Es wäre ein echter Coup, wenn es gelänge, US-Dirigent Lorin Maazel als neuen Chef der Münchner Philharmoniker an die Isar zu holen. Ein mehr als respektabler Ersatz für Christian Thielemann, der ab 2012 die Sächsische Staatskapelle in Dresden leiten wird. Der US-Amerikaner Maazel, der schon von 1993 bis 2002 Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks war, gilt als einer der besten seiner Zunft, ungeachtet seines Alters - Maazel feiert am Samstag (6. März) seinen 80. Geburtstag.
Mit seinem Engagement könnte die Landeshauptstadt zeigen, dass sie gewillt ist, ihre Philharmoniker weiter in der allerersten Liga spielen zu lassen. Maazel gilt als Meister der Perfektion und Selbstbeherrschung. Der Mann macht scheinbar alles mit links. Wo andere Dirigenten mit ihrem Taktstock Schwerstarbeit leisten, stellt sich Maazel höchstens kurz auf die Fußspitzen, um einen besonders wichtigen Einsatz zu geben.
Den Dirigenten ein Genie zu nennen, ist keine Übertreibung. Maazel besitzt das absolute Gehör, er hat zahllose Partituren auswendig parat, kennt alle Instrumente des Orchesters bis in die Feinheiten. Seine Schlagtechnik gilt als makellos. Für ihn ist das alles selbstverständlich, «nicht mehr als das Handwerkszeug eines Dirigenten», wie er einmal bekannte.
Stardirigent Maazel, 1930 in Frankreich geboren, wird oft als Wunderkind bezeichnet. Mit fünf Jahren spielte er Geige, mit acht komponierte er und leitete erstmals ein Orchester. 1939 stand er schon am Pult des Los Angeles Philharmonic Orchestra, wurde zur nationalen Attraktion.
1941 lud der legendäre Dirigent Arturo Toscanini den Elfjährigen ein, zwei Konzerte des New Yorker Broadcasting Symphony Orchestra zu leiten. Ein Ritterschlag für den damaligen Steppke. 1946 bis 1950 war Maazel Primarius (erster Geiger) des von ihm gegründeten «Fine Arts String Quartet» in Pittsburgh. Dass er zur gleichen Zeit ein Universitätsstudium der Mathematik und Philosophie absolvierte – fast schon Nebensache.
Nach einer ersten festen Stelle als zweiter Kapellmeister beim Pittsburgh Symphony Orchestra ging es Schlag auf Schlag: 1955 debütierte er an der Mailänder Scala, 1960 als erster Amerikaner und bis dato jüngster Dirigent bei den Bayreuther Festspielen. 1965 wurde er Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin und Chef des Radio Symphonie Orchesters Berlin. Die Bilanz seines bisherigen Künstlerlebens ist gigantisch: Mehr als 5000 Opern- und Konzertaufführungen, über 300 produzierte Tonträger.
Doch auch in Maazels Traumkarriere lief nicht immer alles glatt. Sein Engagement als Wiener Operndirektor (1982-1984) endete im Streit. Und dass die Berliner Philharmoniker nach dem Tode Herbert von Karajans den Italiener Claudio Abbado statt Maazel zu ihrem Chefdirigenten beriefen, obwohl er als aussichtsreichster Kandidat galt, muss den zuweilen als hochfahrend und arrogant geltenden Musiker heftig geschmerzt haben.
Glanzvoll gestaltete sich dagegen seine fast zehnjährige Ära als Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BR) in München. Die BR-Musiker denken bis heute mit großer Hochachtung an ihren einstigen Chef, der das Orchester zwischen 1993 und 2002 «technisch auf Spitzenniveau» gebracht habe.
Maazels Zeit in München wurde nur durch eine geharnischte Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofes getrübt, in der dieser die astronomischen Gagen des Pultstars anprangerte. In der Tat galt und gilt das Multitalent als einer der teuersten Dirigenten überhaupt, ein Punkt, der sich in den Verhandlungen mit der klammen Landeshauptstadt noch als Hypothek erweisen könnte.
Maazel ist in dritter Ehe mit der deutschen Schauspielerin Dietlinde Turban verheiratet und Vater von insgesamt sieben Kindern. Als er München verließ, wollte er sich eigentlich verstärkt dem Komponieren und seiner Geige widmen. Dann ereilte ihn jedoch ein Ruf als Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra, dem er bis 2009 vorstand.
Hauptwohnsitz der Maazels - weitere Wohnungen soll die Familie in Monaco, New York und München besitzen - ist ein Landgut in Virginia. Den prachtvollen Landsitz öffnete er im vergangenen Sommer erstmals für das «Castleton Festival», ein Treffen mit 200 Nachwuchskünstlern aus aller Welt. Maazel leitete die Neuproduktion von Benjamin Brittens Oper «The Turn of The Screw» und eine Meisterklasse für zehn junge Dirigenten. Vielleicht bringt er seine Ideen der Förderung des musikalischen Nachwuchses ja mit nach München.