Der selbst ernannte „King of Pop“ starb gestern Nacht (23.26 Uhr MESZ) im Alter von 50 Jahren in Los Angeles. Mehrere Stunden kämpften die Ärzte vergebens um sein Leben, nachdem Michael Jackson einen Herzstillstand erlitten hatte. Ein Nachruf von unserem Pop-Redakteur Sven Ferchow.
Ohne Zweifel verliert die Musikwelt einen großartigen Künstler. Einer, der das Genre Pop in den Achtziger Jahren neu definierte, ihm einen glamourösen Anstrich verpasste und der die Verknüpfung Audio / Video bis zur Perfektion betrieb. Dazu gehörte ebenso, den eigenen Personenkult zu forcieren, sich eventuell ein Stück Unsterblichkeit zu schnitzen. Sich mit Hilfe der Medien manchmal mehr als nötig interessant zu machen, geheimnisvoll zu geben. Ein Spielchen, das schnell ernst wurde und fiese Dimensionen annahm. Ausdrücklich nicht allein von Michael Jackson zu verantworten.
Berater, Rechtsanwälte und Manager trugen ihren Anteil zu einem bizarren Lebensabschnitt des „King of Pop“ bei, der seit Mitte der Neunziger Jahre nur noch wenig mit exzellenten Veröffentlichungen gemein hatte. Fortwährende Berichte über finanzielle Probleme, die ungeklärten, durch eine außergerichtliche Abfindung entkräfteten Vorwürfe bezüglich des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen, skurille Hochzeiten mit Lisa Marie Presley oder einer Krankenschwester, dazu unzählige medizinische Eingriffe, die Jackson von Mal zu Mal mehr entstellten oder groteske TV-Interviews, die zeigten, wie verletzlich, realitätsfremd aber auch krank Michael Jackson tatsächlich war.
Nebenbei regelmäßige Spekulationen um seinen Gesundheitszustand, Comebackversuche, Tourneen, Auftritte und Aufenthaltsorte. Vorgänge, die weder Medien noch Michael Jackson unter Kontrolle hatten. Die sich verselbstständigten. Aber auch keine Seite veranlasste, klar Stellung zu beziehen oder schlicht den Mann in Ruhe zu lassen. Auch als zerbrechliches, körperlich fast entstelltes Wesen, musste Michael Jackson als Geldquelle herhalten. Fotos erhöhten die Auflagen, zwei Sekunden Filmchen (Jackson betritt das Gericht, Jackson verlässt ein Auto) und Michael Jackson in der Presse zu haben, bedeutet für seinen Beraterstab die Cash-Kuh weiter abmelken zu dürfen. Ganz nebenbei konnte man sich ferner die Frage stellen, wo eigentlich während all dieser völlig wirren und chaotischen Lebensabschnitte seine Familie war. Halbherzige, an Banalität kaum zu überbietende Statements erreichten die Öffentlichkeit. Fürsorge sieht eigentlich anders aus.
Ohne nun den moralischen Zeigefinger zu bemühen, aber: Wir alle haben dabei – oft schadenfroh oder sensationslüstern, weil wir ihn und seine Welt einfach nicht mehr ernst nehmen wollten - zugesehen. Und geglaubt, Michael Jackson würde tatsächlich ein Comeback-Album planen oder eine Tournee starten. Freilich was das außerhalb jeglicher Vorstellungskraft. Aber schon die Option, dass es ja doch sein könnte, reichte für fünf Sekunden Trailer aus einer Presskonferenz oder verwackelte Fotos beim Verlassen eines Hotels. Vielleicht galt es die Hoffnung zu nähren, noch ein unvergängliches Stück Musik von Michael Jackson zu erhalten.
Und so führt ein entrückter Lebensstil, der die letzten 15 Jahre des „King of Pop“ geprägt hatte, unweigerlich dazu, zunächst eine Meldung über Michael Jacksons Koma, dann die Todesnachricht anzuzweifeln. Was stimmt? Wer äußert sich dazu (Rettungssanitäter, Nachbarn, Ärzte, Krankenhaussprecher)? Welche Quellen sind verlässlich? Erst nach Stunden, nach unzähligen Quellenvergleichen im Internet und in den TV-Nachrichten ist man sich der traurigen Wahrheit bewusst, dass Michael Jackson tot ist. Herzversagen. Für seine Verhältnisse ein relativ unspektakulärer Abgang. Doch sein Herz ging ohne Zweifel weitaus früher verloren, als wir uns das alle vorstellen können.
Fernsehtipp: ARD, Das Erste, 26. Juni
21:45 Michael Jackson - Die Tragödie.
Film von Christoph Lütgert und Maryan Bonakdar
22:00 Michael Jackson live: Dangerous Tour.
Die Höhepunkte des Kultkonzerts aus Bukarest