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Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker. Foto: Monika Rittershaus
Rattle: Geburtstag. Foto: M. Rittershaus
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Lockenkopf aus Liverpool – Dirigent Sir Simon Rattle wird 60

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Er hat einen der wohl begehrtesten Jobs in der Welt der klassischen Musik inne: Seit zwölf Jahren steht Sir Simon Rattle an der Spitze der Berliner Philharmoniker. Der britische Maestro mit dem Lockenkopf gehört zu den unangefochtenen Stars auf dem Podium. Am Montag (19. Januar) wird er 60.

Allerdings sind Rattles Tage bei den Philharmonikern gezählt. Mitte 2018 wird er den Stab an einen Nachfolger (oder eine Nachfolgerin?) übergeben, dies steht schon länger fest. Im Mai wollen die Berliner Philharmoniker über seine Nachfolge entscheiden. Rattle ging mit einer Zeile aus einem Beatles-Song in die Offensive. „Will you still need me when I'm sixty-four?“ – mit 64 Jahren stelle sich die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, sich nach einem neuen Job umzuschauen.

Für einen „Nachruf“ sei es noch zu früh, sagt Rattle im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in der Berliner Philharmonie. „Damit werden die Leute früh genug loslegen und es dann auch schnell wieder satthaben“. Tatsächlich ist von Amtsmüdigkeit nichts zu spüren. Rattle ist umtriebig wie eh und je, aus Anlass seines Geburtstags gastiert er mit den Philharmonikern eine Woche lang im Februar in London.

Als Rattle am 7. September 2002 seine Stelle in Berlin antrat, gehörte seine jugendliche Ausstrahlung wohl zum Kalkül hinter der Wahl. Der coole Brite aus Liverpool, der zunächst Klavier und Schlagzeug lernte, sollte nach der Ära des zurückhaltenden Claudio Abbado den Philharmonikern ein neues Image verpassen. Die Rechnung ging auf.

Rattle gehört heute zu jenen Persönlichkeiten, die zuweilen als Vertreter des hippen Berlin vorgestellt werden. Der vielfach ausgezeichnete Dirigent, der zuvor das City of Birmingham Symphony Orchestra international bekanntmachte und 1994 zum Sir ernannt wurde, will auch später in der Stadt bleiben und mehr an der Staatsoper und der Deutschen Oper dirigieren. Rattle lebt mit seiner Frau, der Mezzosopranistin Magdalena Kozená, und drei Kindern in Berlin. Aus seiner ersten Ehe hat Rattle zwei Kinder.

Ob Filme in 3D, Live-Übertragungen in Kinos, Tanzprojekte, 10-Euro-Konzerte am späten Abend, die Digital Concert Hall als Internet-Stream – die Philharmoniker sind mittlerweile auf allen Kanälen präsent. Rattle weiß, dass sich Orchester jenseits der Konzertsäle nach dem Publikum von morgen umschauen müssen – auch mit neuer Musik. „Wir müssen unseren Hörern die Chance geben, neue Werke zu entdecken“, sagt er.

Dabei hat es Rattle nicht immer leicht in Berlin. Sein inzwischen vielgelobter Versuch, das Repertoire zu erweitern, wurde von Orchestermusikern nicht unbedingt begeistert aufgenommen. Kritiker rümpfen bei Rattles Interpretation des romantischen und spätromantischen Repertoires, etwa der Mahler-Sinfonien, die Nase.

So ist auch das Verhältnis zum Orchester nicht immer frei von Spannungen. Rattle nennt das selbstverwaltete Ensemble eine „Demokratie der Kaiser“ und vergleicht es mit einer Gilde wie Richard Wagners Meistersingern. „Doch es ist immer wieder erstaunlich, was man dabei gemeinsam erreichen kann.“

Vielleicht reagiert er auch deswegen mit Unverständnis auf Vorhaltungen, ob er als Brite eigentlich der richtige Dirigent sei für den „deutschen Klang“, jene dunkle Farbe, wie sie etwa Barenboim und seine Berliner Staatskapelle pflegen.

„Ich versuche, für jeden Komponisten einen eigenen Klang zu finden. Jeder Komponist hat seine eigene Aussprache“, sagt Rattle und spricht von dem „dunklen Klang“ der Philharmoniker. „Den zu ändern, wäre wirklich dumm.“

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