Berlin - Der Liedermacher und Sänger Wolf Biermann feiert am Sonntag (13. November, 19.30 Uhr) mit einem Konzert im Berliner Ensemble (BE) seinen 75. Geburtstag. Gleichzeitig wird an den Auftritt des Künstlers vor 35 Jahren in Köln erinnert, der zu seiner Ausbürgerung aus der DDR führte.
Biermann wurde am 15. November 1936 in Hamburg als Sohn eines jüdischen Arbeiters geboren. 1953 siedelte der junge Biermann in die DDR über. Nach Abbruch eines ersten Studiums in Ost-Berlin wirkte er am BE als Regieassistent. Später gründete Biermann das noch heute existierende Berliner Arbeiter- und Studententheaters (bat) und geriet erstmals in Konflikt mit der DDR-Obrigkeit.
Bekannt wurde er durch selbst verfasste Lieder und Gedichte. 1965 erhielt Biermann Auftritts- und Publikationsverbot. Sein Kölner Konzert vom 13. November und die Ausbürgerung am 16. November 1976 führten zur "Biermann-Resolution" von Künstlern und Intellektuellen der DDR. Einige zogen ihre Unterschrift unter Druck später zurück.
Seit 2007 ist Biermann Ehrenbürger von Berlin.
[update - 14.11.] Wolf Biermann zu seinem 75. Geburtstag im Berliner Ensemble
Torsten Hilscher - dapd
Berlin - Es ist genau wie im November vor 35 Jahren: An der Berliner Weidendammbrücke in Berlin-Mitte stecken frische Blumen und erfreuen die Passanten. Gewidmet sind sie Wolf Biermann, dem Liedermacher und Sänger. Doch während der Blumenschmuck 1976 heimlich von Sympathisanten hinterlassen wurde, um wieder und wieder von der Staatssicherheit entfernt zu werden, kommt die Überraschung diesmal von der Mannschaft des nahegelegenen Berliner Ensembles (BE).
Dort hatte Biermann Ende der 1950er Jahre als Regieassistent gearbeitet. Und dort feiert er an diesem 13. November auch seinen 75. Geburtstag vom 15. November schon einmal vor.
Zu Beginn erscheint Claus Peymann mit einem ganzen Strauß dieser Blumen auf der Bühne und verkündet dem verblüfften Biermann die botanische Installation auf der Brücke. Zugleich erinnert der Theatermann an ein Konzert, das er für den Sänger 1964 an der Hamburger Universität organisierte. Noch heute ist Biermann bass erstaunt, dass er damals, drei Jahre nach dem Mauerbau, überhaupt in den Westen reisen durfte.
Dorthin wurde der gebürtige Hamburger im November 1976 ausgewiesen, wovon an diesem Abend oft die Rede sein wird. Fast zweieinhalb Stunden wird Biermann voll stimmlicher Kraft und mit großer Virtuosität auf der Gitarre seine bekanntesten Werke Revue passieren lassen - ein jedes gewürzt mit einer Anekdote, einer bitteren Erinnerung, einem philosophischen Gedanken.
Zunächst aber bringt Peymann das Gespräch auf Biermanns Mutter. Eine "beinharte" alte Kommunistin, wie der Sänger den Faden aufgreift. Die passende Gelegenheit für eine erste Breitseite gegen die (heutigen) Kommunisten. Zuerst muss das Führungsmitglied der Linken, Sahra Wagenknecht, daran glauben. Anders als seine im Kampf gegen Kapp und die Reaktion erprobte Mutter sei Wagenknecht nur eine "falsche Rosa Luxemburg, die herumläuft".
Sticheleien gegen Lafontaine und Wagenknecht
Später am Abend wird er noch einen drauf setzen, wenn er auf die am öffentlich Wochenende bestätigte Liaison zwischen Oskar Lafontaine und Wagenknecht anspielt: Er habe in der Zeitung gelesen, was dieser "falsche Rote" und diese "falsche Rosa" nun gemeinsam miteinander hätten, grinst Biermann. "Dass dieses verlogene Pack nun miteinander im Bett liegt." Falls das die Welt überhaupt wirklich interessiere. So oder so - bei diesem Paar, da sei der eine des anderen Strafe.
Ihm selbst habe um 1982 der in Frankreich lebende rumänische Denker Manès Sperber den "kommunistischen Zahn" gezogen. Das sei eine Wurzelbehandlung gewesen, die aber nicht weh getan hätte, weil der Mann seine Lieder liebte, wie Biermann berichtet.
Wehmütig werden er und das Publikum, wenn mit dem "Totenlied" an Robert Havemann erinnert wird. Dessen Witwe Katja sitzt im Publikum.
Ebenfalls als Zuschauer ist der Chef der Stasiunterlagenbehörde, Roland Jahn. Er darf sich Lob anhören, dass er die seit Anbeginn in der Behörde arbeitenden ehemaligen Stasi-Leute endlich aus dem Haus entfernen dürfe. Wenngleich es weniger sein Verdienst sei, wie Biermann meint. Sondern dieser Schritt nur Dank Fürsprache des Kulturstaatsministers Bernd Neumann (CDU) "über die CDU" möglich wurde, sagt Biermann.
Seitenhieb auf Joachim Gauck
"Eingebrockt" habe der Behörde die Situation deren erster Leiter, Joachim Gauck, ruft Biermann, und ist nun ganz in seinem Element als Mann der deutlichen und vor allem deftigen Worte. "Der hat die Stasiblindenhunde ins Haus geholt, weil er Angst hatte, sich in diesem Labyrinth zu verirren." Später habe Gauck sie "aus Schusseligkeit - er ist ja schließlich Pfarrer - vergessen".
Auch sonst ist Biermann ganz nah dran am Zeitgeschehen: Er lobt die Kanzlerin und erklärt dem Publikum seine Sicht über Spekulanten und die Finanzkrise, muss aber einräumen, dass er auch keine Lösung hat. Der Abend endet Biermann-untypisch. Keine Ballade ist zu hören. Vielmehr ein launiges Lied nach Harry Belafonte. Mit solchen Songs und anderen von ihm übersetzten Liedern aus aller Herren Länder will er demnächst wiederkommen ins BE. Trotz 75 bewegter Jahre auf dem Buckel.
Wolf Biermann - Kurzbiographie
- 15. November 1936: Biermann wird in Hamburg als Sohn eines jüdischen Kommunisten geboren;
- 1953 übersiedelt Wolf Biermann in die DDR;
- 1955 bis 1957: Studium der politischen Ökonomie an der Berliner Humboldt-Universität (HU), Abbruch des Studiums;
- Regieassistent am Berliner Ensemble;
- 1959 bis 1963 Studium der Philosophie und Mathematik an der HU;
- 1961 Gründung des heute wieder existierenden Berliner Arbeiter- und Studententheaters (bat);
- 1965 Veröffentlichung seines Lyrikbandes "Die Drahtharfe" und einer ersten Langspielplatte in der Bundesrepublik. Im Osten erhält er Auftrittsverbot;
- September 1976: Nach ununterbrochenem Verbot erster Auftritt in der Prenzlauer Nikolaikirche; 13. November: In Kölner beginnt eine Tournee durch die Bundesrepublik; 16. November: Das Politbüro des Zentralkomitees der SED beschließt seine Ausbürgerung; 17. November: DDR-Intellektuelle protestieren dagegen mit einer Resolution;
- Dezember 1989: Erstes Konzert seit 1976 in der DDR in Leipzig
- 2007 6. Februar: Biermann erhält die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin