Klarinette hätte es werden können. Aber die war dem Teenager zu teuer. Als ihm dann ein Schulfreund eine gebrauchte Trompete für 60 D-Mark anbot, griff Uli Beckerhoff zu. Und so war sein Lebensweg beschlossen. Das wusste der Junge aus Münster damals allerdings noch nicht. Es war ihm lediglich klar, dass Musik in den folgenden Jahren eine große Rolle spielen würde. Zu einer Zeit, als Pop noch nicht erfunden war, übten Swing- und Bebop-Musiker eine große Faszination auf den Knaben aus gutem Hause aus. „Ich habe Jazz gehört, bevor ich das überhaupt zum Beruf gemacht habe, weil mein älterer Bruder immer schon Louis Armstrong, Miles Davis, Duke Ellington gemocht hat,“ erinnert sich Uli Beckerhoff an die Zeit, als sich für ihn die Weichen stellten. „Und ich habe von meinem 15. Lebensjahr an gespielt: in Dixieland-Kapellen angefangen, dann die Free-Jazz-Zeit erlebt, den Punkt, als die elektrischen Instrumente dazu kamen, die Emanzipation des europäischen Jazz, die ganze Musik bis heute. Das waren und sind einfach irrsinnige 55 Jahre des Jazzhörens und Jazzspielens.“
Uli Beckerhoff hatte viel Glück, aber er genoss die Phasen der musikalischen Selbstfindung auch in vollen Zügen. Denn der Jazz, der sich mit ihm und um ihn herum entwickelte, war selbst noch ein in immer neuen Farben schillerndes und wildes Gewächs, das in viele Richtungen wucherte. Man lernte über Nachahmung, es gab weder Real Book noch Studiengänge, dafür Gastspiele, die oft Wochen dauerten und sich vortrefflich für das Beobachten von Musikern eigneten – oder auch Platten, denen man mit mühsamem Transkribieren die Geheimnisse der Solisten abtrotzte.
Das Studium der Juristerei, das Beckerhoff seinem Vater zuliebe angefangen hatte, ließ er bald bleiben, um bei den Klassikern in Münster, später dann bei dem philharmonischen, aber jazzaffinen Trompeter Bob Platt mehr über sein Instrument zu erfahren. Er stürzte sich in die Szene, traf auf eine zumindest in ihrer Nische experimentierfreudige Musikwelt und schärfte sein Profil durch die Praxis: „Heute wird immer gleich über eigenen Stil gesprochen. Über so etwas haben wir damals gar nicht nachgedacht, denn wir haben einfach gespielt, was uns gefiel. Be- rendts Jazzbuch hatten wir außerdem auswendig gelernt. Es gab wohl keinen Jazzmusiker, dessen Namen ich nicht kannte, weil ich diesen Wälzer mindestens fünfmal durchgeackert und möglichst alles, was ich davon greifen konnte, auch angehört habe. Wir wollten eben Teil der Kraft dieses Jazz in seinen verschiedenen Schattierungen werden, nicht vorrangig unseren eigenen Stil entwickeln.“
Es gab viele Orte und Personen, die ihn prägten und unterstützen. Beckerhoff lernte durch die ersten europäischen Jazz-Akademiker aus Graz, fuhr nach Remscheid zum Jazzworkshop, traf Gleichgesinnte. Er arbeitete mit Kollegen wie Manfred Schoof und Wolfgang Dauner, Alexander von Schlippenbach und Ingfried Hoffmann. Bald gehörte er selbst zu denen, die den Ton angaben. Nach den Free-Jahren ließ er sich vom Jazzrock faszinieren, gehörte zu Bands wie Jazztrack, Riot, Changes und ging dann mit Ende 30 dazu über, eigene Formationen zu favorisieren. Er gründete sein Trio mit Jasper van’t Hoff und John Marshall, verwirklichte viel Musik zusammen mit John Taylor und Norma Winstone oder leitete Bands wie das von Škoda gesponserte Ensemble unter anderem mit John Abercrombie.
Beckerhoff wurde kulturpolitisch aktiv, gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ), organisierte Musikveranstaltungen wie etwa in der Kulturhauptstadt Weimar und unterrichtete schließlich selbst ein Vierteljahrhundert lang in Essen. Als die knospende jazzahead! ihn um Mithilfe bat, wurde er auch noch zu einem der künstlerischen Leiter des wichtigsten Branchentreffpunkts Europas und so sind die 70 Jahre, die er am Nikolaustag feiern kann, eigentlich im Flug vergangen. Letztlich hat die Trompete aus Uli Beckerhoff einen glücklichen Menschen gemacht. Und genau das hört man bis heute, wenn er zu seinem Instrument greift.