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Traumberuf oder Trauma? Gerd Uecker im Gespräch über sein Buch zum Berufsbild des Opernsängers

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Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, im Rampenlicht zu stehen und womöglich als Opernsänger auf einer der bedeutendsten Musiktheaterbühnen gefeiert zu werden? Wer ernsthaft an einer solchen Karriere interessiert ist, dem kann, ja muss das Buch „Traumberuf Opernsänger“ empfohlen werden, das der Opern- und Sängerkenner Gerd Uecker verfasst hat. Ein Ratgeber ist dies allerdings nicht nur für künftige Stars – und zugleich eine Warnung für Möchtegern-Stars –, sondern auch eine interessante Lektüre für eher passive Freunde der Oper, die mehr über das Sängerdasein erfahren wollen.

Denn der aus München stammende Autor Gerd Uecker (Jg. 1946), der in seiner Heimatstadt Klavier, Musikpädagogik und Dirigieren studiert hat, nach Umwegen über die Opern Köln und Passau als langjähriger Operndirektor der Bayerischen Staatsoper München sowie von 2003 bis 2010 als Intendant der Sächsischen Staatsoper Dresden gewirkt hat, ist natürlich ein Kenner dieser Materie. Er schreibt so kenntnisreich wie informativ, sein Fachbuch ist durchgehend in einem sowohl für Experten als auch für Laien gut verständlichen Ton gehalten. Im Gespräch mit Michael Ernst verrät er mehr über diese Publikation.


Soll Ihr Buch in erster Linie Lust auf diesen Beruf machen, auf diesen „Traumberuf Opernsänger“?

Vor allem will ich mit diesem Buch informieren. Es soll niemanden dazu überreden, Opernsänger zu werden. Das Buch sollte aber ein Leitfaden sein und all denen helfen, die sich dazu entschlossen haben, sich ein bisschen besser vorzubereiten. Es soll auch gewisse Illusionen, die man über diesen Beruf hat, auf eine sachliche Basis zurückführen. Natürlich wollte ich niemanden  desillusionieren, sondern nur eine realistische Darstellung schaffen.

Sie leben heute sozusagen als Pensionär im kreativen Unruhezustand. Was hat Sie bewogen, den Erfahrungsschatz ihres ganzen Berufslebens in diesem Buch zusammenzutragen?

Ich habe mich ja viele Jahrzehnte mit diesem Beruf beschäftigt, auch ganz praktisch, und habe da einfach die Probleme gesehen, die junge Opernsänger haben, wenn sie in diesen Beruf einsteigen, ihre ersten Erfahrungen in der Praxis machen und vor teils überraschenden Konstellationen stehen, die sich für Anfänger ergeben. Darauf werden sie an kaum einer Hochschule vorbereitet.
Das hat mich bewogen, dieses Gesamtbild zusammenzufassen, wo die meisten dieser Fragestellungen für Berufseinsteiger einmal angesprochen werden sollten.
Das war meine erste Motivation. Und die zweite war, einem interessierten Publikum, das sich so gern als Opernfreunde sieht, mal einen genaueren und detaillierteren Einblick in dieses Berufsbild zu geben. Da wissen ja die Liebhaber des Genres Oper oftmals auch nicht wirklich Bescheid, wie die Realität dieses Berufes aussieht. Insofern ein Buch mit Informationen und Einblicken von hinter dem Vorhang.

Ein Buch also auch für Opernfreunde? Obwohl Ihr Buch „Traumberuf Opernsänger“ im Untertitel „Von der Ausbildung zum Engagement“ heißt, umreißen Sie ja nicht nur die unerlässlichen Voraussetzungen für diesen Beruf, geben Einblicke in Ausbildungswege, erläutern Stimmgattungen und Stimmfächer, sondern beschreiben die damit verbundenen Strapazen, schildern den Arbeitsalltag, der aus Partie-Studium, Proben und nicht zuletzt auch aus ganz praktischen Dingen wie Lebensführung, Terminplan, Vorstellungsgesprächen und Vertragsabschlüssen besteht. Davon bekommt der Theaterbesucher normalerweise nichts mit.

Man sieht ja von dem Beruf immer nur die schillernde und glamouröse Oberfläche, die Außenseite. Das ist auch richtig so, denn dieser Beruf will ja in allererster Linie hoch anspruchsvolle Ergebnisse zeitigen. Und eben nicht gleichzeitig ein Make Off vermitteln. Die Tendenz des Berufes ist ja, immer nur das allerletzte Endergebnis zu zeigen. Einmal ein bisschen dahinterblicken zu lassen, mit welchem Aufwand, mit welchen Energien, auch mit welchen Entbehrungen und Schwierigkeiten das für den einzelnen Opernsänger verbunden ist, das wollte ich schon darstellen.

Sie gehen in diesem Leitfaden teils sehr ins Detail. Nicht zuletzt gibt es einen Abschnitt, der sich explizit an junge Opernsängerinnen wendet. Welches Zielpublikum haben Sie beim Schreiben im Auge gehabt?

Ich glaube, das Buch könnte hilfreich sein für alle jungen und jüngeren Opernsänger. Auch für jene, die bereits im Beruf stehen und ihre ersten Erfahrungen schon gemacht haben. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine gewisse Reflexion über das ideelle Ziel gerade in diesem Beruf unabdingbar mit dazugehören sollte. Diese Beziehungen zu überdenken, Beziehungen zwischen dem praktizierenden Opernsänger und seinem Material, dem eigentlichen Kunstwerk, um sich in der Praxis nicht vom Routinealltag fressen zu lassen, das scheint mir wichtig. Auch um immer wieder dazu anzuregen, über sich und das künstlerische Tun nachzudenken.

An die sogenannten Verantwortungsträger richten Sie sich nicht? Vom Elternhaus bis hin zu den Pädagogen, den Medien und überhaupt den gesamten Opernbetrieb sind ja zahlreiche Menschen mit einer enormen Verantwortung für den potentiellen Sängernachwuchs konfrontiert.

Die meisten meinen das ja zu wissen. Also insofern glaube ich leider nicht, da auf eine große Interessensgruppe zu stoßen. Aber für das familiäre Umfeld, da haben Sie Recht, könnte es wichtig sein, hinführend und begleitend Verständnis für diesen Studien- und Berufswunsch zu haben. Verständnis für die spezifischen Schwierigkeiten in diesem Ausbildungsweg und beim Berufseinstieg zu wecken, zu mehren und zu formen. All dies könnte helfen, junge Leute auf diesem Weg besser begleiten zu können.

Sie stellen in Ihrem Buch „Traumberuf Opernsänger“ eine Profession vor, von der meistens nur die Glanzseiten bekannt sind. Aber was, wenn der Traum zum Trauma wird und alle Liebe zum Gesang nicht ausreichend ist für ein Dasein als Sänger?

Wenn jemand eine ungebändigte Lust zum Singen mitbringt, und das muss ja so sein, wenn er diesen Beruf ergreifen will, dann wäre es sicher töricht, als Studien- oder als Berufsabbrecher auf das Singen als Lebensaspekt überhaupt zu verzichten. Ich würde jedem, der diesen Schritt ins Hochprofessionelle nicht schafft, raten, sich dennoch weiter mit Musik und mit dem Singen zu beschäftigen. Ob als Amateur oder auf semiprofessioneller Basis, das sei dahingestellt. Singen kann für den Menschen eine große mentale Bereicherung bedeuten. Man sollte das nicht unterschätzen, denn das Singen spricht Bereiche im menschlichen Gefühlshaushalt, in der menschlichen Psyche an, die durch Sprache oder auf anderen Kommunikationswegen gar nicht erreicht werden. Ich kenne sehr viele Menschen, die darin ein großes Glückspotential sehen.

Gerd Uecker: „Traumberuf Opernsänger“ Von der Ausbildung zum Engagement
Henschel Verlag, 180 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-89487-675-3

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