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Manu Katche. Foto: Visual
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„Wahrscheinlich bin ich einfach nur vielseitig“: Interview mit Manu Katché

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Er moderiert auf ARTE die Musiksendung „One Shot Not“, spielt mit Jan Garbarek und ist auf unzähligen Pop- und Rockaufnahmen von Sting bis Joe Satriani zu hören: Manu Katché (geb. 1958) hat es zu einer Bekanntheit gebracht, die den meisten Schlagzeugern verwehrt bleibt. Im Interview erzählt Katché, wie er zwischen Rock und Jazz pendelt, warum sich gute Musiker auch mal überflüssig machen, und wie ein Autoradio den Kontakt zu Jan Garbarek und Manfred Eicher von ECM herstellte.

Herr Katché, Sie kennen bestimmt den blöden Witz von den letzten Worten eines Schlagzeugers…

Natürlich kenn’ ich denn: ‚Hey Jungs, wollen wir nicht ein paar von meinen Songs spielen?’ Aber mit der Realität haben solche Vorurteile nichts zu tun. Ich kann nicht nur mitreden, wenn es um Taktzahlen und Rhythmen geht. Genauso kenne ich mich – wie so viele meiner Kollegen – mit Akkorden und Harmoniefolgen aus. Das erste Instrument, das ich gelernt habe, war Klavier. Und das ist bis heute wichtig für mich: Wenn ich Musik schreibe, dann natürlich auf diesem Instrument und nicht etwa auf dem Schlagzeug.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie beim Komponieren versuchen, nicht ans Schlagzeug zu denken. Geht das überhaupt als Schlagzeuger?

Wenn ich Musik schreibe, suche ich zuerst einmal nach einer Melodie, nach interessanten Akkorden, nach Klangfarben und Stimmungen. Über den Rhythmus und wie das Schlagzeug klingen soll, mache ich mir da überhaupt keine Gedanken. Als Schlagzeuger weiß ich ja, dass sich am Ende immer ein packender Groove findet – besonders, wenn man das Glück hat, einen tollen Song einzuspielen.

„Urban Shadow“, die letzte Nummer auf Ihrer aktuellen CD „Third Round“ kommt ganz ohne Schlagzeug aus. Ist das nicht ungewöhnlich für das Album eines Schlagzeugers?

Das fanden meine Musiker zuerst auch: Du musst auf deiner Platte, deiner eigenen Nummer doch spielen, erst recht, wenn das die letzte Nummer auf der CD sein soll! So oder ähnlich lauteten die Einwände. Aber wer sagt denn, dass es eine solche Regel gibt? Für mich zählt die Musik. Und die braucht bei „Urban Shadow“ weder mich noch irgendeinen anderen Schlagzeuger. Das ist ein ganz kurzes, sehr ruhiges und emotionales Stück Musik. Hätte ich mit dem Besen spielen sollen, nur damit ich, der Bandleader und Komponist, irgendwie dabei bin? Nein. Als die Band angefangen hat, dieses Stück zu proben, saß ich noch im Kontrollraum. Schon nach ein paar Tönen wusste ich, dass das Stück so und nicht anders klingen soll.

Ein guter Schlagzeuger weiß, wann er überflüssig ist?

Ein guter Musiker sollte sich der Musik nicht aufzwingen. Er sollte sich einfügen, der Musik unterordnen. Für Schlagzeuger gilt dies besonders.

Im Studio und auf der Bühne haben Sie schon für die Dire Straits, Sting, Peter Gabriel und unzählige andere gearbeitet. Haben diese Erfahrungen  im Pop- und Rockbereich auf Ihre eigene Musik abgefärbt?

Harmonisch und atmosphärisch hat meine Musik natürlich nichts mit Pop oder Rock zu tun. Da komme ich aus dem Jazz. Allerdings sind meine Stücke wie Pop-Songs aufgebaut. Das ist die Form, die mir aus meinen 20 Jahren als Studio- und Session-Musiker am besten vertraut ist. Ich schreibe, wenn Sie so wollen, instrumentale Pop-Songs, die wir dann wie Jazz behandeln. Allerdings bleiben ich und meine Musiker viel näher an den Melodien und Themen dran als viele andere Jazzaufnahmen. Jedenfalls geht es uns nicht darum zu zeigen, wie toll wir als Solisten sind.

Sie spielen mit Jan Garbarek, der exemplarisch für den Wahlspruch des Münchner ECM-Labels vom „schönsten Klang neben der Stille“ steht. Sie haben aber auch schon mit dem Gitarren-Shredder Joe Satriani ein Album aufgenommen. Ist das nicht so, wie wenn ein  Balletttänzer auch als Gewichtheber Erfolg hätte? 

Natürlich sind das musikalisch zwei verschiedene Kontinente. Vor allem, was die Lautstärke betrifft. Aber wenn Sie die Platten vergleichen, werden Sie feststellen, dass ich bei Satriani ganz ähnliche Sachen spiele wie mit Jan Garbarek. Jedenfalls musste ich meinen Stil für keinen der beiden radikal ändern oder mich neu erfinden. Das bin jedes Mal ich.

Was also macht Ihren Schlagzeug-Stil aus?

Ich glaube, dass ich bestimmte Sachen anders spiele als meine Kollegen. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich von meiner Ausbildung her eigentlich kein Schlagzeuger, sondern klassischer Perkussionist bin, der allerdings auch mit afrikanischer Musik groß geworden ist – nicht zuletzt weil meine Familie ursprünglich von der Elfenbeinküste stammt. Irgendwann habe ich dann den Jazz für mich entdeckt, jahrelang aber vor allem als Sessionmusiker im Pop- und Rockbereich gearbeitet. Bei Sting und Peter Gabriel galt ich immer als der Rock-Schlagzeuger mit der Einstellung eines Jazzers. Heute sagen die Leute, ich sei ein Jazzschlagzeuger, der vom Rock her kommt. Wahrscheinlich bin ich einfach nur vielseitig.

Wie kamen Sie und Jan Garbarek eigentlich zusammen?

Das verdanke ich Manfred Eicher, dem Chef und Produzenten von ECM. Er hörte eines Tages im Autoradio „Somewhere Down The Crazy River“ von Robbie Robertson. Er hat sofort angehalten, weil ihm mein Schlagzeug darauf so gut gefallen hat und weil er den Song in aller Ruhe zu Ende hören wollte. Am nächsten Tag ist er in den Plattenladen gegangen und hat sich das Album besorgt. Er wollte wissen, wen er da am Schlagzeug gehört hatte. Dann hat er  Jan Garbarek angerufen: Er solle sich unbedingt dieses Album von Robbie Robertson anhören, weil der Schlagzeuger was für seine Gruppe sein könne.

Was glauben Sie hat Manfred Eicher an Ihrem Spiel gefallen?

Dieser Song mit Robbie Robertson ist aus einem Jam heraus entstanden. Es war eine dieser typischen Situationen im Studio: Robbie ging noch einmal über seinen Songtext drüber, die einen ruhten sich aus, die anderen probierten irgendwas auf ihren Instrumenten aus. So wie ich am Schlagzeug. Kaum hatte ich diesen Groove entdeckt, hörte ich durch den Kopfhörer: Spiel weiter, wir nehmen dich gerade auf! Daraus wurde dann „Somwhere Down The Crazy River“. Ich glaube, dass Manfred Eicher gespürt hat, dass der Song aus einer Schlagzeug-Improvisation  heraus entstanden ist. Jedenfalls hat er mir später mal erklärt, dass er die Essenz des Songs in meinem Spiel gehört habe. Deswegen sei ich für ihn als Schlagzeuger von Jan Garbarek in Frage gekommen.

Auf Ihren mittlerweile drei ECM-Alben ist Manfred Eicher auch Ihr Produzent. Was schätzen Sie an ihm?

Er hat unglaublich wache Ohren. Und er liegt immer richtig mit seinen Vorschlägen und Entscheidungen: Wenn er sagt, dieser Take und kein anderer ist es, dann hat er letztlich immer recht. So war es jedenfalls von Anfang an bei meinen Alben.

Auf welchen Rock- und Pop-Song, an dem Sie beteiligt waren, sind Sie am meisten stolz?

Auf Peter Gabriels „Sledgehammer“. Ein Riesenhit, auch wenn er damals gar nicht so in das etablierte Muster eines Rock- oder Pop-Hits passte. Die Aufnahmen für das Album „So“ dauerten ewig. Aber für „Sledgehammer“ haben wir nur drei Takes gebraucht. Vielleicht weil wir danach gleich zum Flughafen mussten!

Interview: Claus Lochbihler

Aktuelle CD:
Manu Katché: Third Round (ECM)

Manu Katché auf Tour:
27.05.2010 Berlin (Deutschland), babylon berlin:mitte
28.05.2010 Dortmund (Deutschland), Domicil
29.05.2010 Hamburg (Deutschland), Elb-Jazz
10.08.2010 Würzburg (Deutschland), Hafensommer
11.08.2010 Oestrich-Winkel (Deutschland), Rheingau Festival
12.08.2010 Jena (Deutschland), Kulturarena
13.08.2010 Kassel (Deutschland), Kulturzelt
14.08.2010 Elmau (Deutschland), Schloss Elmau

Weitere Tour-Termine unter:
http://www.jazzecho.de/manukatche/konzerte/

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