Rainer Rubbert (Musik)/Tanja Langer (Libretto): Kleist. Oper in vier Akten. Ensemble der Uraufführung (Brandenburger Theater 2008). duo-phon records 11033 (2 CDs)
Der Dichter als fiktive Gestalt, als Fluchtpunkt einer Zitate montierenden Phantasie und Spekulation. Seine Wut: weil er als Blitz die Epoche zu erhellen hofft und als dekoratives Feuerwerk zerknattert. Sein Lebens-Unmut lässt für Momente das Herz der musikalischen Erzählung still stehen – bis ein komödiantisch-lyrisch-sarkastischer Impuls es von Neuem antreibt.
Neben Thorbjörn Björnsson, der förmlich durch die Titelrolle zu schweben, zu fliegen scheint, agieren Stephan Bootz als grimmiger Freund Pfuel, Nicolas Hariades als androgyne, edel timbrierte Schwester Ulrike, Kai-Uwe Fahnert als Brentano mit schneidenden Interjektionen, Silja Schindler als Küken Bettine, Claudia Herr als Henriette – elegant im Choral- wie im Konversationston – und Mark Coles als klanggewaltiger Bote aus Santo Domingo. Über allen thront, souverän und ausdrucksstark, Evelyn Krahe als Günderrode und Penthesilea.
Und die Brandenburger Symphoniker unter Michael Helmrath reagieren flexibel auf das Panoptikum der Launen und Situationen – mit nervösen Pizzicati, melancholischen Kantilenen, kalten Schlagzeug-Duschen. Der berührende Text gipfelt im dritten Akt in einer Szene, worin Kleists Worte seinen Dramengestalten in den Mund wachsen. Im vierten weitet sich der lineare Bericht zur Zeit- und Gedankencollage: Scheinwerfer gleiten übers zerpflügte Sprachgelände, auf der Suche nach einer Abschiedsbotschaft. Sie wird gefunden und mit kindlichem Ernst nachgespielt: Zwei wollen fort und schauen einander an, in wachsender Verzauberung, staunend. Keine melodramatische Inszenierung, kein Pistolenknall. … Nur leises Zirpen, Trommelschnarren – und Licht aus.