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Musikalische Jahrestage: Internationaler Frauentag

Musikalische Jahrestage: Internationaler Frauentag

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Musikalische Jahrestage (5) – 8. März – Weltfrauentag

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Seit der Aufklärung sind die Aufgaben und Rollen in der Welt ganz klar abgesteckt. Der Mann bewegt sich ungehindert im öffentlichen Leben, geht seinem Beruf und seinen Geschäften nach. Die Frau kümmert sich quasi selbstlos um die drei „K“: Küche, Kirche, Kinder. Natürlich ist sie darüber hinaus auch liebevoll um das Wohlergehen ihres Mannes bemüht. Das kann auf Dauer nicht gut gehen! Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gehen die Frauen auf die Straße und kämpfen für Gleichberechtigung.

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Es geht immerhin um die Hälfte der Menschheit! Vor zwei Tagen, am 5. März, war der Equal Pay Day, der Tag der symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke markiert, die laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 18 Prozent beträgt. Umgerechnet entsprechen diese 18 Prozent – vom 1. Januar an gerechnet – 66 Tagen, die Frauen im Vergleich zu Männern quasi unentgeltlich arbeiten. Aber auch in vielen anderen Lebensbereichen sind Frauen weit von einer Gleichberechtigung mit Männern entfernt. Deshalb ist alljährlich der 8. März der Weltfrauentag mehr ein Kampf- denn ein Feiertag für die Gleichberechtigung der Geschlechter.

Die erste Idee zu einem Frauentag kam aus den USA. Dort hatten schon im Jahr 1908 Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas ein nationales Frauenkomitee gegründet. Dieses wollte einen nationalen Kampftag für das Frauenstimmrecht auf den Weg bringen, der dann auch 1909 erfolgreich stattfand. Diese amerikanische Idee gelangte auf die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz am 27. August 1910 in Kopenhagen. Die deutsche Sozialistin Clara Zetkin setzte sich dort für die Einführung eines Internationalen Frauentages ein. Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation der Arbeiterinnen waren die Themen dieses neuen Formats. Erstmals fand dieser Tag am 19. März 1911 statt. Das noch heute übliche Datum, der 8. März, wurde 1921 auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau festgelegt.

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Clara Zetkin, Abgeordnete des Deutschen Reichstages und Mit-Initiatorin des Weltfrauentages. © Wikimedia Commons, Paola Severi Michelangeli

Clara Zetkin, Abgeordnete des Deutschen Reichstages und Mit-Initiatorin des Weltfrauentages. © Wikimedia Commons, Paola Severi Michelangeli

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Die über 100jährige sehr wechselvolle Geschichte des Weltfrauentages bis hin zu der Ansprache der damaligen Bundesfrauenministerin Franziska Giffey am 5. März 2021, in der sie fordert „Frauen müssen sichtbarer werden“, ist vielfältig und läßt sich zum Beispiel in der Wikipedia gut nachlesen. Wir haben diesen Tag wieder auf der hochinformativen Plattform www.kuriose-feiertage.de gefunden. Da er aber seit 2021 in Berlin und seit 2023 in Mecklenburg-Vorpommern gesetzlicher Feiertag ist und auch Frauen weltweit diesen Tag durchaus aktiv begehen und wenig leise sind, wäre die Plattform dieses Mal nicht notwendig gewesen. Immerhin lernen wir dort noch, dass der 8. März in Amerika gleichzeitig auch der „Sei-frech-Tag“, der „Tag der Erdnuss-Cluster“, der „Sei-stolz-auf-Deinen-Zweitnamen-Tag“ und der „Tag des Korrekturlesens“ ist. Inhaltlich haben diese Tage aber zu dem Weltfrauentag wohl keine weitere Beziehung.

Wie sieht es mit der Präsenz, gar der Gleichberechtigung, von Komponistinnen in der Musik aus? Renate Matthei, die Gründerin des Furore Verlages, der sich ausschließlich auf die Publikation von Musik von Komponistinnen spezialisiert hat, bot dazu bei der Verlagsgründung 1986 ein Gedankenexperiment an: Man sollte sich vorstellen, alle Konzertprogramme der Welt zusammenzunehmen und den Anteil von Musik von Komponistinnen zu schätzen. Sie postulierte damals einen Wert von 0,1%. Im Jahr 2023 – 35 Jahre später – wiederholte sie dieses Experiment und kam auf etwa 0,5%.

Barbara Beuys erklärt – wenn auch gelegentlich durch eine sehr feministisch gefärbte Brille – in ihrem Buch „Emilie Mayer. Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche“, wie es zu dieser untergeordneten Stellung der Frau in der Musik und natürlich auch der Gesellschaft gekommen ist. Beuys‘ Ansicht nach beginnt die Zuteilung bestimmter geschlechtsspezifischer Rollen bei Jean-Jacques Rousseau. Sie zitiert aus seinem Buch „Émile oder Über die Erziehung“, einem Klassiker in bürgerlichen Haushalten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein.

„Im Zentrum des Buches“, so Beuys, „steht ein junger Mann und damit die männliche Identität, die der Autor scharf von der weiblichen absondert. Der Mann ‚ist nur in gewissen Augenblicken Mann, die Frau aber ihr Leben lang Frau‘. Mit ‚gewissen Augenblicken‘ ist der Zeugungsakt angesprochen; kaum vorüber, ist der Mann wieder der Alte und kann ungehindert im öffentlichen Leben auftreten oder einem Beruf nachgehen. Die Frau dagegen ist als Gebärende – und damit Mutter – lebenslang auf die Erhaltung der Gattung festgelegt.“ Bei Rousseau findet sich auch die Bemerkung, dass die Frau „ein wenig Musikunterricht [erhält], um dem Ehemann das Leben zu verschönern, wenn er sich nach schwerer Arbeit zu Hause ausruht“.

„feindliches Leben“ und „fleißige Hände“

Beuys zieht die Linie weiter über den Verleger und Anhänger der Aufklärung Joachim Heinrich Campe: „Es ist also der übereinstimmende Wille der Natur und der menschlichen Gesellschaft, daß der Mann des Weibes Beschützer und Oberhaupt, das Weib hingegen die sich ihm anschmiegsame, sich an ihn hatende und stützende, treue, dankbare und folgsame Gefährtin sey – er die Eiche, sie der Epheu.“ – In Schillers Lied der Glocke heißt es: „Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben, / Muß wirken und streben / Und pflanzen und schaffen, / Erlisten, erraffen / …. Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, / Die Mutter der Kinder, / Und herrschet weise im häuslichen Kreise / …. Und reget ohn Ende / Die fleißigen Hände.“ – Noch im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 hat der Ehemann „in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten“ das letzte Wort.

Eine eigenständige musikalische und künstlerische Betätigung der Frauen scheint in diesem auf den Haushalt beschränkten Wirkungskreis schwierig bis unmöglich, zumal man(n) ihnen auch keine großen Leistungen auf diesen Gebieten zutraute. Eine fundierte musikalische Ausbildung, wie sie Emilie Mayer erhielt, und ihre Karriere waren Ausnahmeerscheinungen. – Fanny Mendelssohn bekam eine ihrem Bruder Felix absolut ebenbürtige Ausbildung und besaß auch ein ihm ebenbürtiges Talent. Am 16. Juli 1820 allerdings schrieb ihr Vater, der sie doch in ihrer Kindheit und Jugend so gefördert hatte, der damals Fünfzehnjährigen: „Die Musik wird für ihn vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Thuns werden kann und soll.“ Und er ergänzt: „Beharre in dieser Gesinnung und in diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen.“

Nun gehört es wohl zu den menschlichen Grundeigenschaften, sich aus gewissen Situationen „herauszumogeln“, Gesetze und Anordnungen zu umgehen und natürlich auch auszuprobieren, wie weit man denn auf einem bestimmten Weg gehen kann. So gab Fanny ihrem Bruder, der durchaus im Sinne des Vaters gestimmt war, immer wieder ihre Kompositionen mit, die er dann unter seinem Namen in Konzerten aufführte. Da beide die gleiche Ausbildung genossen hatten und einen regelmäßigen Austausch hatten, fiel dieses dem Publikum stilistisch nicht auf. Den Applaus und die verdiente Anerkennung erhielten allerdings der Falsche!

Verschleierung als Prinzip

Da die Komponistinnen bei Aufführungen oft nicht selbst auftraten oder sich gegebenenfalls zu erkennen gaben, galt es – um Aufführungen zu erlangen, ja, zu erschleichen – in erster Linie ihre Identität zu verschleiern. So legten sich viele Komponistinnen Pseudonyme zu, die dann auf den Noten und den Programmzetteln abgedruckt wurden. Die dänische Komponistin Emma Hartmann steuerte Anfang der 1840er Jahre für eine Sammlung von Tänzen diese anonym bei. Später gab sie Lieder unter dem Pseudonym F. H. Palmer heraus. Hinter diesen Initialen der Vornamen konnte sich ja immerhin alles verstecken, auch wenn man „natürlich“ davon ausging, dass es ein Mann sei. Später publizierte sie unter dem Pseudonym Frederik Palmer.

Anonym, Vornamen als Initialen, männlicher oder geschlechtsneutraler (z. B. bei Claude Arrieu, eigentlich: Louise-Marie Simon) Vorname – das waren die gängigen Techniken, die Frauen verwendeten, um ihr Geschlecht zu verschleiern. Die Tatsache, dass Kompositionen von Frauen, die unter Alias-Namen veröffentlicht wurden, verlegt, aufgeführt und gern gehört wurden, ist nur ein Beleg dafür, dass die Kompositionen von Frauen den von Männern verfertigten Kompositionen in nichts nachstanden. – Für den Weltfrauentag bleibt zu hoffen, dass er irgendwann abgeschafft wird, ein historischer Feiertag wird, weil sich die Denkstrukturen in männlichen wie weiblichen Köpfen soweit verändert und untereinander verständigt haben, dass deswegen einfach nicht mehr gebraucht wird.

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