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Uli Frefat (re.) im Gespräch mit Theo Geißler: „Es gibt das Lernen mit KI, durch KI und ohne KI.“ Foto: Susanne van Loon

Uli Frefat (re.) im Gespräch mit Theo Geißler: „Es gibt das Lernen mit KI, durch KI und ohne KI.“ Foto: Susanne van Loon

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Macht KI Schülerhirne dumm?

Untertitel
Uli Frefat, Musikfachleiter und BMU-Landesvorstandsmitglied, zu Gast im Musik-Café auf der Leipziger Buchmesse
Vorspann / Teaser

Seit fast einem Jahrzehnt ist der Bundesverband Musikunterricht Ausrichter des Fachtags Musik mit vielen Handreichungen für die Unterrichtspraxis auf der Leipziger Buchmesse. Mit der nmz gemeinsam gestaltete man dieses Jahr ein sich über zwei Tage erstreckendes kultur- und bildungspolitisches Gesprächsprogramm. Die Themen reichten vom schnell näherrückenden Ganztag Musik ab 2026 über das Selbstverständnis beziehungsweise Außenbild des Musiklehrerberufs bis hin zu musikalischer Bildung durchs Elternhaus. Das Thema künstliche Intelligenz verschont auch den Bildungssektor nicht, von wo uns erste Nachrichten über fremdverfasste Texte und Aufgabenlösungen erreichen, die von den technisch untergeschulten Lehrkräften selten als solche erkannt werden. nmz-Herausgeber Theo Geißler und Uli Frefat, Musiklehrer, Fachleiter für Musik am Studienseminar, Hornist, BMU-Landesvorstandsmitglied und Präsidiumsmitglied im Landesmusikrat Thüringen, unterhielten sich im Musik-Café auf der Leipziger Buchmesse über KI und ihre Chancen sowie Gefahren im Musikbereich und -unterricht. 

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Theo Geißler: Ich bin froh, dass Uli Frefat vom Bundesverband Musikunterricht heute zu mir gefunden hat, um über dieses Thema mit mir zu sprechen. Mit dem Thema KI im Musikunterricht hat er nämlich praktische Erfahrungen. Was machen Sie mit Ihren Schüler*innen rund um KI und ist das für Sie als Musiklehrer bereits ein Instrument oder noch Ausnahmezustand? Wie nutzen Sie KI in der Unterrichtskonzeption?

Uli Frefat: Die Frage ist sehr schwierig konkret zu beantworten, weil KI so viele unterschiedliche Dinge kann. Ein Beispiel: Im Musikunterricht wird intensiv musiziert, als Lehrer möchte ich natürlich auch auf die Vorlieben der Schüler*innen eingehen. Wenn also gewünscht wird, dass ein bestimmter Song gesungen wird, habe ich mich hingesetzt und arrangiert, Texte abgeschrieben und Verlage um Playbacks gebeten. Dafür habe ich bis vor einer Weile recht viel Geld gezahlt. Inzwischen erledigt das eine KI für mich. Dass die Stimme von John Lennon im zuletzt erschienenen Beatles Song mittels KI extrahiert wurde, ist vermutlich den meisten bekannt. Diese KI können wir im Schulunterricht nutzen.

Ich mache das sehr gerne, wenn ein Songwunsch geäußert wird. Ich lade den Song auf einer App hoch und nach kurzer Berechnungszeit wird mir eine Akkordfolge angezeigt und der Text läuft darunter, wie bei einer Karaoke Show. Das Beste daran ist allerdings, dass ich die Spuren isolieren kann. Ich kann das Schlagzeug oder die Singstimme getrennt laufen lassen.

So kann ich ein Playback erstellen oder auch alles höher oder tiefer pitchen, wenn die Lage die falsche ist. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. So kann ich schnell und mit wenig Aufwand vollständige Unterrichtsmaterialien erarbeiten. Das wäre ein Einsatzgebiet von KI in meinem Fachunterricht.

Geißler: Wie nutzen Sie KI-Systeme in Ihrem Unterricht denn noch?

Frefat: Tutorensysteme sind schon etabliert, die mir natürlich sehr viel Arbeit abnehmen. Ich kann als Lehrer einen Arbeitsauftrag samt Lösung und Erwartungshorizont einstellen. Dazu kommen etwa noch Feedbackkriterien. Die Schüler*innen können die Aufgaben eigenständig bearbeiten und ich bekomme ein sehr versiertes Feedback auf die Aufgaben. 

Etwa bei der Interpretation eines Textes oder Musikstückes kann die KI, sofern ich sie genügend gefüttert habe, den Schüler*innen eigenständig Rückmeldung auf die Texte geben und schickt mir die Lösungen zu. Das darf ich natürlich nicht einsetzen, weil es in Thüringen weder Schnittstellen oder entsprechende Kooperationen gibt wie beispielsweise in Sachsen-Anhalt, es funktioniert aktuell aber schon sehr gut. Die Kompetenz, die zurzeit auf vielen Ebenen noch fehlt, ist, gut prompten zu können – der KI also gute und produktive Vorgaben machen zu können. Es geht schließlich darum, eine solche Technologie produktiv zu nutzen und diese Kenntnis zu vermitteln. 

Viele KIs geben in der Premium Variante mittlerweile ihre Quellen an, die die Schüler*innen nutzen können, um sich auch die Originalquellen anzusehen. Ich habe vor kurzem einen Podcast von meinen Schüler*innen gestalten lassen, was sehr aufwendig war und es haben zwar nur wenige die KI genutzt, aber es war diesbezüglich eine vollständig andere Lehrerfahrung. 

Geißler: Ergeben sich aus einer solchen Nutzung keine urheberrechtlichen Probleme oder auch solche, die mit dem Datenschutz zu tun haben?

Frefat: Rechtemäßig bin ich mit dem oben genannten Beispiel nicht einmal mehr in einer Grauzone: Ich verwende einen Track, den ich als Privatperson gekauft habe, den ich aber in der Form im Unterricht nicht benutzen darf. Das andere ist natürlich die Frage nach der Autorenschaft; die Künstlerinnen werden nicht bezahlt, das ist klar. Das viel größere Problem ist allerdings der Datenschutz bei den Schüler*innen. Sie dürfen solche Programme eigentlich nicht ohne Freigabe benutzen. Das Land Sachsen-Anhalt hat zu dem Zweck gerade eine Schnittstelle eingerichtet, über die die Schulserver laufen. So können die Schüler*innen Feedbacktraining über KI datenschutzkonform nutzen. Schüler*innendaten werden anonymisiert und niemand kann persönliche Informationen nachvollziehen. Wenn ich das allerdings in Thüringen mache, funktioniert das ohne Schnittstelle und auf den Schüler*innengeräten ist alles zurückverfolgbar. Dabei wissen wir nicht, wer die Metadaten des KI-Betreibers nutzt. Da ist eigentlich auch direkter Handlungsbedarf von der Politik, dass alle Bundesländer dem Beispiel Sachsen-Anhalts folgen und solche Schnittstellen einrichten. 

Geißler: Wie benutzen Sie die KI in Ihrer Auswertung? 

Frefat: Mit meinen Schüler*innen habe ich eine Aufgabe von der KI bearbeiten lassen. Die Lösung lag dann bei einer guten zwei. Wir sind also an einem Punkt, an dem die KI manche unserer Tätigkeiten besser macht als wir selbst. Hier ändert sich der Bildungsauftrag an die Schule. Es geht darum zu vermitteln, wie man damit umgeht, es nutzbar macht und was eine solche Entwicklung bedeutet. Vor wenigen Tagen erst habe ich ein Experiment von Musikdidaktikern, die selbst nicht Musiker sind, mitbekommen, die einen sogenannten Megaprompt erstellt haben. Dabei handelte es sich um eine Umfrage, bei der die KI in die Rolle des Fragenden geschlüpft ist und mir die vorprogrammierten Fragen gestellt hat. Am Schluss folgte dann keine reine Punkt-Auswertung, sondern eine die mir mitgeteilt hat, an welchen meiner jeweils abgefragten Kompetenzen ich arbeiten sollte, was ich gut gemacht habe und wo ich mehr erfahren kann. Unser Auftrag als Lehrkräfte ist es natürlich, das zu überprüfen und zu begleiten, aber KI in vielfacher Form wird nach und nach in den Schulalltag einziehen und nimmt mir viele Aufgaben ab, beziehungsweise definiert mein Aufgabenfeld neu.

Geißler: Wie bewerten Sie KI-generierte Lösungen auf Aufgaben, die Schüler*innen als ihre eigenen ausgeben? Beziehungsweise wenn der prompt selbst KI generiert ist?

Frefat: Bei dem oben geschilderten Podcast-Auftrag hatte ich die Möglichkeit zur Benutzung von KI freigestellt und wusste auch, wo potenzielle Fehlerfallen für die KI lauern würden, die sie dann selber korrigieren sollten. Das heißt, zunächst kam ihre Eigenleistung, dann die Einweisung in die KI und zuletzt sind wir alle gemeinsam die gelieferten Ergebnisse kritisch durchgegangen. Wir sollten einen intensiven und kritischen Umgang mit der Technologie ermöglichen und die Nutzung nicht per se als Fehler oder unerwünscht betrachten. 

Geißler: Eine zukünftige Schulaufgabe könnte also darin bestehen, sich zu einer gegebenen Fragestellung einen Prompt auszudenken, wie Sie ihn eben beschrieben haben und die geistige Leistung besteht nun eben darin, einen möglichst guten Prompt zu entwerfen. Dieser wäre dann auch zu bewerten, oder?

Frefat: Ja und nein, weil wir hier von unterschiedlichen Faktoren und Umständen sprechen. Mit jedem Update verändert sich das Prompting. In den Kindertagen der Internetsuche gab es ganze Kurse, um zu verstehen, wie Plus- und Anführungszeichen zu verwenden seien, damit die Suchanfrage bearbeitet werden kann. Das hat sich inzwischen ja auch komplett verändert. Das heißt, das Prompting, das wir zurzeit üben, sieht in einigen Jahren bestimmt ganz anders aus, weil das eine dynamische Variable ist. 

Geißler: Die Schüler*innen sollten lernen, dass die Gestaltung eines ­Prompts Kreativität erfordert und dass es sich entsprechend um eine geistige Leistung handelt. Dass die Ergebnisse dann voneinander abweichen kann einfach an internen Mechanismen innerhalb der KI liegen, deren neuronale Netze zu einem Zeitpunkt eben anders gewichtet sind als bei einer anderen Schülerin. 

Frefat: Ja, deswegen muss ich meine Prüfungsbewertung auch immer den Umständen anpassen. Es ist klar, dass nach wie vor das Wissen vorhanden sein muss, beispielsweise wie eine Analyse, eine Inhaltsangabe et cetera zu schreiben sind. Die Kompetenz muss vorhanden sein, um zu entscheiden, ob das KI generierte Ergebnis überhaupt nutzbar ist, man muss also Lernen trotz KI. Dabei unterscheidet man für gewöhnlich das Lernen durch KI und das Lernen mit KI. Im ersten Fall eigne ich mir Wissen durch KI-generierte Ergebnisse an und im zweiten nutze ich die KI für Rückmeldungsschleifen, die mir genauere Informationen über meinen Lernprozess liefern können.

Im Musikbereich sollten wir aber gerade in diesem Transformationsprozess, den Bildung aktuell erfährt, einen weiteren Bereich ganz besonders im Blick behalten: das Lernen ohne KI. Und wo kann man Schüler*innen in authentischen Situationen Sinn erleben lassen und die Persönlichkeitsentwicklung im sozialen Miteinander und in kreativen Prozessen besser fördern als in den kreativen Fächern wie Musik? 

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KI-Glossar & Lesetipp
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Prompt

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Ein „Prompt“ ist eine Aufforderung oder Anweisung, die an ein System oder eine Person gerichtet ist, um eine bestimmte Aktion auszuführen oder eine Antwort zu generieren. Im Kontext von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen bezieht sich ein Prompt auf eine Eingabe, die einem KI-Modell gegeben wird, um eine gewünschte Ausgabe zu erzeugen. Diese Eingabe kann zum Beispiel eine Frage, eine Anfrage oder ein Befehl sein, der das Modell dazu anregt, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen oder eine bestimmte Information zu liefern.

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Neuronales Netzwerk

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Ein neuronales Netzwerk ist ein mathematisches Modell, das von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns inspiriert ist. Es besteht aus miteinander verbundenen „Neuronen“ oder Knoten, die in Schichten angeordnet sind. Jedes Neuron nimmt Eingaben entgegen, verarbeitet sie und gibt Ausgaben an andere Neuronen weiter. Durch das Training mit Daten lernt ein neuronales Netzwerk, Mus­ter zu erkennen und komplexe Aufgaben zu lösen.

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Machine Learning

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Maschinelles Lernen ist ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, das sich mit der Entwicklung von Algorithmen und Techniken befasst, die es Computern ermöglichen, aus Erfahrung zu lernen und sich selbst zu verbessern. Anstatt explizit programmiert zu werden, werden Maschinen durch das Training mit Daten befähigt, Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen. Maschinelles Lernen wird in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, darunter Bilderkennung, Sprachverarbeitung, medizinische Diagnose und Finanzanalyse.

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Lesetipp: Alexander Strauch zu Musik-KIs

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Im Bad Blog of Musick der neuen musikzeitung spricht Alexander Strauch über die generative KI „Suno AI“ und ordnet ihre Fähigkeiten im Vergleich zu anderen KIs, die Musik generieren können, wie „AIVA“ ein. Dabei geht es auch um die wirtschaftlichen Faktoren rund um Urheberrecht, Trainingsdaten und eine Einschätzung zum pädagogischen Potenzial der KI.

Der Autor dieses Textes versuchte das System mit den Texten aus Wagner­opern, wie dem Liebestod aus Tristan und Isolde und der Gralserzählung aus Lohengrin, zu füttern. Am überzeugendsten gerieten seiner Meinung nach der „Liebestod-Tango“, das „1940-Musical“ und der „Grals-Mambo“. Der Artikel enthält auch die Links zur Website der KI, an der man sich ohne Anmeldung oder Installation die KI-Experimente von Strauch anhören kann. Der Artikel ist über diesen Link abrufbar. 
 

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