Während sich im zu Ende gehenden Liszt-Jubiläumsjahr eine ganze Reihe mehr oder weniger berufener Tastenheroen und -heroinen zu Wort gemeldet hat, ist der Symphoniker Liszt – wieder einmal – beschämend unterbelichtet geblieben. Eine erfreuliche Ausnahme bildet die Wiener Akademie, die es sich unter ihrem Dirigenten Martin Haselböck zur Aufgabe gemacht hat, dem „Sound of Weimar“ (so der Titel ihrer mit einer beachtlichen Version der Dante-Symphonie gestarteten CD-Reihe) so genau wie möglich auf die Spur zu kommen.
Martin Haselböck, der sich dem Komponisten zunächst über dessen Orgelwerke genähert hat, geht, gestützt auf entsprechende historische Zeugnisse, der originalen Orchesterbesetzung Liszts in seiner Zeit als Weimarer Hofkapellmeister auf den Grund. Das Ergebnis ist angesichts einiger anderer auf das 19. Jahrhundert spezialisierter Originalklangorchester nicht weiter überraschend, verblüfft aber auf einzelne Werke bezogen durchaus.
So erscheint der Orchestersatz von Liszts Symphonischer Dichtung „Ce qu’on entend sur la montagne“ nicht als eine selbstverständlich gegebene Klangpalette, sondern als ein mühsam errungenes, fragiles Gebilde, das zwischen herben Bläserfarben und scharf akzentuierenden Streichern – beides stammt eindeutig von Berlioz her – nach einer Balance des dramatischen Ausdrucks sucht. Statt einen selbstherrlich errungenen Gipfelpunkt zu markieren, wandelt sich der Blechchoral so zu einem nach innen gerichteten Gebet, das in der Folge nur von der prekären Intonation der Holzbläser (es handelt sich um Live-Mitschnitte) etwas getrübt wird.
Im Kenntlichmachen dieses Ringens um den symphonischen Ton äußerst erhellend, kann Haselböck freilich das vertrackte Formproblem nicht aus der Welt schaffen, das zur Konsequenz hat, dass das im deutschen Sprachgebrauch als „Bergsymphonie“ bezeichnete Werk seit einem Aufsatz von Carl Dahlhaus von 1975 wahrscheinlich häufiger in musikwissenschaftlichen Seminaren analysiert als im Konzertsaal aufgeführt worden ist…
Leicht und schwebend gelingt der Wiener Akademie „Orpheus“, Liszts wunderbar in sich ruhende Beschreibung eines Urzustands, eine unverkrampfte Beschwörung der Kraft der Musik. Schade, dass die rätselhaften Schlussakkorde intonatorisch nicht hundertprozentig gelingen.
Auch „Les Préludes“ profitieren von Haselböcks detailgenauem Zugriff, nur hat Jos van Immerseel mit seinem Orchester Anima Eterna dieses Stück vor sieben Jahren schon mit derart mitreißender Verve vorgelegt (bei Zigzag Territoires), dass die Wiener Akademie nicht dagegen ankommt.
Dennoch kommt ihr und Martin Haselböck das Verdienst zu, im Jubeljahr einen der wenigen gewichtigen Diskussionsbeiträge zu Liszt abseits der Klaviermusik geliefert zu haben. In diesen Tagen erscheint übrigens Folge 3 der Serie mit „Hunnenschlacht“, „Hungaria“ und „Mazeppa“.