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Die Sphinx des Chansons

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Zum Tod der französischen Ikone Juliette Gréco
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Sie war die große „Erscheinung“ der Nachkriegszeit, die „Muse“ der Existentialisten um Sartre und Camus, die auch Liedtexte für sie geschrieben haben: die Gréco. Eine ganze Generation freilich hat sich in den sozialen Medien zuerst an ihren unheimlichen Auftritt als Phantom des Louvre in der Serie „Belphégor“ Mitte der Sixties erinnert. Damals spukte die wahre „Lady in black“ auch in vielen deutschen Fernsehshows herum, in denen auch Gilbert Bécaud und Charles Aznavour ihre Lieder sangen.

Die Gréco war eine französische Ikone der Nachkriegszeit, wie die Piaf, die Bardot oder die Moreau. Trotz Auftritten in Jean Cocteaus „Orphée“ oder Otto Premingers „Bonjour Tristesse“, wo sie ganz allein für Jean Seberg zu singen scheint, war es vor allem ihre sehr dunkle Stimme, die für immer in unseren Ohren klingen wird. Als Sechzehnjährige war sie von der Gestapo in Haft genommen worden, weil ihre Mutter der Résistance angehört hat. Kurz danach hat sie völlig auf sich allein gestellt ihre Heimatstadt Montpellier verlassen und ist nach Paris aufgebrochen.

Ihre Karriere hat 1946 in ihrer Pariser Kellerbar „Tabou“ begonnen, in der sich auch Boris Vian und Albert Camus herumtrieben. Sehr bald wurde sie zur „Königin der Existentialisten“, der die ganze Künstlerbande zu Füßen lag. Auch der junge Miles Davis gehörte damals zu ihren Liebhabern. Im Laufe der Jahre schrieben ihr alle wichtigen Texter und Komponisten der Szene Chansons auf den Leib: Prévert, Kosma, Brassens, Brel, Béart, Ferré und Gainsbourg. Das Material verwandelte sie mit ihrem Sinn für Gesang und Schauspiel in ein eigenes Subgenre: das Gréco-Chanson. Lieder wie „Je suis comme je suis“, „Les feuilles mortes“, „La javanaise“, „Accordéon“ oder auch „Die Gammlerin“ hat sie mit ihrer Stimme transzendiert. „Wasserlilienbleich, mit dunklen Antilopenaugen, die Nase vorteilhaft operiert, im schwarzen Etuikleid, prägte sie Moden und Männer“, wie Ursula von Kardorff in der Zeit angemerkt hat, als die Gréco mit Michel Piccoli verheiratet war.

1988 hat die einstige „Muse“ des „linken Ufers“ dann ihren musikalischen Begleiter geheiratet, den einstigen Hauskomponisten von Brel: Gérard Jouannest. Nach ihrer Abschiedstournee ist Jouannest 2018 verstorben. Nun ist sie ihm am 23. September im Alter von 93 Jahren gefolgt.

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