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Radikaler Expressionist

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Knapp vier Jahre, von 1912 bis zu seinem frühen Tod an der Kriegsfront 1915, hatte August Stramm, um als radikal expressionistischer Poet bekannt zu werden. Vor allem auf Autoren wie Kurt Schwitters und Ernst Jandl hatte seine Lyrik Einfluss, die von „Aufhebung der Syntax, zerstörten Wortformen, Sprachexperimenten und typographischen Neuerungen“ gekennzeichnet ist.

Exemplarische Wirkungen davon auf die Musik der Gegenwart stellt Steffen Schleiermacher in seiner „Hommage à August Stramm“ vor. Das Spektrum ist extrem: Noch am nächsten zum Stil der Texte sind fünf „Gesänge für Sopran und Klavier“ von Wolfgang Rihm, wenn Hildegard Wiedemann die Gefahr der „Patrouille“ oder die Elegie zum „Kriegsgrab“ intoniert.

Die „3 Sprechlieder“ von Wladimir Vogel, kleine Psychodramen von Untreue und Verzweiflung, haben einen gehetzten Duktus, ebenso „Die Menschheit“ von Steffen Schleiermacher, von einer ekstatischen Stimme zu einem verkappten Boogie-Woogie auf präpariertem Klavier skandiert. Während der „Urtod“ bei Gerhard Rühm zu einem Silbenzahnrad seziert ist, wird dasselbe Thema von Klarenz Barlow in einen ätherischen Klavierklang verwandelt. Synchron sind Text und Musik in der „Frage“ von Steffen Schleiermacher, indem Ralf Mielke gehauchte Töne und Worte zu Onomatopöien mischt.

Nur der sarkastische „Heeresmarsch“ (1915) von Herwarth Walden bringt durch rasanten Salonrhythmus eine unerwartete Konvention in dieses Programm der musikalischen Sprachexperimente. Geheimnisvoll bleibt mancher Sinn dieser parataktischen Lyrik, doch die Wortspiele haben ihren eigenen Unterhaltungs- und Erkenntniswert im komponierten Kostüm.

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