte, seine konzertante Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“ am 5. und 7. Oktober 1996 in der Londoner Royal Festival Hall, das wurde zu seinem Schallplatten-Vermächtnis. Der Mitschnitt liegt nun vor. Wer altersweise Abgeklärtheit des damals Vierundachtzigjährigen erwartet, wird eines anderen belehrt. Solti geht es um das pralle, lebendige, wirbelnde „Dramma giocoso“, und wenn gelegentlich sein Auditorium in deutlich vernehmbares Lachen ausbricht, so dürfte es ihm nur recht gewesen sein.
Zügige, gelegentlich sogar leicht überzogene Tempi, scharfgeschnittenes, transparentes Klangbild, vorwärtsdrängende Energie, die dennoch nie starr wirkt, das sind die Grundzüge seiner Mozart-Sicht. Daß auch ohne den natürlichen Drive der Bühnenaktion die Secco-Rezitative sehr sprudelnd, ja oft mit drastischer Präsenz herauskommen, unterstreicht diesen Eindruck des Vital-Drängenden noch. Bryn Terfel ist zwar ein draufgängerischer „Macho“, der gewiß nicht über die breite Palette etwa eines Siepi verfügt, aber dennoch, wenn es sein muß, auch verführerischen Charme zu verströmen und somit der Figur scharfgeschnittenes Profil zu geben weiß. Daß seine „Champagner-Arie“ eher überstürzt als überschäumend wirkt, liegt mehr an Soltis Furor als an ihm. Die Donna Anna von Renée Fleming hat zu Beginn noch mit Schärfen in der hohen Lage zu kämpfen, ein Mangel, der sich im Verlauf der Aufführung mehr und mehr legt. Ein nicht minder überzeugendes Rollenporträt bietet Ann Murray als Elvira.
Sie vertraut zu Recht auf ihre vokalen Qualitäten, verzichtet also auf jene hysterischen Übersteigerungen, denen man in dieser Partie so oft begegnet. Makellos und ungemein lebendig Monica Groop als Zerlina. Daß dem Ottavio von Herbert Lippert „Dalla sua pace“ mehr liegt als „Il mio tesoro intanto“, ist zwar nicht ganz zu überhören, mindert aber kaum den vorzüglichen Gesamteindruck seiner sehr männlichen Rollengestaltung. Michele Pertusi ist ein wendiger Leporello, Roberto Scaltriti ein den buffonesk-bäurischen Ton der Figur genau treffender Masetto. Alles in allem keine sensationelle, aber hochrangige Besetzung.
Alfred Beaujean