Würzburg (ddp-bay). Der Streit um die Beurlaubung der Würzburger Generalmusikdirektors (GMD) Jin Wang droht zu eskalieren. Wangs Anwälte erhoben am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen die Stadt Würzburg, Oberbürgermeister Georg Rosenthal (SPD) und die Staatsanwaltschaft.
Wang, der vom Würzburger Stadtrat Ende vergangener Woche bei vollen Bezügen beurlaubt wurde, wolle seinen noch bis September 2010 laufenden Vertrag am Würzburger Mainfranken-Theater erfüllen, erklärte seine Rechtsanwältin Elke Hambrecht.
Rosenthal sieht nach dem Vorstoß der Anwältin allerdings „keine Grundlage mehr für eine einvernehmliche Einigung“. Seit dem mit großer Mehrheit gefassten Stadtratsbeschluss vor einer Woche gibt es laut Rosenthal für Wang keine Möglichkeit mehr, seinen Vertrag zu erfüllen. Nach Auffassung Hambrechts sind aber die gefassten Beschlüsse des Stadtrats wegen grober Verfahrensfehler unwirksam. Rosenthal habe eine nicht-öffentliche Sitzung missbraucht, um die Ratsmitglieder einseitig zu informieren und dadurch zu manipulieren: „Entlastende Argumente wurden den Ratsmitgliedern überhaupt nicht zur Kenntnis gegeben“, sagte die Fachanwältin für Arbeitsrecht. Rosenthal zeigte sich über die Vorwürfe „überrascht und irritiert“.
Gegen Wang wurde wegen „versuchter sexueller Nötigung“ ermittelt. Betroffene war eine Aushilfsmusikerin und Bekannte des Dirigenten, die aber selbst keine Strafanzeige erstattet hatte. Das Verfahren wurde vorläufig eingestellt, nachdem Wang sich bereiterklärt hatte, 5000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zu bezahlen. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Strafbefehl gegen Wang beantragt. Den Antrag mit dem Tatvorwurf verlas Rosenthal in der Stadtratssitzung. „Dadurch wurde rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht zweier Menschen eingegriffen“, sagte Hambrecht. Sie forderte eine neue Sitzung des Stadtrates, in der Wang seine Sicht der Dinge darlegen solle.
Als externen Gutachter der Vorgänge haben Wang-Unterstützer unterdessen den Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate aus Hamburg eingeschaltet. Er warf der Staatsanwaltschaft einen „illegalen Akt“ und Rosenthal „strafrechtliches Verhalten“ vor. Die Anklagebehörde sei nicht berechtigt gewesen, der Stadt Einsicht in die Akten des noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens zu geben. Rosenthal habe sich strafbar gemacht, weil er Teile der Akte im Stadtrat verlesen habe.
Die Staatsanwaltschaft gab Rosenthal Rückendeckung. Die Verantwortlichen der Stadt hätten durch die Überprüfung der Anschuldigungen gegen Wang „verantwortlich gehandelt“ und dann die Staatsanwaltschaft informiert, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Clemens Lückemann. Die Vorwürfe Strates seien abwegig und „von mangelnder Sachkenntnis geprägt“. Rosenthal sprach von einer „massiven Schmutzkampagne“ der Wang-Anwälte. Eine einvernehmliche Vertragsauflösung sei damit vom Tisch, auch eine weitere Stadtratssitzung werde es nicht geben: „Herrn Wang ist ausreichend Gelegenheit gegeben worden, sich mit und ohne juristischen Beistand zu äußern. Der Stadtrat hat entschieden, dabei bleibt es.“
Derweil hat sich eine „Solidaritätsinitiative Jin Wang“ gegründet, die dem Dirigenten zu einer Rehabilitierung verhelfen will. Gründungsmitglied Helga Zilcher beschuldigte die Stadtverwaltung, sie habe im Fall Wang grundlegende Menschenrechte missachtet. Der GMD sei wie ein Verbrecher nach Hause geschickt und mit Hausverbot belegt worden. Das komme für den überregional bekannten Dirigenten einem „lebenslangen Berufsverbot“ gleich.