Acht Uraufführungen in acht Sinfoniekonzerten innerhalb einer einzigen Saison? Das ist ein gewagtes Unterfangen, schließlich weiß doch jeder, dass Neue und Neueste Musik nicht unbedingt zur Leib- und Magenspeise eines (Abonnenten-)Publikums gehört. Dennoch haben Dirigent Evan Christ und das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Cottbus dieses einzigartige Experiment umgesetzt: in jedem Programm der Spielzeit 2009/2010 erlebte ein Stück Musik in Cottbus seine Geburt – „nur“ ein kleines Stück, aber immer ein je sehr charakteristisches von fünf, sechs Minuten Dauer.
Ganz offensichtlich zog das Publikum vor Ort mit und erkannte diese Zu-Mutungen des Orchesters als große Chance der Begegnung mit Klängen, denen sie sich sonst vermutlich nicht angenähert hätten. Und so fand die von Evan Christ initiierte und von dem italienischen Komponisten Valerio Sannicandro organisierte Uraufführungs-Reihe direkt in der nächsten Spielzeit ihre Fortsetzung. Nicht genug damit: auch das sinfonische Programm des Cottbuser Orchesters in 2011/2012 lieferte abermals in schöner Regelmäßigkeit Uraufführungen.
Drei mal acht sind vierundzwanzig: ebenso viele Kompositionen sind inzwischen auf zwei CDs versammelt, die das Engagement der Philharmoniker dokumentieren. Ganz sicher keine CDs, die man von vorn bis hinten durchhört wie eine Reger-Suite oder eine Sinfonie von Anton Bruckner. Eher genießt man sie häppchenweise – und erlebt eine durch und durch höchst abwechslungsreiche, spannende, geheimnisvolle, lautstarke, sinnliche, distanzierte, idyllische Klangwelt.
Die Sphären und Atmosphären, in die hinein die Partituren von Georg Katzer und Sydney Corbett, von Detlef Heusinger und Ludger Brümmer, von Annette Schlünz und Jörg-Peter Mittmann den Zuhörer tragen, sind so schillernd wie faszinierend. Das ist gerade das Wertvolle an dieser Cottbuser Initiative: dass es bunt und vielfältig zugeht, Arrivierte und Junge gleichermaßen Raum bekommen, sich und ihre musikalische Sprache vorzustellen, auch das Orchester immer wieder ganz unterschiedlich zu beanspruchen, es mit elektronischen Klängen zu kombinieren oder einen Solisten einzubeziehen wie den Altus Kai Wessel in Chaya Czernowins fragiler Miniatur „Esh“ („Feuer“).
Und diese Herauforderung des Neuen bestehen Evan Christ und seine Orchestermusiker ganz ausgezeichnet. Für die vorliegende Einspielung wurden sämtliche Werke – dank der Unterstützung der Max Grünebaum-Striftung anlässlich des 100-jährigen Orchesterjubiläums – neu aufgenommen. Auch das ist keineswegs selbstverständlich.