Ludwig van Beethoven: Trios für Violine, Violoncello und Klavier op. 1 +++ Ludwig van Beethoven: Trios für Violine, Violoncello und Klavier op. 70 +++ Carl Gottlieb Reissiger: Klaviertrio Nr. 5, D‑Dur, op. 75. Für Violine, Violoncello und Klavier +++ Evgeny Kissin: Klaviertrio op. 6. Für Violine, Violoncello und Klavier

Ludwig van Beethoven: Trios für Violine, Violoncello und Klavier op. 1. Hrsg. von Jonathan Del Mar. Bärenreiter
Ein Klassiker, eine Entdeckung, ein Zeitgenosse
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Ludwig van Beethoven: Trios für Violine, Violoncello und Klavier op. 1. Hrsg. von Jonathan Del Mar. Bärenreiter BA 10943
Ludwig van Beethovens Opus 1 vereinigt drei Klaviertrios in den Tonarten Es‑Dur, G‑Dur und c‑Moll, in welchen sich klare Einflüsse seines ehemaligen Lehrers Joseph Haydn und dem Vorbild von Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierquartetten widerspiegeln. Alle drei Klaviertrios sind mit vier anstelle der üblichen drei Sätze konzipiert. Das erste Trio in Es‑Dur stellt mit dem eröffnenden Allegro ein energievolles Hauptthema einem lyrischen g-Moll-Seitenthema gegenüber, was durch ein weit ausgeführtes drittes Motiv in der Coda ergänzt wird. Im Adagio zieht sich das stimmungsvolle Thema durch die verschiedenen Instrumente und kehrt zwar rondoartig immer wieder, wird jedoch vor allem in der Violinstimme immer wieder variiert. Das Scherzo schafft mit seinem durch Vorschlagstöne geprägten Motiv einen auflockernden Gegenpol, der aber im Mittelteil des Satzes gewichtvoller erklingt. Der Finalsatz von op. 1, Nr. 1 steht zwar im Presto, wirkt aber durch die Dezimsprünge des Hauptthemas eher leger und arbeitet damit einen schwungvollen Charakter heraus.
Dem ersten Satz des zweiten Klaviertrios in G‑Dur geht eine Einleitung im Adagio voraus, die bereits das anschließende Thema des getragen, vorantreibenden Allegros vorausgreift. Als zweiter Satz findet sich ein ausdrucksgeladenes Largo, in dem besonders die Streicherstimmen eine prävalentere Rolle als in den anderen Sätzen spielen. Ein kurzes und mit seinem Trio in h‑Moll ebenso kurzweilig gehaltenes Scherzo leitet zum ebenfalls ausgelassenen Schlusssatz über, in dem die strenge Sonatensatzform durch melodische Raffinesse aufgelockert wird.
Das dritte Klaviertrio der Gruppe scheint von tiefgründigerer Substanz als die beiden vorangehenden Trios zu sein. Bereits im eröffnenden Allegro con brio legt das c‑Moll-Trio dar, dass alle beteiligten Instrumente einen höheren Aufwand und vielfältige Beiträge zum Gesamtklang leisten müssen, wodurch die Triobesetzung fast sinfonischen Klangdimensionen entgegenstrebt. Ein kantables Andante wirkt infolgedessen eher verhalten, arbeitet über fünf Variationen hinweg aber eine transparente Vielseitigkeit heraus. Ein tänzerisches, doch energisches Menuett wird nur durch den in C‑Dur gehaltenen Trioabschnitt aufgeheitert. Das abschließende Prestissimo bildet den formalen und tonartlichen Bogen zum Kopfsatz und schafft durch seine stark kontrastierenden Themen ein kurzweiliges Finale.
Allgemein bietet Opus 1 eine vielseitige Triogruppe, deren Schwierigkeitsgrad, vor allem in der Klavierstimme, etwas herausfordernder gestaltet ist. Die Streicherstimmen sind in der Regel für Fortgeschrittene gut zu bewältigen. Der Herausgeber Jonathan Del Mar zog für diese kritische Edition erstmals Beethovens op. 104 heran – eine Bearbeitung des dritten Trios in c-Moll.
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Ludwig van Beethoven: Trios für Violine, Violoncello und Klavier op. 70. Hrsg. von Jonathan Del Mar. Bärenreiter BA 10960
In Beethovens Opus 70 finden sich zwei seiner beliebtesten Klaviertrios, welche in der Schaffensphase seiner 5. und 6. Sinfonie entstanden. Das Klaviertrio Nr. 1 in dieser Veröffentlichung steht in D‑Dur und ist unter dem Namen „Geistertrio“ bekannt. Bereits im Kopfsatz changiert das Allegro vivace zwischen stürmisch aufbrausenden und zurückhaltend kantablen Passagen. Ein getragenes Largo assai in d‑Moll lässt die Violine und das Cello klagend über dem Pulsieren und Tremolieren des Klaviers singen. Das finale Presto kehrt nach D‑Dur zurück und erstrahlt nach dem gewichtigen Mittelsatz besonders auflockernd, indem alle Stimmen gleichermaßen glänzend zum Zug kommen.
Das Klaviertrio Nr. 2 in Es‑Dur ist formal äußerst nah an Joseph Haydns Symphonie Nr .103, ebenfalls in Es‑Dur, angelehnt. Es beginnt mit einer ruhigen und imitativen Einleitung, leitet aber zu einem tänzerischen Hauptthema über. Das folgende Seitenthema verarbeitet das Einleitungsmotiv und verleiht dem Kopfsatz damit eine Ambivalenz, welche in typischer Beethoven-Manier meisterhaft ausgearbeitet wurde. Anstelle eines sonst gebräuchlichen langsamen Satzes ist in diesem Klaviertrio an zweiter Stelle ein Allegretto zu finden. Darin werden zwei Themen, in C‑Dur und c‑Moll, gegenübergestellt und variiert. Es folgt ein Menuett in Form eines weiteren Allegretto-Satzes, welcher durch seine Eleganz, aber auch seinen warmen Charakter hervorragt. Der Finalsatz ist zwar insgesamt sehr eindringlich, wirkt durch die Anregungen kroatischer Volkslieder aber immer wieder spielerisch, wodurch es zu mehreren unerwarteten Übergängen kommt. Auch wenn die beiden Streicherstimmen stellenweise hervortreten, erfordert die Klavierstimme oft solistisch den höchsten technischen Anspruch. Für diese Urtextausgabe wurde erstmals ein Stimmenset mit Korrekturen Beethovens herangezogen, wodurch bisherige Unstimmigkeiten bereinigt werden konnten.
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Carl Gottlieb Reissiger: Klaviertrio Nr. 5, D‑Dur, op. 75. Für Violine, Violoncello und Klavier. Herausgegeben von Cristian Hildebrand. Edition Dohr E. D. 28925
Die Nr. 5 bildet die aktuellste Veröffentlichung in der Klaviertrioreihe von Carl Gottlieb Reissiger, welcher insgesamt 28 Werke für diese Besetzung komponierte. Die Edition Dohr bringt die sonst nur in sehr alten Ausgaben verfügbaren Werke in ein frisch ediertes Druckbild und macht diese in Vergessenheit geratene, illustre Kammermusik für heutige Programme zugänglich. Das viersätzige Trio ist in seinen Tempi munter gehalten und überzeugt mit Ausnahme des getragenen Andante durch eine besonders aufgeweckte Charakteristik. So birgt das ausladende Allegro eine mitreißende Leidenschaftlichkeit, während das Scherzo ein auflockerndes Zwischenspiel bietet, das durch ein walzerartiges Trio ergänzt wird. Der Finalsatz ist als Rondo angelegt und macht der Betitelung als „Allegro brillante“ alle Ehre. Zu bemerken ist, dass die Violin- und Cellostimme zwar immer wieder in kleineren Solopassagen hervortreten, aber oft homophon gehalten sind. Zudem sind diese beiden Stimmen technisch weniger anspruchsvoll, das Klavier aber brilliert über sämtliche Sätze hinweg als solistisches Instrument, das höhere technische Anforderungen voraussetzt.
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Evgeny Kissin: Klaviertrio op. 6. Für Violine, Violoncello und Klavier. G. Henle Verlag HN 1397
Mit diesem erst 2022 komponierten Klaviertrio op. 6 bringt der Komponist Evgeny Kissin nicht nur die Gattung des klassisch besetzten Trios aus Violine, Violoncello und Klavier in sein Œuvre ein, auch positioniert sich der russische Komponist mit diesem tonmalerisch immer wieder an ein Schlachtfeld erinnernden Werk politisch zum Ukrainekrieg. Das für alle Stimmen höchst anspruchsvolle Trio erfordert neben hoher Präzision den Einsatz verschiedenster Techniken. Während das Klavier nach einer ruhigen Einleitung im ersten Satz beispielsweise immer wieder Akkorde, mit der Faust oder den Ellenbogen gespielt, energisch hervorhebt, wird der Dramatik aber auch eine leise hoffnungsvolle Melancholie durch dissonante Doppelgriffe und Flageoletttöne der Streicherstimmen in einem ruhigeren zweiten Satz gegenübergestellt. Offensichtlich wird der Aktualitätsbezug durch das Zitat der ukrainischen Nationalhymne zu Beginn des dritten Satzes. Dieser letzte Satz entwickelt sich zu einem zügigen, vielerlei Emotionen umfassenden Finale, das fulminant endet. Die Ausgabe ist auch digital in der „Henle Library“ verfügbar.
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