Es war Ende Juni 1968, vor fünfzig Jahren also, als eine afroamerikanische Sängerin ihre eigene Titelstory im Time Magazine bekam: Aretha Franklin. Es waren unruhige Zeiten. Wenige Wochen vorher waren Martin Luther King und Bobby Kennedy, der Präsidentschaftskandidat der Demokraten ermordet worden. Schwere Schläge für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, der Aretha Franklin ein Jahr vorher eine Hymne geschenkt hatte: „Respect“. Jetzt war „Lady Soul“ der Star der Stunde.
Geboren in Memphis, Tennessee, war die Tochter des „Mann mit der Millionen-Dollar-Stimme“ am Rande der Ghettos von Detroit aufgewachsen. Gospellegenden wie Mahalia Jackson und Clara Ward waren ihre Gesangslehrerinnen. Und sie lernte schnell, wie ein Mitschnitt aus der New Bethel Baptist Church in Detroit zeigt. Alles, was später ihre einzigartige Qualität ausmachen würde, war im Alter von 14 Jahren bei ihr bereits angelegt. Peter Guralnick, der große Soul-Experte merkte später dazu an: „Aretha Franklin hat später großartigere Kunst gemacht, aber sie hat nie großartigere Musik gemacht als diese, in der sie allein ihre nackte Stimme und ihre nackten Gefühle offenbart.“ 1960 wird sie von John Hammond für Columbia Records entdeckt. Doch ausgerechnet der „Entdecker“ von Billie Holiday und Bob Dylan kann mit ihrer Reinheit und Tiefe des Ausdrucks nicht wirklich viel anfangen. Man versucht sie erfolglos mit Jazzstandards und Tin-Pan-Alley-Schlagern zur zweiten Dinah Washington aufzubauen, deren Songs wie „Soulville“ sie immer wieder covert. 1966 nimmt sie der „Atlantic“-Produzent Jerry Wexler unter seine Fittiche und entfesselt sie. Eine Session in den „Muscle Shoals“-Studios in Alabama wird Anfang 1967 zum Blueprint für den „Down Home“-Stil der neuen Aretha Franklin. „I Never Loved A Man (The Way I Love“) wird die einzige Aufnahme bleiben, die dort produziert wurde. Von nun an wird das kongeniale Triumvirat Jerry Wexler, Arif Mardin und Tom Dowd, der Tonmeister, nur noch in New York produzieren und Aretha Franklin dabei weitgehend freie Hand im Studio lassen. Hellsichtig benennt Wexler das Konzept: die Säkularisierung des Gospel. In den Fußstapfen von Ray Charles und Sam Cooke wird Aretha Franklin ihre Songs wie keine zweite Sängerin mit verletzter Seele transzendieren.
Zu einem Höhepunkt ihres Schaffens wird 1967 ihre unglaublich sinnliche Version eines Brill-Building-Songs von Carole King & Gerry Goffin: (You Make Me Feel Like) A Natural Woman“. Ein Jahrzeit lang wird ihre goldene Phase anhalten, in der Meisterwerke entstehen werden wie ihr sehr persönliches Album „Young, Gifted And Black“, die „Live At Fillmore West“-LP oder das großartige Gospel-Album „Amazing Grace“, in dem sie sogar Marvin Gayes „Wholy Holy“ zurück in die Soul-Kirche bringt. Ein letzter Höhepunkt ihrer „Atlantic“-Zeit ist 1976 der von Curtis Mayfield in Chicago produzierte Soundtrack zu „Sparkle“. Ein Song daraus wird fast zwei Jahrzehnte später das „Link“ sein zu einer neuen Generation von „Funky Divas“ wie Mary J. Blige oder Destiny‘s Child: „Something He Can Feel“, mehrstimmig gesungen von En Vogue. Ihre „Atlantic“-Aufnahmen aus den Jahren zwischen 1967 und 1976 werden die Zeiten überdauern. Ihre beseelten Interpretationen von Songs wie „A Natural Woman“, „Day Dreaming“ oder „Chain Of Fools“ gehören zu den Perlen der afroamerikanischen Popmusik. Am 16. August ist Aretha Franklin, die „Queen of Soul“, nach langer Krankheit im Alter von 76 Jahren in Detroit gestorben.