Manche Personen der Musikszene fallen post mortem – Bands post finem – in eine historische Delle. Daraus hervorgeholt werden sie gegebenenfalls von ehemaligen Kollegen oder engagierten Produzenten.

Ein grandioses Oratorium haben Christian Muthspiel & Ojazztra Vienna dem Poeten und Wortdrechsler Ernst Jandl gewidmet.
Retro-Repertoire, unvergessen
Einst an der Front der britischen Rockgruppe Supertramp, ist vor Kurzem deren Sänger Rick Davies gestorben. Schon zuvor hatte Saxophonist John Helliwell für seine Super Big Tramp Band deren wichtigste Songs wie „Crime Of The Century“ im Jazzmodus arrangieren lassen, mit unerwartet positiver Resonanz. Denn einerseits gibt der voluminöse Sound den Hits sowohl gewisse Gravität als auch frischen Twist, andererseits charakterisiert die Saxophonstimme, den Vokalpart ersetzend, spezielle Timbres und improvisatorische Freiheit. Die Vinyl-Versionen zumal verbreiten professionelle Power und nostalgischen Charme. (LP Earlybird)
Aus persönlicher Nähe bei gemeinsamen Sessions entstand auch das Album „Ride Into The Sun“, mit dem Jazzpianist Brad Mehldau dem prominenten US-amerikanischen Singer/Songwriter Elliott Smith seine Reverenz erweist. Außer einigen per Streicher wattierten und von Holzbläsern dekorierten Titeln wie „Everything Means Nothing To Me“ im Popstil ragen polyphon-virtuose Klaviermonologe und kernige Trioimprovisationen mit angenehmen Akkordstrukturen heraus. (Nonesuch)
Ein grandioses Oratorium haben Christian Muthspiel & Ojazztra Vienna dem Poeten und Wortdrechsler Ernst Jandl gewidmet. Zu dessen Original-Rezitationen „Vom Jandln zum Ernst“ sind wie bei Disputen ziemlich freie Improvisationen, kontrapunktische Interventionen mit spöttischer Attitüde oder, konkreter: freche Schlafliedzitate „liegen, bei dir“ in diversen Variationen assoziiert. (col legno)

Ein grandioses Oratorium haben Christian Muthspiel & Ojazztra Vienna dem Poeten und Wortdrechsler Ernst Jandl gewidmet.
Gar eine „Resurrection“ (Wiederauferstehung) nach mehreren Umbesetzungen und Erweiterungen feiert das Trio Ivoire, 1999 von Pianist Hans Lüdemann und Balafon-Meister Aly Keȉta gegründet, seit 2013 mit Schlagzeuger Christian Thomé. Die sehr spezielle Kombination perkussiver Instrumente hat vibrierende Vitalität in bulligem Groove zu repetetiven Mustern, rasante Tanzfiguren, zirkulierende Afro-Melodik und dunklen Balladen-Soul, kurzum: aparte Sounds ungetrübter Lebensfreude. (Intuition)
Zwar weilt der britische Pianist John Taylor nicht mehr unter den Lebenden, doch er ist trotz „Tramonto“ (Sonnenuntergang) postum präsent. Bisher unveröffentlichte Live-Aufnahmen mit Bassist Marc Johnson und Schlagzeuger Joey Baron aus dem Jahr 2002 zeigen, dass etwa im Titelsong, nach einem Bass-Cantus als Intro, intensive Pastellklänge atmosphärische Imaginationen prägen. „Pure and Simple“ täuscht allerdings über den raffinierten Trio-Diskurs, der sich entlang rhythmischer Haken und Ösen zwischen Staccato-Cluster und Latin-Fluidum einpendelt. Mikro-Motive und exzentrische Akkordgebilde kontrastieren chromatische Ballungen und poetische Passagen. Superb. (ECM)
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