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Bayreuth (ddp-bay). Genau zwei Monate ist es her, dass in Bayreuth die letzte Vorstellung über die Bühne ging. Nach Katharina Wagners heiß diskutiertem Regiedebüt mit den «Meistersingern» war wieder Ruhe eingekehrt in die mächtige Festspiel-Trutzburg. Jetzt ist das Ringen um die Führung auf dem Grünen Hügel erneut in Gang gekommen, melden sich Vertreter aus Kultur und Politik zu Wort.
Der Grund: Am 6. November tagt der Stiftungsrat der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele.Sein Vorsitzender, Toni Schmid aus dem bayerischen Kunstministerium, hatte zwar mehrfach betont, man wolle sich mit der Nachfolge Wolfgang Wagners nicht befassen, doch bei einer reinen Routinesitzung wird es wohl kaum bleiben. Nicht nur die Cousinen Nike Wagner und Eva Wagner-Pasquier hatten ihren Anspruch auf die Leitung der Festspiele erneuert. Auch der Ehrenpräsident der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Edgar Hilger, meldete sich jetzt in ungewöhnlich scharfer Weise zu Wort. In einem Interview mit der Illustrierten «Bunte» sagte er: «Wenn Bayreuth nicht bald einen neuen Festspielleiter bekommt, fürchte ich um diese Kulturinstitution von Weltrang.»
Tatsache ist: Komponisten-Enkel Wolfgang Wagner hat einen Vertrag auf Lebenszeit. Obwohl gesundheitlich stark angeschlagen, denkt der inzwischen 88-Jährige nicht an Rücktritt. Es sei denn, der Stiftungsrat würde sich für seine jüngste Tochter Katharina entscheiden. Bereits 2001 hatte sich das Gremium, das sich aus Vertretern des Bundes, des Landes Bayern, der Stadt Bayreuth, der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, der Familie Wagner und weiterer Organisationen zusammensetzt, für Eva Wagner-Pasquier ausgesprochen. Prinzipal Wolfgang Wagner stellte sich quer, trat vom Rücktrittsangebot zurück. Daraufhin wollte auch seine Tochter aus erster Ehe nicht mehr zur Verfügung stehen.
Inzwischen haben sich die Wagner-Sprösslinge erneut ins Spiel gebracht, unterschiedliche Führungskombinationen angekündigt. Die 29-jährige Katharina aus der Ehe mit Gudrun Mack ist die jüngste im Bunde. Schon vor ihrem Festspiel-Auftritt als Regisseurin hatte sie mit unzähligen Interviews eine beispiellose Offensive gestartet.
Jetzt möchte sie außerdem im Duo mit dem heimlichen Hügel-Generalmusikdirektor und Chef der Münchner Philharmoniker Christian Thielemann antreten.
Die 62-jährige Nike Wagner, Tochter Wieland Wagners und damit Nichte des derzeitigen Festspielchefs, ist auf Katharina nicht gut zu sprechen, kann sich allerdings vorstellen, mit ihrer gleichaltrigen Cousine Eva die Festspiele zu übernehmen. Auch für die ehemals erste Wahl des Stiftungsrats ist eine Zusammenarbeit mit Katharina undenkbar. Vielmehr empfahl Eva ihrer Halbschwester, weitere Erfahrungen zu sammeln.
In dieser Hinsicht hat die versierte Opernmanagerin die Nase vorn.
Seit Jahren zählt sie zum Leitungsteam der Festspiele in Aix-en-Provence. Eva hat ein Gespür für Sänger - und gerade das könnte man in Bayreuth gut gebrauchen. Auch die Literaturwissenschaftlerin und Dramaturgin Nike ist ins operative Festivalgeschäft eingestiegen. Sie leitet seit 2004 das Kunstfest Weimar.
Egal ob der Stiftungsrat nun am 6. November die Frage der Nachfolge tatsächlich angeht oder vertagt - die Situation ist vertrackt, dem entscheidenden Gremium sind die Hände gebunden. Der ewige Festspielchef wird nur weichen, wenn seine Wunschmaid das Rennen macht.