Bis zuletzt war er bereit, in der Musik Neues zu entdecken. Das galt auch für Mozarts G-Dur-Klavierkonzert KV 453, mit dem Menahem Pressler im Januar 2014 90-jährig bei den Berliner Philharmonikern debütierte. Als Solist hatte er begonnen, um sich später ganz der Kammermusik zu widmen. Menahem Pressler war die Seele des Beaux Arts Trios, das dieser Besetzung einen dem Streichquartett vergleichbaren Rang verlieh.
Trotz einiger Wechsel im Ensemble sorgte Pressler über 54 Jahre für Kontinuität. Mit lebendigen Impulsen behielt er das Ganze im Blick und Ohr. Er liebte die Musik von Debussy und Ravel, mit der er erste große Erfolge errang. Seine tiefste Verehrung galt aber den Komponisten Bach, Beethoven, Schumann und Brahms. Und immer wieder Mozart, den er als den Größten ansah.
Als Sohn einer jüdischen Familie war Max Jakob Pressler Ende 1923 in Magdeburg zur Welt gekommen. Nach der Zerstörung des elterlichen Textilgeschäfts während der Reichspogromnacht floh die Familie 1939 über Italien nach Palästina. Zu seinen wichtigsten Musiklehrern dort gehörte der eminente Kulturpolitiker und Busoni-Schüler Leo Kestenberg, der seine Musikauffassung prägte. Als Pressler 1946 einen internationalen Klavierwettbewerb in San Francisco gewann, übersiedelte er in die USA und begann erfolgreiche Konzerttourneen. Als Bekenntnis zum Staat Israel änderte er den Vornamen Max zu Menahem. Überraschend gab er dann 1955 seine erfolgreiche solistische Konzertlaufbahn weitgehend auf und übernahm eine Klavierprofessur an der Indiana University in Bloomington. Hier entstand das Beaux Arts Trio, das nach einem spektakulären Debüt seinen Durchbruch erlebte. Im August 2009 gab dieses legendäre Ensemble in Leipzig sein letztes Konzert. Menahem Pressler setzte sich aber nicht zur Ruhe. Er intensivierte seine Lehrtätigkeit und nahm Einladungen zu solistischen Auftritten an. In Konzertsälen wie dem Concertgebouw Amsterdam oder der Berliner Philharmonie, wo er mit seinem Trio oft gastiert hatte, debütierte er nun als Solist und wurde mit Ovationen gefeiert.
In einem Interview hatte Pressler schwere seelische Störungen erwähnt, welche die Judenverfolgung bei ihm ausgelöst hatte. Nur die klassische Musik habe ihn heilen können. Anders als Artur Rubinstein und Isaac Stern trat er nach 1945 wieder in Deutschland auf, übergab die Einnahmen aber gemeinnützigen Einrichtungen in Israel. Der Staat Israel, bekannte er, habe sein Leben gerettet, die deutsche Musik seine Seele. Deshalb bezeichnete er Deutschland nach Israel als zweite Heimat. Auch in den USA sprach Pressler zuhause immer deutsch. Mit seinen Konzerten und dem Unterricht wollte er vor allem die Liebe zur Musik entzünden. Die Tonkunst verglich er mit der Religion, den Konzertsaal mit einem Tempel. Von allen Komponisten hatte Mozart für ihn den direktesten Kontakt „nach oben“. Am 6. Mai ist Menahem Pressler im Alter von 99 Jahren in London gestorben.