Er gab der Postmoderne schon 1934, vor 70 Jahren also, ihr Motto, „Anything Goes“: Cole Porter, dessen Todestag sich am 15. Oktober zum 40. Mal jährt. Schon 1946 hat Hollywood versucht, sein Leben auf der Leinwand zu erzählen. „Night and Day“ hieß das Biopic von „Casablanca“-Regisseur Michael Curtiz. In der Hauptrolle, von Porter höchstpersönlich vorgeschlagen: Cary Grant.
„Night and Day“ war eine Nummernrevue, die relativ wenig mit Porters Vita zu tun hatte. Damit unterschied sie sich aber auch kaum von anderen aufwendigen Hollywood-Komponisten-Porträts der vierziger Jahre: „Rhapsody in Blue“ über George Gershwin und „Words and Music“ über Rodgers & Hart. Trotzdem prägten natürlich diese Hollywood-Revuen unser Bild von den genialen Schöpfern des „Great American Songbook“. Inzwischen wissen wir mehr über unsere Tin Pan Alley-Helden. Wir kennen George Gershwins manisch-depressive Seite, Lorenz Harts Säufer-Seele und Cole Porters homosexuelle Neigungen. Das alles sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich Irwin Winklers Porter-Biopic „De-Lovely“ anschaut.
Das Kino und Cole Porter, sie haben schon in den frühen Tonfilmtagen eine Affäre miteinander angefangen. „The Battle of Paris“ hieß der erste Film von 1929, für den Cole Porter die Songs lieferte. Dann folgten in den 30ern Verfilmungen seiner Broadway-Musicals „Anything Goes“ oder „The Gay Divorce“ mit Fred Astaire. Viele der Filme, zu denen Porter in dieser Zeit die Musik schrieb, sind vergessen. Doch Filmsongs wie „In The Still Of The Night“ oder „I’ve Got You Under My Skin“ haben die Zeit, wie ein Großteil des Cole Porter-Songbooks, überlebt. Woody Allen etwa benutzte in seiner letzten Komödie „Anything Else“ (!) einen Porter-Song, den einst James Stewart auf der Leinwand gesungen hatte, sogar als ironisches Leitmotiv: „Easy To Love“, freilich in der Fassung mit Billie Holiday. Und wer kennt nicht die Gassenhauer aus „Kiss Me, Kate“ oder „High Society“? „Too Darn Hot“, gesungen und getanzt von der in diesem Jahr gestorbenen Ann Miller oder „Well, Did You Evah!“ mit Frank Sinatra und Bing Crosby.
Spätestens seit Ella Fitzgeralds „Cole Porter Song Book“ von 1956 ist der Name des Meisters jedem Jazz- und Pop-Fan geläufig. Ein Pub-Entertainer wie Robbie Williams zum Beispiel ist mit seiner Musik aufgewachsen: „Mein Vater ist ein großer Verehrer von Sinatra, Martin und Bing. Deshalb kenne ich all diese Songs, wusste aber damals nicht, wer sie komponiert hatte.“ In „De-Lovely“ singt Robbie den Titelsong. „Ich hoffe, dass diese Songs durch diesen Film ein neues Publikum finden, denn sie sollten unsterblich sein.“ Bei Aufführungen des Films während des Münchner Filmfests staunten nicht wenige „jazzigere“ Robbie Williams-Fans darüber, wie viele ihrer Lieblingslieder von Cole Porter stammten.
Natürlich treffen wir bei diesem neuen Porter-Projekt auf die üblichen Verdächtigen: Mr. & Mrs. Costello – Elvis & Diana Krall – oder Natalie Cole. Aber auch Popstars wie Alanis Morisette oder Sheryl Crow glänzen mit Porter-Standards. Zu den absoluten Höhepunkten des Soundtracks (erschienen bei Columbia) gehören aber eine laszive Version von „Love For Sale“ mit der neuen Soul-Diva Vivian Green und die Gesangsnummern von Kevin Kline. Als Mr. Porter croont er unglaublich charmant „Night And Day“, „Be A Clown“, „Experiment“ oder im Duett mit seiner Film-Ehefrau Ashley Judd „In The Still Of The Night“. Stephen Endelman sorgte im übrigen für die vorzüglichen Arrangements. Cole Porter himself kommt natürlich am Ende auch noch zum Zuge. Seine göttliche, nasale Version von „You’re The Top“ läuft hier außer Konkurrenz.
Facts & Fiction vermischen sich in „De-Lovely“, wie in jedem guten Biopic, aber Regisseur Irwin Winkler schafft es tatsächlich, eine filmische Porter-Welt zu erschaffen. Winklers Konzept dafür: „Die authentischen Fakten aus Porters Leben sind wie Noten in einer Melodie zusammengefügt, um ein wahrhaftigeres, tiefgründigeres Bild von diesem Mann, seiner Arbeit und, was am wichtigsten ist, von seinem Herzen zeigen zu können.“ Schon zweimal zuvor waren Winkler mit dieser Einstellung Musikfilm-Klassiker gelungen: Martin Scorseses „New York, New York“ über die Swing Ära und Bertrand Taverniers „Round Midnight“, für den Dexter Gordon für einen Oscar nominiert wurde. „De-Lovely“ ist der große Erfolg in Amerika versagt geblieben. Aber dort entwickelte sich ja im Gegensatz zu Rod Stewarts „Great American Songbook“ auch Robbie Williams’ Swing-Album zum Flop. Vielleicht hat ja „Old Europe“, das der geniale Songschmied Porter so liebte, auch in diesem Fall den besseren Geschmack.