Die rumänische Sängerin Irina Ungureanu schöpft aus alten Texten und Liedern ihrer Heimat, um daraus etwas aufregend zeitgemäßes für das Hier und Jetzt zu formen. Sie tut dies innerhalb der Formation „Grünes Blatt“ – ein Bandnamen, der für keine Schublade zu passen scheint, und das ist auch gut so. Denn es geht darum, sich hinein tragen zu lassen.
Kammermusik? Experimentell angehauchter „Spacefolk“? Jazz und manchmal auch Rock? Die hier versammelten Musiker scheinen auf jeden Fall alles zu können und sind doch ihrer ganz individuellen Sache verhaftet. Wenn Irina Ungureanu ihre wandelbare Stimme erhebt, künden die zugrunde liegenden Lieder von Liebe und vom harten Leben im Einklang mit der Natur. Aber so etwas stößt in jedem Moment die Tore zu freieren, dezidiert zeitgenössischen Gestaltungsräumen auf, in denen die Stimme als eigenständiges Instrument agiert – bis hin zu schrägen Jauchzern und ekstatischen Aufschreien, die manchmal fast an Diamanda Galas erinnern.
Irina Ungureanu, 1984 geboren und ursprünglich durch die rumänische Volksmusikgruppe ihres Vaters sozialisiert, könnte mit diesem Ausdruckspotenzial auch ganz für sich allein agieren, um ein solches Album komplett zu machen – aber ihr archaisch-kunstvoller Gesang ist auf „Thirteen Ways“ in ein vielgestaltiges instrumentales Geflecht eingebettet. Verschlungen und kreativ sind diese Wege, die meist ihren Ausgangspunkt in den uralten Liedern haben. Der Bandname „Grünes Blatt“ verweist übrigens auch auf diese Quellengrundlage, denn – wie es auf rumänisch heißt „Foaie verde“ ist eine Wendung, die in ganz vielen rumänischen Volksliedern immer wieder vorkommt.
Für sensible Effekte sorgt die Instrumentierung: Mal überhöht die von Matthias Spillmann geblasene Trompete die schwebenden, klagenden Melismen der Gesangsstimme, wenn sie einzelne Phrasen und Töne ins unermessliche ausdehnt. Oder das präparierte Klavier von Vera Kappeler steuert mysteriöse Soundwelten bei. Irina Ungureanu hat in jedem Fall einen langen Atem, wenn sie ihre mystischen Geschichten rezitativisch ausbreitet und dazu Streicher sowie ein Harmonium manche psydechelische bis sakrale Klangfläche erzeugt. Nach diesen Reisen in die Tiefen einer traditionelle, aber so ganz außerweltlich inszenierte Vokal- und Tonkunst erleichtert ein anglo-amerikanischer Song wieder das Auftauchen an die Oberfläche: „Thirteen Ways of looking at a Blackbird“ von Girod und Stevens.