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Einem Phänomen auf der Spur - In Rostock entsteht Doktorarbeit über Grönemeyer

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Rostock - Während tausende Fans von Herbert Grönemeyer dem Auftakt seiner Deutschland-Tournee in Rostock (31.5.) entgegenfiebern, betrachtet Florian Koeppe den Rummel mit analytischer Nüchternheit. Der Musikwissenschaftler ist beruflich dem Phänomen Grönemeyer auf der Spur. An der Hochschule für Musik und Theater Rostock schreibt er derzeit seine Doktorarbeit über die Frage, warum Deutschlands erfolgreichster Musiker seit Jahrzehnten die Massen derart begeistert.

Stimme und Musik objektiv gut
«Viele sagen, Grönemeyer könne nicht gut singen, aber das stimmt nicht», sagt der Wissenschaftler. «Er kann mit seinen 56 Jahren immer noch sehr hoch singen, hat viel Kraft in seiner Stimme und trifft die Töne.» Allerdings sieht Koeppe auch erste Anzeichen, dass die Stimme unter der dauernden Belastungen gelitten habe.

Noch mehr punkte Grönemeyer bei den Fans mit der Qualität seiner Musik: «In der Popmusik findet man häufig Songs, die aus drei Akkorden aufgebaut sind. Grönemyers Titel sind dagegen harmonisch sehr interessant, manche Titel sind wie klassische Musik von vorne bis hinten durchkomponiert», sagt Koeppe. «Und er wiederholt sich nie, bleibt nicht stehen, jede Platte ist anders. Davor muss man Respekt haben, auch wenn einem die Musik nicht immer gefällt.»

«Bochum» zählt weiter zu den Lieblingstiteln der Fans
Koeppe hat für seine Arbeit Fans aus ganz Deutschland befragt. Insgesamt hat er mehr als 1.000 Fragebögen ausfüllen lassen, reiste dafür zu acht Konzerten. Eine der Fragen lautete: Warum ist Grönemeyer ein Star? «Viele sagten, er sei authentisch, nicht so abgehoben wie andere Stars.»

Für Koeppe ist dieses Image bis heute eine Nachwirkung von Grönemyers Durchbruch 1984. «Mit der Platte 'Bochum' hat er damals absolut den Zeitnerv getroffen. Das Ruhrgebiet war in einer schweren Krise wegen des Wegbrechens der Montanindustrie und da kam einer und sang: 'Bochum, ich komm aus Dir, Bochum, ich häng an Dir'. Das hat den Menschen Mut gemacht.» Dementsprechend weit vorn liegt bei den Lieblingstiteln von Grönemeyer «Bochum» mit Rang zwei. Platz eins hat «Mensch», Platz drei «Männer».

Das Interesse an der Auswertung der Fragebögen ist groß. Koeppes Doktorvater Hartmut Möller, Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule, erwartet, dass die Doktorarbeit den Erfolg Grönemeyers besser nachvollziehen lässt. «Koeppe geht mit seiner Arbeit grundsätzliche Fragen zum Verständnis von Musik an», sagt Möller.

Gespräch mit Grönemeyer fehlt noch
Was Koeppe jetzt noch fehlt, um seine Arbeit abzuschließen, ist ein Interview mit Grönemeyer persönlich. «Es wäre wichtig zu wissen, wie einzelne Titel enstanden sind und was er mit ihnen ausdrücken wollte», erklärt Koeppe. Nur so sei es möglich, zu vergleichen, ob die Interpretationen der Fans mit den Ideen Grönemeyers übereinstimmen.

Getroffen hat Koeppe das Objekt seiner Forschung schon einmal, aber nur kurz. «Er konnte sich zuerst gar nicht vorstellen, dass jemand über ihn eine Doktorarbeit schreibt. Aber dann war er sehr nett und interessiert.» Sie hätten zwar vereinbart, sich noch einmal zu treffen, aber das habe bisher nicht geklappt. Auch vor dem Tourneeauftakt in Rostock ist ein Gespräch nicht zustande gekommen.

Ein bisschen enttäuscht ist Koeppe darüber, aber er will es nicht als Trotz verstanden wissen, dass er nun nicht zum Konzert mit Vorstellung der neuen CD «Schiffsverkehr» geht. Vielmehr gefielen ihm schon die letzten beiden Grönemeyer-Platten nicht mehr so wie die vorherigen, wie er sagt. «Ich würde mich jetzt selber nicht mehr als Fan bezeichnen. Aber das ist auch besser so, da kann ich objektiver über Grönemeyer forschen.»

 

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