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Moritz Eggert (Komponist), Ursula Gaisa (nmz, Moderation), Bettina Müller (GEMA) und Ulrich Wüster (JMD). Foto: Charlotte Oswald
Moritz Eggert (Komponist), Ursula Gaisa (nmz, Moderation), Bettina Müller (GEMA) und Ulrich Wüster (JMD). Foto: Charlotte Oswald
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Forum Musikmesse: Debatten, Statements und Gespräche

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„Die Einsamkeit der jungen Komponisten“ – Thema Nachwuchsförderung *** Monika Bestle zur GEMA-Petition und den Folgen *** Der Komponist Minas Borboudakis *** Klaus Doldinger zum Thema „Jazz Made in Germany“ *** „Pianistin im Parlament“: Agnes Krumwiede (kulturpolitische Sprecherin der Grünen) *** Bettina Münzberg, Marketingleiterin der Ruhrtriennale, zum Thema „Marketing und CI im Kulturbereich *** Jörg Evers (GEMA/Deutscher Komponistenverband), Brigitte Zypries, MdB (SPD) und Theo Geißler (nmz, Moderation) zum Thema „Das Urheberrecht im digitalen Zeitalter“ *** Gerald Mertens (Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung) im Gespräch zum Thema „Wirtschaftskrise – Kulturkrise“ *** Thomas Rietschel (Hochschule für Musik Frankfurt), Olaf Praetorius (MHS Stuttgart) zum Thema „Erfolgsmodell Korea – Koreanische Studenten fluten deutsche Musikhochschulen“ *** Ortwin Nimczik (VDS), Lars Reichow (Kabarettist), Udo Dahmen (Popakademie Bawü), Jürgen Brandhorst (GEMA-Stiftung) und Theo Geißler (Moderation) diskutierten zum Thema „Play fair – Respect Music. Was ist uns die Musik noch wert?“ *** „Jedem Kind ein Instrument“, über dieses Modell diskutierten Manfred Grunenberg (Stiftung „JeKi“) und Stefan Gretsch (FG Musik ver.di) *** Harald Heker (GEMA), Hans-Joachim Otto (Parl. Staatssekretär/FDP), Rainald Ludewig (Panasonic) und Theo Geißler (Moderation) diskutierten zum Thema „Korb 2 und die Folgen – wer bezahlt die Privatkopie“ *** Hans H. Th. Sendler (European Strategy Consulting), Christian Höppner (DMR, Moderation) und Astrid Söthe-Röck (Netzwerk Alternsforschung Heidelberg) diskutierten zum Thema „Musizieren 50+“ *** Tanja Becker-Bender

„Die Einsamkeit der jungen Komponisten“ – Thema Nachwuchsförderung

Darüber diskutierten Moritz Eggert (Komponist), Ursula Gaisa (nmz, Moderation), Bettina Müller (GEMA) und Ulrich Wüster (JMD)

Moritz Eggert: Ich bin noch circa sechs Jahre junger Komponist, dann werde ich 50. Irgendwann wird man dann 60, dann wird man ein gestandener Komponist und wird alle fünf Jahre gefeiert. (...) Ich kenne ganz viele ehrgeizige Eltern, die ihre Kinder schon im kleinsten Alter vor Mozart-CDs setzen. Das finde ich schrecklich! Ich finde es wichtig, dass Kinder musikalisch gebildet werden, aber am besten ist es, wenn ihnen die Möglichkeiten geboten werden, dann ist es aber die Entscheidung des Kindes, ob es sich mit Musik beschäftigen will.

Für mich waren meine Lehrer ganz, ganz wichtig, das waren Vaterfiguren für mich. (...) Einer der Gründe, warum ich beschlossen habe, das Klavierspielen nie aufzugeben, war tatsächlich, dass ich das Gefühl habe, wenn ich jetzt nur Komponist wäre, ich dann schon Gefahr laufen würde, „einsam zu werden“. Es ist ein einsames Arbeiten. Als Musiker in der Gruppe kommuniziert man.

Bettina Müller: Wir tun sehr viel dafür, dass auch die jungen Komponisten mitbekommen, dass es die GEMA gibt und dass es wichtig ist, möglichst früh in die GEMA einzutreten, wenn man mit seinem musikalischen Repertoire auch wirklich Geld verdienen möchte. (...) Man sollte sich bei der GEMA als Mitglied anmelden bevor man erfolgreich ist, denn eine rückwirkende Vergütung ist nicht möglich. (...) Wir suchen auch den direkten Kontakt zu unseren Mitgliedern: Seit 2007 bieten wir GEMA-Wissen an, eine Veranstaltungsreihe, die quer durch Deutschland tourt. Dort wird informiert aber auch heftig diskutiert.

Ulrich Wüster: Unser Bundeswettbewerb Komposition feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen, und die JMD hat im Februar einen Fachkongress über Kompositionspädagogik veranstaltet – zusammen mit der Fachhochschule Osnabrück –, der längst fällig war, denn es gibt keine Didaktik der Kompositionslehre. Das war ein erster Anlauf, um diesen Stein ins Rollen zu bringen. (…) Die jüngsten Teilnehmer an unseren Kompositionswerkstätten sind zwölf Jahre alt. Es ist auch in dem Alter schon zu erkennen, ob jemand kreativ mit klanglichem Material umgehen kann. (...) Die mentale Unterstützung ist wichtig: ein junger Mensch, der in sich die Begabung entdeckt, sich mit Tönen und Akkorden ausdrücken zu können – diese Leute sind in der Minderzahl. Die Einsamkeit fängt also schon in der Schule an, da kann viel verschüttet werden … Deshalb bieten wir auch ein Seminar an: „Hilfe, mein Schüler komponiert“.

Monika Bestle zur GEMA-Petition und den Folgen im Gespräch mit Juan-Martin Koch (nmz):

Die Frage, was nach der GEMA-Petition kommt, hat sich immer weiter ver-
stärkt, auch dadurch, dass sich der Termin für die Anhörung im Bundestag so lange verzögert hat. Ich glaube aber nicht, dass mit der Anhörung der Petition das Problem vom Tisch sein wird, es muss weitergehen. Deswegen haben wir die Interessengemeinschaft Kultur in Deutschland gegründet (…) Mitglieder können alle werden: Veranstalter, Künstler, Menschen, denen die Kultur am Herzen liegt. Es müssen ganz viele werden, dann sind wir eine Macht. Die Kultur ist sehr machtvoll, wir wissen es nur nicht mehr. Wenn wir alle mitmachen, können wir eine Lobby für die Kultur gründen. (…) Als nicht eingetragener Verein kann die Interessengemeinschaft den direkten Weg gehen. Sie kann jederzeit vorpreschen und den Finger in die Wunde legen. Je mehr Menschen, umso mehr Macht. (…) Die geplante Webseite soll ein lebendiges Forum für die Kulturschaffenden und die Kulturträger sein. Es soll keine Streitgruppe werden, es soll gelebt werden, was man sagt.

Der Komponist Minas Borboudakis (li.) im Gespräch mit Andreas Kolb (nmz):

Für mich steht der musizierende Mensch im Mittelpunkt. Man muss ihm Freiraum geben zur Interpretation. Als Komponist möchte ich den Musikern das Gefühl geben, dass meine Musik Spaß macht. (...) Wenn Komplexität eine Substanz hat, dann macht sie Sinn. Wenn es aber nur um die Komplexität der Komplexität halber geht, hat sie für mich keinen Sinn.

Klaus Doldinger zum Thema „Jazz Made in Germany“:

Natürlich ist es ein gutes Zeichen, wenn überhaupt ein Jazz ECHO eingeführt wird. Bisher unterlag ja die Bewertung der Jazzmusiker dem großen ECHO-Preis, und der Jazz führte eine Art Nischendasein. So erhält er jetzt seine angemessene Präsentation. (...) Man darf nicht vergessen: Es gibt kaum ein Land auf dieser Welt, das über so viele Venues verfügt, wo man ein Jazzkonzert spielen kann. Man darf das nicht unterschätzen. (...) Was ich ein wenig beklage, ist – wenn da mal einer in den Vordergrund tritt, wie unser Freund Till Brönner, wird sehr gerne dran rumgemäkelt – und das ist etwas typisch Deutsches –, der sähe zu gut aus, wäre zu gut gekleidet … Ich finde, das ist doch ein positives Signal, dass sich da einer mal aus diesem Kellermilieu herauswindet und ein bisschen was hermacht. Natürlich, wenn einer nicht spielen kann, soll er’s lieber sein lassen, aber Till ist ja ein vorzüglicher Musiker, hat auch was zu sagen, und dann gönne ich ihm das auch. (...) Es ist gar nicht Voraussetzung, dass das alles in Harmonie gedeiht, sondern ich finde es toll, wenn jemand etwas ganz anderes macht, als das, was die Eltern gemacht haben. (...)

Man unterstellt den Jazzmusikern ja meistens ein ziemlich wildes Lotterleben, das muss aber nicht so sein. (...) Von der Jazzseite her hat man es mir immer übel angekreidet, dass ich so viele verschiedene sehr kommerzielle Sachen gemacht habe. Aber ich habe mir daraus nie etwas gemacht, für mich war immer die Herzenssache im Vordergrund. Ich musste es mögen, meinen Spaß daran haben und etwas daraus lernen. Ich habe aus all dem unendlich viel gelernt.

„Pianistin im Parlament“: Agnes Krumwiede (kulturpolitische Sprecherin der Grünen):

Als ich neu in den Bundestag gekommen bin, spielte ich nicht mehr Klavier. Mit der Zeit merkte ich aber, dass die Musik ein Teil von mir ist und wenn ich den vernachlässige, funktioniere ich auch nicht mehr als Politikerin. Deswegen nehme ich mir jetzt immer ein paar Stunden zum Üben. Was mir bei meinen politischen Gegnern fehlt, ist Einfühlungsvermögen und Empathie. Das ist etwas, was ich mit der Musik einbringen kann. (...) Meine Kollegin Alice Ströver, die medienpolitische Sprecherin der Grünen, setzt sich sehr für die Kulturflatrate ein. Als kulturpolitische Sprecherin und Stimme der Urheber bin ich aber auch an diesem Thema beteiligt. Bisher ist dieses System noch viel zu unausgegoren, als dass es dem Urheberschutz gerecht werden könnte. Andererseits brauchen wir ein neues System, in dem das der Fall ist. Es muss also unbedingt schnell etwas passieren. Ich bin eine laute Stimme im Bundestag. Solange es kein Konzept gibt, das sowohl der kulturellen Teilhabe als auch den Urhebern gerecht wird, bin ich nicht einverstanden.

Bettina Münzberg, Marketingleiterin der Ruhrtriennale, zum Thema „Marketing und CI im Kulturbereich – am Beispiel der Ruhrtriennale“:

Charakteristisch für die Ruhrtriennale und damit eines ihrer Markenzeichen sind die Spielorte, die ehemaligen Industriehallen im Ruhrgebiet. Intendant und Künstler sind aufgefordert, eine ganz eigene Form für diese Räumlichkeiten, für diese offenen Räume  zu entwickeln. Das unterscheidet die Ruhrtriennale vom klassischen Theaterbetrieb und Theaterraum. Ein weiterer „Marken“-Aspekt sind die genreübergreifenden Kreationen: Kombinationen aus verschiedenen Kunstrichtungen. Das ist oft sehr ungewöhnlich, innovativ, spannungsvoll. All das versuchen wir auch im Erscheinungsbild zu transportieren. (...) Wir hatten letztes Jahr einen großen Relaunch, mit neuem Logo und neuem Erscheinungsbild. In diesem zweiten Jahr der Triennale entwickelt sich der Auftritt im Gegensatz zum letzten Jahr insofern weiter, als dass ein Mensch auf dem Plakat zu sehen ist, ein Mensch in Bewegung, in einer unbewussten, unwillkürlichen und sehr dynamischen Bewegung. Dieses Element der Bewegung ist von zentraler Bedeutung. Man kann es auch mit dem Begriff „Wanderung“, der diese Spielzeit überschreibt, in Verbindung bringen. Es gab bei unserem Relaunch auch Bedenken: Muss das sein, ein neues Logo – jetzt, wo man sich gerade an das alte gewöhnt hat? Wir fanden: Es muss sein. Und wir fühlen uns rundum bestätigt, denn es kommt sehr oft die Rückmeldung, dass das Erscheinungsbild gut zum Festival passt – das sagen auch diejenigen, die vorher skeptisch waren.

Barbara Haack (nmz, Moderation), Jörg Evers (GEMA/Deutscher Komponistenverband), Brigitte Zypries, MdB (SPD) und Theo Geißler (nmz, Moderation) zum Thema „Das Urheberrecht im digitalen Zeitalter“.

Zypries: Es stimmt nicht, dass wir beim „Korb 2“ die Urheber schlecht behandelt hätten. Im Gegenteil: Die Reform des Urheberrechts sieht Variationsmöglichkeiten vor – wie zwei kommunizierende Röhren. Wenn man mehr in die Eigenvermarktung geht, gibt es weniger Pauschalabgaben und umgekehrt.

Evers: Die Verluste, die bei den Urhebern angekommen sind, sind dramatisch. Da ist es natürlich klar, dass wir uns existenziell bedroht fühlen und nach den Ursachen suchen. Die effektive Durchsetzung der angemessenen Vergütung ist nicht gewährleistet. Das ist sehr problematisch, da sollte der Gesetzgeber den Urheber noch mehr Unterstützung geben...

Zypries: Das ist aber doch Sache der  Vertragsverhandlungen zwischen Verwertungsgesellschaften und Geräteindustrie.

Evers: Das ist aber auch eine Sache des gesetzlichen Rahmens.

Zypries: Wir können in der Tat feststellen, dass die beiden Verbände, die Urheber, vertreten durch die Verwertungsgesellschaften, und die Vertreter der Geräteindustrie ungefähr das gleiche Streitpotenzial haben wie die Gesundheitswirtschaft. Deswegen war meine Empfehlung immer, eine Form der Mediation zu suchen, um diese Sprachlosigkeit aufzuheben und zu versuchen, sich zu einigen.

Man muss auch sehen, dass die Vielzahl der illegalen Downloads gerade bei der Musikindustrie damit zu tun hat, dass keine ordentlichen Geschäftsmodelle entwickelt wurden. Die Musikindustrie muss Modelle für die Vermarktung entwickeln, die auch für die Verbraucher interessant sind.

Evers: Die Musikindustrie hat ja speziell in Deutschland weltführend alternative Modelle eingeführt. Wir haben die größte Dichte an Internet-Downloadshops. Diese Shops funktionieren, weil dort eine angemessene Vergütung ausgehandelt wurde. Was uns Sorgen bereitet, sind die Modelle, bei denen davon ausgegangen wird, die Musik sei umsonst, und bei denen das geistige Eigentum mit Füßen getreten wird. Wenn sich zum Beispiel ein Wissenschaftler wie Retho Hilty, der das Justizministerium beraten hat, eigentlich dafür schämt, dass der Begriff „Geistiges Eigentum“ im Titel seines Instituts vorkommt, dann macht mir das Sorgen.

Zypries: Natürlich war Herr Hilty nicht der einzige Berater, den wir hatten. Im Übrigen gibt es kein Gesetzgebungsprojekt, das wir so stark unter Beteiligung der so genannten Kreise auf den Weg gebracht haben, wie die Urheberrechtsreform. Man kann wirklich nicht sagen, dass nicht alle Meinungen gehört worden wären.

Gerald Mertens (Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, Foto rechts) im Gespräch mit Theo Geißler (nmz) zum Thema „Wirtschaftskrise – Kulturkrise“:

Schauen Sie sich Städte wie Oberhausen oder Gelsenkirchen an, die in der Innenstadt wirklich veröden. Und wenn man dann noch anfängt, das letzte bisschen Kultur, das heißt das Schauspielhaus oder das Orchester zu beschneiden oder gar zu schließen, ist da nichts mehr. Dann muss man sich wirklich fragen, wollen wir in so einer Stadt überhaupt noch leben? Das ist ein ganz großes Problem. Das ist eine Frage, die die Kommunalpolitik in naher Zukunft wird beantworten müssen. Das sind auch Fragen, die Verbände stellen müssen, die Bürgerinnen und Bürger stellen müssen, die in diesen Städten leben. (...) Es ist ziemlich grotesk, was beispielsweise in Schleswig-Holstein jetzt gerade passiert, dass nämlich alle Kulturverbände mit einer globalen Minderausgabe, mit einer zehnprozentigen Absenkung ihrer Etats konfrontiert sind. Man ist schon längst nicht mehr am Fleisch, man ist am Knochen und sägt daran herum. Bei einem Landesjugendorchester, das nicht mehr auftreten kann, da muss man sagen: So geht es doch nicht weiter. Da wirkt die normative Kraft des Faktischen, da geht es um eine Stimme im Landtag.

Thomas Rietschel (Hochschule für Musik Frankfurt), Olaf Praetorius (MHS Stuttgart) mit Andreas Kolb (nmz) zum Thema „Erfolgsmodell Korea – Koreanische Studenten fluten deutsche Musikhochschulen“:

Rietschel: Im Schnitt kommt ein Drittel der Studierenden aller deutschen Musikhochschulen aus dem Ausland. In Frankfurt sind 5 Prozent aller Studierenden Koreaner, das heißt 45 von 900. In Frankfurt kann man nicht sagen, dass sie die Hochschulen fluten. (...) Die Frage, die uns gestellt wird, ist: Warum muss der deutsche Steuerzahler ausländischen Studierenden ein teures Musikstudium finanzieren und danach gehen diese wieder in ihre Heimat und wir haben nichts davon? (...) Meine Position: Ich finde es gut, dass wir viele ausländische Studenten haben. Es ist ein Ausweis der Qualität der Musikhochschulen in Deutschland. Die Universitäten sind schon stolz bei einem Anteil von 12 Prozent ausländischer Studierender, wir erreichen über 30 Prozent. Gegenüber der Politik kann ich sagen: Deutsche Musikausbildung ist international gefragt, und Musiker, die in Deutschland studiert haben, sind in allen Teilen der Welt begeisterte Botschafter für unser Land und seine Kultur.

Praetorius: Ich habe mir die Frage gestellt, welche Rolle die Idee einer authentischen Begegnung mit „europäischer“ Musik für südkoreanische Musikstudierende spielt. Der Begriff der Authentizität erwies sich dabei als Marke, mit der Musikhochschulen gerne werben, der aber mythisiert wird. Zu den Ergebnissen meiner Arbeit zählt unter anderem, dass für die junge Generation südkoreanischer Musikstudierender in Deutschland andere Faktoren ausschlaggebender sind. Dazu gehören die Studienfinanzierung, die hohe Qualität der Ausbildung, berufliche Perspektiven und – am meisten unterschätzt – die bestehenden sozialen Netzwerke. Die Bedeutung sozialer Netzwerke liegt meiner Ansicht nach in bestehenden Kontakten nach Deutschland. Wenn also beispielsweise die Eltern, Freunde oder die koreanische Instrumentallehrerin schon in Deutschland studiert haben – vielleicht mit positiven Erfahrungen –, dann liegt es nahe, dies selbst auch in Erwägung zu ziehen. Kontakte nach Deutschland sind dann oft leicht herzustellen.

Ortwin Nimczik (VDS), Lars Reichow (Kabarettist), Udo Dahmen (Popakademie Bawü), Jürgen Brandhorst (GEMA-Stiftung) und Theo Geißler (Moderation) diskutierten zum Thema „Play fair – Respect Music. Was ist uns die Musik noch wert?“:

Ortwin Nimczik: Wir müssen langfristig etwas tun, um ein Bewusstsein für das Urheberrecht zu schaffen, dabei aber nicht den moralischen Zeigefinger heben, denn das hätte keinen Sinn. Die Schule ist der richtige Ort für so ein langfristiges Projekt. Deswegen hat der VDS sich dem Projekt „Play fair“ angeschlossen. Eines der Aufgabenfelder von „Play fair“ ist, im Musikunterricht handelnd mit Musik umzugehen. Denn so bestimmt sich Wert: Was ich selbst mit meinen Händen geformt habe, hat für mich einen Wert.

Lars Reichow: Man muss immer abwägen, wie groß der Verlust durch Raubkopien ist, aber auch die Werbewirksamkeit berücksichtigen. Das Internet ist nicht mein Feind, es kann aber durchaus eine Produktion zerstören. Es hat eine Krise hervorgerufen, ist aber auch eine Chance, die Dinge neu zu ordnen.

Udo Dahmen: Die so genannten „Digital natives“, also die Kinder und Jugendlichen, die mit dem Internet groß geworden sind, haben das Bewusstsein, dass alles, was dort angeboten wird, zur Selbstbedienung freisteht. Das ist einfach so und da können wir die Zeit nicht zurückdrehen. Es müssen also neue Modelle her.

Jürgen Brandhorst: Die GEMA macht den Lehrern in Form von Pauschalverträgen ein ganz einfaches Angebot. Die Frage ist aber: Wie muss so eine Kulturflatrate wirken? Da habe ich die Sorge, dass es um Minibeträge gehen wird, die für die Urheber nicht durchsetzbar sind. Und es wird die Frage sein, wie die Beträge zu verteilen sind. Zu diesem Thema sage ich eine zehnjährige Diskussion voraus. Foto: Kolb

„Jedem Kind ein Instrument“, über dieses Modell diskutierten Manfred Grunenberg (Stiftung „JeKi“, Foto li., nmzMedia) und Stefan Gretsch (FG Musik ver.di)

Stefan Gretsch: Wir erleben zunehmend das Phänomen, dass entgegen ursprünglichen Absichten und Beteuerungen Honorarkräfte für JeKi eingesetzt werden. Die werden auch als solche bezahlt. Wir haben also jetzt in einer Klasse zwei Menschen, die beide gleichermaßen in der Gruppe arbeiten. Aber der eine wird nach TVöD und der andere als Honorarkraft nach einem freien Satz bezahlt.

Manfred Grunenberg: Wir halten es auch nicht für gut, dass an dieser Aufgabe Honorarkräfte beteiligt werden. Wir haben in unseren Qualitätskriterien deutlich ausgedrückt, dass es nur mit angestellten Lehrern geht, aber die Verhältnisse sind eben nicht so. Einige Städte und Musikschulen stellen tatsächlich Honorarkräfte dafür an. Wir kritisieren das und wir warnen die Städte davor.

Gretsch: Die Frage lautet: Wenn ein erfolgreiches vierjähriges Programm mit der betreffenden Kindergeneration gemacht worden ist: Wo bleiben die dann? Können sie zurück an die Musikschule, kann die Musikschule sie überhaupt noch aufnehmen? Oder werden, wie man es in manchen Kommunen ja sogar in NRW überlegt,  Musikschulen geschlossen und die Lehrkräfte an die Schule überwiesen? Damit ist die Sache aus der Sicht einiger Kommunalpolitiker erledigt. Dann sind die Kinder grundmusikalisiert, und dann brauchen wir die Musikschulen nicht mehr.

Grunenberg: Wir leben nicht in einer Zeit stabiler finanzieller Verhältnisse. Es gibt aber auch andere Signale.

Gretsch: Wenn Sie einen Musikunterricht auf Gruppenunterricht konzentrieren, also ausschließlich Gruppenunterricht erteilen, muss die musikalische Qualität zu kurz kommen. Sie haben nicht die Möglichkeit der Binnendifferenzierung,

Grunenberg: Wir haben es hier mit allen Kindern zu tun und nicht mit den zwei Prozent der Kinder, die sonst in die Musikschule gehen. Binnendifferenzierung wird hier in einer völlig anderen Weise erforderlich als das sonst in der Musikschulpädagogik der Fall ist. Aber es gibt auch andere Zielvorstellungen als nur die instrumentale Fähigkeit. Es geht auch um die Bindung an die Musik und die Kultur… Es scheint hier ein bisschen auf die Diskussion hinauszulaufen: Musikschule mit ihren Werten oder JeKi mit seinen Werten. Die Lösung heißt „ und“. Die Musikschule hat durch JeKi eine ganz klare Zukunft.

Harald Heker (GEMA), Hans-Joachim Otto (Parl. Staatssekretär/FDP), Rainald Ludewig (Panasonic) und Theo Geißler (Moderation) diskutierten zum Thema „Korb 2 und die Folgen – wer bezahlt die Privatkopie“.

Harald Heker: Die Urheber sind unter geltendem Recht nicht in der Lage, auf Augenhöhe mit der Geräte- und Leerträgerindustrie zu verhandeln.
Der Korb 2 hat ihnen die Möglichkeit genommen, in den Verhandlungen Druck auszuüben.

Hans-Joachim Otto: Dass der Staat per Verordnung eine Vergütungspauschale festlegt, ist nicht optimal. Eine Vertragslösung halte ich deswegen immer noch für die beste. Wenn aber dieser Diskussionsprozess noch Jahre dauert und die Urheber keine besseren Ergebnisse erzielen, werden wir natürlich handeln müssen.

Rainald Ludewig: Wir würden uns eine effizientere Streitschlichtung mit der GEMA wünschen, im Moment handelt es sich aber um ein langes, schwieriges Verfahren. Unsere Angebote liegen auf dem Tisch und wir sind jederzeit verhandlungsbereit. Wir können aber natürlich nicht die ganze Industrie verkaufen oder ignorieren, was uns das Gesetz vorschreibt, nur um schnell zu einer Lösung zu kommen.

Hans H. Th. Sendler (European Strategy Consulting), Christian Höppner (DMR, Moderation) und Astrid Söthe-Röck (Netzwerk Alternsforschung Heidelberg) diskutierten zum Thema „Musizieren 50+“

Hans H. Th. Sendler: Das Thema Alter und Musik hat sehr viel mit Gesundheit zu tun. Es gibt zu diesem Thema viel Engagement, es fehlt aber eine gemeinsame Plattform, die das, was es schon gibt, stärker aufeinander aufmerksam macht, sodass mehr bei den Menschen ankommen kann.

Astrid Söthe-Röck: Viele ältere Menschen äußern den Wunsch nicht, Musik zu machen, auch wenn er eigentlich da ist. Dazu trägt das gängige negative Altersbild bei. Bisher hängt das Angebot an den Musikschulen von der Eigeninitiative des jeweiligen Musikschulleiters ab und das darf nicht sein.

Tanja Becker-Bender

Tanja Becker-Bender zählt zusammen mit Carolin Widmann und Julia Fischer zu den jüngsten Geigenprofessorinnen Deutschlands. Inzwischen hat sie einige Erfahrung in der Lehre machen können. Andreas Kolb fragte die Solistin nach den Auswirkungen der Bolognareform auf die Arbeit an der Hochschule.

Tanja Becker-Bender: Am Bolognaprozess gefällt mir eine Idee sehr gut, nämlich, dass man nicht mehr so stark von Haupt- und Nebenfächern spricht, sondern an eine umfassende Bildung denkt. Ich würde mir wünschen, dass man sich viel mehr vernetzt. Dass man Werke betrachtet, ob man sie jetzt spielt oder nicht, dass wir Geiger auch andere Literatur kennenlernen, Klaviersonaten etwa, und all das auch in unsere Unterrichtsarbeit einfließen lassen. (...) Das alte System mit dem Leitbild „Alle wollen ins Orchester“ wird zurückgedrängt, dadurch dass zu wenig Arbeitsplätze vorhanden sind. Man muss sich von dem Bild trennen, dass man sich auf eine Stelle bewirbt und danach weiß, wie das Leben ausschaut. Man muss bereit sein, die Kultur rechtzeitig an junge Menschen weiterzugeben und sie damit  zu erhalten. Wir als Professoren sind dafür da, die Studenten in die Lage zu versetzen, selbst etwas Kreatives in die Welt zu setzen.
 

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