Eine herausragende Trompetenplatte dieser Tage kommt – von einem Percussionspieler. Trilok Gurtu, 1951 in Bombay (heute: Mumbay) geboren und einer der gefragtesten Schlagwerker auf diesem Planeten, war immer schon von diesem Instrument fasziniert. In seiner langen, facettenreichen Karriere gehörte die Zusammenarbeit mit dem Trompeter Don Cherry zu den fruchtbarsten Verbindungen. Und so darf dieser auch postum am Anfang von „Spellbound“ seine unvergängliche Stimme erheben.
Man fühlt sich zurückversetzt in die Ära mit Don Cherry – eine Zeit voller großer Musik. Doch dann verändert Trilok Gurtu den Blickwinkel dieser Hommage: Fusionjazz, Rockklänge, Elektronisches sowie dezidierte Einflüsse aus dem Orient und natürlich vor allem aus der klassischen indischen Musikkultur finden zu einem organischen, abwechslungsreichen Fluss zusammen. Ein Kunststück angesichts von mehr als einem halben Dutzend Trompetensolisten, die „Spellbound“ hier aufbietet.
Aber auch ein aktuelles Zeugnis von Gurtus Geisteshaltung, in der es keine Grenzen zwischen Stilistiken und Kulturkreisen gibt. Da leben individuelle Stile, da darf jeder Individuum sein. Und das, was Gurtus Ästhetik von Rhythmik und modaler Improvisation ausmacht, funktioniert wie ein universaler Schlüssel – vor allem diese Rhetorik, die auch und vor allem bei seinem Schlagzeugspiel die melodische Linie mit dem perkussiven Impuls vereint.
Das taugt bestens für die weiträumig atmenden Klanglandschaften eines Nils Peter Molvaer – und hier kommt mit Miles Davis-Zitaten ein weiterer ewiger Fixstern am Jazztrompetenhimmel ins Spiel. Originell und anspielungsreich blitzt ein explosives Motiv aus dem „On the Corner“- Album von Davis auf, während Gurtu die Metren zerlegt, zerstückelt, atomisiert und vorwärtstreibt. Immer ist Gurtus Rhythmuszauber ein zuverlässiger Transmissionsriemen – für die vierteltongesättigte orientalische Trompetenmelismatik eines Hasan Gözetlik, für die südländisch melodiösen Luftströme eines Paolo Fresu, für den aufrührerischen Spielwitz eines Matthias Schriefl, für die sensiblen Gesten eines Matthias Höfs oder die Arabesken des Ibrahim Malouf.
Das sind keine völlig neuen Vorstöße in unbekanntes Terrain – aber dieses kolossale Unterfangen des indischen Musikers webt einen Teppich aus Referenzen äußerst kunstvoll zum feinen Ganzen. Das würde auch den Segen von Don Cherry bekommen. Von diesem ist schließlich ist ein Dankeswort auf diese Platte gebannt – sozusagen als Finale, als Schluss-Fazit.