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Felix Janosa an seinem eigentlichen Arbeitsplatz. Foto: Antoine Pütz

Felix Janosa an seinem eigentlichen Arbeitsplatz. Foto: Antoine Pütz

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Das hätte die KI besser gemacht!

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Interview mit Felix Janosa zu ­KI-Musik, ­Urheberrecht und Ästhetik
Vorspann / Teaser

Für die einen ist sie ulkig, für andere faszinierend und manche finden sie bedrohlich: generative Musik-KIs. Martin Hufner hat Komponist, Pianist, Kabarettist, Produzent und Autor Felix Janosa Fragen zu seinen Erfahrungen und Einschätzungen zur Arbeit mit Musik-KIs, der rechtlichen Zukunft und ihrem Einfluss auf die Musikbranche gestellt

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nmz: Herr Janosa, am Ende Ihres Beitrags (Seiten 31–32) schreiben Sie, die KI sei so etwas wie ein „musikalischer Zauberkasten“, der viel Spaß macht, mit der Gefahr verbunden, „ihm die musikalische Kreativität aus Bequemlichkeit zu überlassen“. Zauberei ist ja häufig eine hoch-virtuose Form der Täuschung der Sinne mit Staun- und Überraschungseffekt. Hat Sie eigentlich die KI jenseits der erstaunlichen technischen Fähigkeiten ästhetisch überrascht, außer dann, wenn sie, wie Sie auch sagen, zugleich simpelste Fehler macht, weil die KI immer nur „bis zur nächsten Ecke“ schaut?

Felix Janosa: Aus eigener Erfahrung weiß ich ja, wieviel Arbeit ein Song macht, oft liegen die Grundzüge oder eine Urfassung bei mir jahrelang herum und bekommen erst zum Beispiel nach zehn Jahren ihre eigentliche und mich auch zufriedenstellende Fassung. Die Zauberei besteht also wirklich in erster Hinsicht in der „magischen“ Schnelligkeit. Die ästhetischen Überraschungen finden vor allem im Detail statt, wenn zum Beispiel bei einer Wiederholung ein überraschender Moll-Akkord gesetzt wird, der auch noch zum Text passt. Schubert lugt da digital um die Ecke. Oder wenn die KI vor dem letzten Refrain eines sentimentalen Songs eine vokale Überbindung mit einem Ritardando setzt, das einfach rührend ist.

nmz: Das hat immer etwas von ulkig, wenn jemand statt Knoblauch, „Klobauch“ sagt und hat so einen Niedlichkeitsfaktor. Gibt es aber überhaupt etwas, was die KI kann und was ein Mensch nicht kann (außer Schnelligkeit)? Es gibt ja dieses Bonmot: Ein Computer kann alles, aber sonst nichts.

Janosa: Die Frage, was musikalische KIs können, bitte ich, nochmal in einem Jahr zu stellen, denn die Entwicklung hat gerade erst Fahrt aufgenommen. Außerdem habe ich bei meinen bisherigen Test-Reihen erst fünf Stilistiken ausprobiert (Big Band, Rock, Disco, volkstümliche Musik, Twenties Ballroom) und mich nie aus dem Songformat hinausbewegt; Komponierende Neuer Musik dürfen also noch ein paar Monate lang ausatmen.

Mehr originelle Musik

Das Wort „niedlich“ wollte mir übrigens nie in den Sinn kommen, denn die Abgleichungsmethode führte doch immer zu „massiven“ und teils auch „krassen“ Ergebnissen. Und die lagen auch nach meiner Einschätzung weit über dem, was durchschnittliche Song-Schreibende oder Produzierende leisten können. Also müssen wir künftig alle deutlich originellere und individuellere Musik wagen, denn „Mainstream“ kann ja die KI dank der Raubzüge durch die musikalische Schwarm­intelligenz selbst.

nmz: Das ist ein aufregender Punkt. Die KI, sagen nicht wenige, räubert sich durch die Musikmanifestationen der Vergangenheit. Andererseits steht auch alle andere musikalische Kreativität auf den Schultern der Gigant:innen. Gibt es da eigentlich Unterschiede, nicht, was die Arbeitsweise, sondern die Ergebnisse angeht.

Janosa: Dass die musikalischen KIs bei solchen doch spektakulären Ergebnissen „nur“ auf firmeninternes Trainingsmaterial zurückgreifen und ausdrücklich nicht auf den Rest des digitalen Musikrepertoires, halte ich selbst auch nach unseren Versuchen für ziemlich unwahrscheinlich. Und klar sind die Ergebnisse bei guten Künstlerinnen und Künstlern anders als bei der KI, nämlich „mit klarer, eigener Handschrift“ und nicht „abgeschrieben“. Doch mit Verlaub – wer hört das außer wir Fans und Experten noch? Und mittlerweile liegt mir beim Hören von manch neuem Poptitel ein „Das hätte die KI besser gemacht!“ auf der Zunge.

nmz: Könnte denn die KI auch anderes als Mainstream?

Janosa: Natürlich, nämlich dann, wenn der KI zum Beispiel Zugriff auf Schostakowitsch oder Stockhausen gestattet oder befohlen wird. Wie wir dann allerdings ein Schostakowitsch-Soundalike oder eine „Sirius-Ode“ von der KI jenseits der Biographie und der musikhistorischen Position dieser kantigen Komponisten musikalisch und ästhetisch beurteilen sollen, ist die entscheidende Frage.

KI-Anwendungen beliebt

nmz: Am Ende geht es doch für die Firmen, die diese Technologien entwickeln, um wirtschaftlichen Erfolg, nichts anderes, wo im Musikleben wird es Ihrer Meinung nach selbst für die KI vielleicht zu unbequem werden?

Janosa: Vor der Frage, was sich eine KI denkt, die keine Hits mehr platzieren kann, steht die Frage, ob die musikalischen KIs sich jetzt ohne viele Widerstände flächendeckend durchsetzen können. Die User-Zahlen sagen „Ja“, die Plattenfirmen und die GEMA gehen dagegen an. Tobias Holzmüller, CEO der GEMA, sagte anlässlich der Klage gegen die Suno-KI: „Menschliche Kreativität ist die Grundlage jeder generativen KI. Doch in diesem Markt fehlt es bisher an elementaren Prinzipien wie Transparenz, Fairness und Respekt.“ Ob diese hehren Worte wirklich ernst gemeint sind oder ob die GEMA nicht einfach nur einen ordentlichen Teil des neuen Kuchens haben möchte, werden wir bei den künftigen Verhandlungen und Einigungen erleben. Selten war es spannender als heute.

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