Hauptrubrik
Banner Full-Size

Noten-Tipps 2012/09

Untertitel
Brahms, Beethoven und Mendelssohn-Bartholdy
Publikationsdatum
Body

Johannes Brahms: Trio für Violine, Horn (Viola oder Violoncello) und Klavier, Opus 40 (1865). Urtext +++ Johannes Brahms: Trio für Klarinette (Viola), Violoncello und Klavier, Opus 114 (1891). Urtext +++ Ludwig van Beethoven: Schottische, irische und walisische Lieder. Auswahl aus Op. 108, WoO 152–157. Soli, Duette und Terzette +++ Felix Mendelssohn: Six Christmas Pieces, Opus 72 for Flute, Vio­lin, Viola and Cello. Arranged by Graham Bastable.

 

Johannes Brahms: Trio für Violine, Horn (Viola oder Violoncello) und Klavier, Opus 40 (1865). Urtext, hrsg. v. Chris­topher Hogwood. Bärenreiter BA 9435 (2012)

Johannes Brahms: Trio für Klarinette (Viola), Violoncello und Klavier, Opus 114 (1891). Urtext, hrsg. v. Christopher Hogwood. Bärenreiter BA 9438 (2012)

Zwei Kammermusikwerke, eines des noch jungen Brahms, in dem er einen persönlichen Kummer ausweint, für jene vier Instrumente, die er einst selbst erlernt hat, das andere, zu dem sich der späte Brahms in einem zweiten Frühling von jenem Klarinettisten Mühlfeld im Meiniger Hoforchester inspirieren ließ, den er als den „besten Meister seines Instruments“ kennengelernt hat und für den er gleich darauf auch das Klarinettenquintett op. 115, drei Jahre später die beiden Klarinettensonaten op. 120 folgen ließ. Beide zusammen, Trio und Quintett im Sommer 1891 in Ischl fertiggestellt, fanden schon wenige Wochen danach in Meiningen ihre Erstaufführung durch Richard Mühlfeld und zwar auch in der Version mit Viola (unter Mitwirkung von Joseph Joachim). So geschah es teilweise auch in den bald folgenden Aufführungen in Berlin, Wien und London. Doch der enthusiastische Beifall, den das Quintett fand, war dem Trio nicht in gleichem Maße hold, Letzteres solle man „nur einem Publikum präsentieren, das bereits für Brahms eingenommen war“, empfahl Joa­chim, aber immerhin einen „Sturm von Beifall“ habe der dritte Satz hervorgerufen, registrierte der Kritiker des Musikalischen Wochenblattes beim Konzert in der Berliner Singakademie, „… die Themen zum großen Teil wohlklingend und überzeugend, das Finale aber ist glänzend und lebendiger als jeder Satz des Quintetts“, las man damals in The Musical Times. Diese recht unterschiedliche Aufnahme des Trios in der Öffentlichkeit, das differenzierte Meinungsbild von als Interpreten beteiligten Zeitzeugen und anderen Brahms-Kommentatoren fasst die (englische und deutsche) „Einführung“ des Herausgebers zusammen. Sie erläutert Brahms’ differenzierten Umgang mit den besonderen Klanglichkeiten der Klarinette und deren Abstimmung mit den Streichern. und legt eingehend die Quellenlage dar, wofür die beigegebenen fünf Faksimile-Seiten ihren besonderen Wert haben. Damit begründet er zugleich das Attribut „Urtext“-Ausgabe. Diese besticht auch durch ihr großzügiges Notenbild, und für die Alternativfassung mit Viola, für die Brahms die Transkription anfertigen ließ, ist die separate Stimme beigegeben.

In gleicher Weise zeichnet sich die Urtextausgabe des Horn-Trios Opus  40 aus, in der Hogwood (in Englisch und Deutsch) das interessante Entstehen dieses „Lieblingswerk des Komponisten“ nachvollzieht, das 1865 in Zürich, dann in Mannheim ur- beziehungsweise erstaufgeführt wurde und in dessen drittem Satz der Komponist Wehmut und Trauer über ein persönliches Schicksal Ausdruck verleiht. Clara Schumann, als Interpretin mit dem Werk bestens vertraut, hatte in ihrem Tagebuch notiert, dass das Publikum „das wahrhaft geistvolle, durch und durch interessante Werk nicht (verstand), trotzdem der erste Satz voll der einschmeichelndsten Melodien ist und der letzte Satz wieder voll frischen Lebens. Das Adagio ist wundervoll auch, aber allerdings für das erste Mal Hören schwer“. Oder, so die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung, „die gehörten Klänge sich tief in Herz und Phantasie eingraben“. Hogwoods Einführung erklärt den von Brahms bevorzugten Klangeinsatz von Waldhorn (Naturhorn) gegenüber Ventilhorn, erläutert die von Brahms selbst besorgten Alternativfassungen mit Violoncello beziehungsweise Viola, deren Stimmen hier beigegeben sind, und geht weiteren Fragen der Interpretationsgeschichte nach. Fragezeichen und Irritationen gab es bislang um die bei Opus 40 verwendete motivische Substanz: Hogwood schließt sich dem Nachweis seines englischen musikforschenden Kollegen John Walter Hill an, der gegenüber bisheriger Auffassung meint, nur in einem anderen Volkslied, nämlich „Es soll sich ja keiner mit der Liebe abgeben“ (aus einer Volksliedsammlung in Brahms’ Besitz) könnten „die Bezüge in jedem einzelnen Satz aufgespürt werden“. Eine weitere Entlehnung habe nun ein „jüngst entdecktes Klavierstück“ des 12-jährigen Brahms aufgezeigt (faksimiliert beigegeben), aus dem sich ebenfalls melodisches und harmonisches Material im zweiten Trio-Satz wiederfinde. Weitere sechs Faksimiles sind für das Nachvollziehen des Kritischen Kommentares aufschlussreich.

Ludwig van Beethoven: Schottische, irische und walisische Lieder. Auswahl aus Op. 108, WoO 152–157. Soli, Duette und Terzette. Hrsg. v. Roland Erben. Peters 11251 (2010)

Kein Geringerer als der in seiner kompositorischen Blütezeit stehende Wiener Symphoniker war von dem schottischen Liedersammler George Thomson um eine angemessene Bearbeitung seiner Volkslieder gebeten worden. „Arrangement“ klingt allzu bescheiden; daraus wurden mit Violine, Cello und Klavier kammermusikalische Miniaturen voller Charme, die den Charakter der Lieder einfühlsam nachspüren, im Ergebnis „des höchs­ten Beifalls wert“. Der Verlag besann sich einer Auswahl von 1890, die er nun modifiziert vorlegt, und Gabi Szarvas fügt die spannende Entstehungsgeschichte bei. 

Felix Mendelssohn: Six Christmas Pieces, Opus 72 for Flute, Vio­lin, Viola and Cello. Arranged by Graham Bastable. International Music Company, New York Nr. 3669

Der Titel irritiert. Diese sechs kurzen Klavierstücke für Kinder, seiner Zeit ein Weihnachtsgeschenk für die Familie, sind ohne jeden Christmas-Touch. Gleichwohl jedes der Pieces für sich ist hübsch, expressiv, lyrisch, spritzig, scherzhaft, einfach eingängig zum Mitsingen, zum Mitpfeifen, genügend Anreiz, aus einem Klaviersatz eine Quartettfassung zu fabrizieren und der Querflöte die Melodieführung anzuvertrauen. Das verführte zu weiteren Eingriffen wie Transponieren, Notenwerte „doubled“. Aber die Substanz verträgt ein solches Arrangement, und ein halbwegs geübtes Liebhaberensemble könnte bei diesen gut präparierten Stimmen das ganze Jahr seinen Spaß an Mendelssohns melodischen Einfällen haben.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!