Gute Opernfestspielkarten sind nur zu Preisen von jenseits 200 Euro zu haben… und auf dem Schwarzmarkt kursieren noch weit höhere Summen. Da bieten DVD und Bluray die preiswerte Alternative – und angesichts heutiger Digitaltechnik fürs TV-Bild und angeschlossener Tonanlage sind reizvoll ferne Aufführungen technisch sehr gut ins Wohnzimmer zu holen.
In den Zeiten alten Sängerglanzes probierten Stars ein Debut eher versteckt an kleinen oder mittleren Bühnen aus – und dann kam der große Auftritt. Jonas Kaufmann sang 2017 seinen ersten Otello, gleich in Londons Covent Garden – und das musste auch gleich aufgezeichnet werden (Sony Bluray 88985491969). Unter der überlegt disponierenden Führung Antonio Pappanos, der sicher einer der profund Wissenden von italienischer Opernkultur ist, geht nichts schief. Fans von Arturo Toscaninis trockener Schärfe in seiner „Otello“-Aufzeichnung im „klangharten“ NBC-Studio des Jahres 1947 bekommen bei Pappano auch die kurze „dolcezza“ dieser tödlichen Mischlings-Ehe zu hören. Doch das Hauptergebnis ist: ein intelligent über die Rolle sprechender deutscher Sängerstar ist auf erkennbar auf „gute Wirkung“ bedacht; alle Leidenschaft wirkt zu sehr kalkuliert; die profunde, existentielle Verunsicherung dieses Mohren, der befremdlich hell geschminkt ist, wird nicht glaubhaft: die weiße Geld-Aristokratie Venedigs hat seine Ablösung als Feldherr ja schon vor Sieg oder Niederlage losgeschickt – das ist in der Film-Aufzeichnung von Walter Felsensteins Inszenierung 1969 nachvollziehbar.
Jonas Kaufmann singt gut, vor allem die baritonal getönten Phrasen gelingen bestens. Insider-Informationen nach durfte er bei der Iago-Besetzung mitbestimmen: Marco Vratogna übertrumpft ihn als überzeugend kernig-kalter Intrigant daher nie. Maria Aresta singt schön, wirkt aber zu fraulich, letztlich wie „über die Desdemona hinaus“. Keith Warners Inszenierung hakt in Kostüm und Bühne unentschlossen zwischen Moderni- und Historisierung. Dafür ist man für ein Zehntel des Preises einer Opernkarte zu Gast in London und hat Jonas Kaufmann vielfach in Nahaufnahme – im eigenen Wohnzimmer.