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Paavo Heininen. Foto: Saara Vuorjoki / Music Finland
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Bekannter Lehrer, unbekannter Komponist

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Paavo Heininen (1938–2022) – ein Porträt aus persönlicher Sicht
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„Wir sprechen natürlich deutsch.“ Mit diesen Worten begann meine erste Begegnung mit Paavo Heininen. Der Satz hallte lange nach. Das war nicht nur eine kommunikationstechnische Vereinbarung, sondern erschien mir wie eine programmatische Ansage: Die Verortung und Verwurzelung in der Tradition der deutschen (Nachkriegs-)Moderne war aus Heininens ästhetischem und kompositionstechnischem Ansatz nicht wegzudenken. Es verstand sich von selbst, dass er auch ein ausgesprochen gepflegtes und nuanciertes Deutsch beherrschte.

Dass Heininen nicht nur sprachlich, sondern auch stilistisch polyglott war, wusste ich allerdings bereits, als ich im Herbst 1998 sein Meisterstudent an der Sibelius-Akademie wurde. Meine erste Heininen-CD war die Aufnahme seiner Oper Silkkirumpu (Die Seidentrommel, 1981-83) mit dem vielsagenden Untertitel „Concerto for Singers, Players, Words, Images, Movements“. Ein Werk, das die Möglichkeiten des Musiktheaters rational und radikal auftrennt, neukombiniert und durchspielt. Dann die 2. Sinfonie und das 2. Klavierkonzert, zeitlos-brillant: eine Musik wie ein Designentwurf von Alvar Aalto. Die 40-minütige Klaviersonate „Poesia squillante et incandescente“, ein Amalgam französisch-finnisch-deutscher Pianistik von tiefer und zugleich spielerischer Komplexität, das zu den großen Klavierwerken des 20. Jahrhunderts gehört. Und schließlich die kühl-expressive 3. Sinfonie – woher kamen diese chamäleonhaften Wechsel?

Heininen gehörte zur ersten Generation finnischer Komponisten, die nicht mehr im Schatten von Sibelius, sondern sozusagen nur noch in dem von dessen Denkmal standen. Er trat mit den ersten großen Werken an die Öffentlichkeit, als das finnische Musikleben sich Ende der 1950er Jahre langsam aus lähmender Retrospektion herausschälte. Wie im Zeitraffer wurde im Nachkriegsfinnland die bis dahin wenig beachtete Zwischenkriegsmoderne, der Serialismus, die frühe elektronische Musik und die experimentelle Avantgarde nahezu gleichzeitig rezipiert, adaptiert und zum großen Teil auch bald wieder verlassen oder mit eigenen Zutaten zu einer idiosynkratischen Mischung verbunden.

Heininen debütierte auf dem Orchesterpodium mit der 1. Sinfonie (1958), einem der ersten umfangreicheren von der Dodekaphonie geprägten Werke in Finnland. Das Orchester war nicht in der Lage, die komplette Partitur aufzuführen, der Schock auf allen Seiten groß. Heininen galt fortan lange als enfant terrible und begann, in unterschiedlichen Sprachen zu komponieren und dem Publikum ab und an leichtere Kost zu servieren. Aber das Narrativ von der zwangsweisen Zurücknahme von Techniken und Klängen, die in Finnland noch nicht vermittelbar waren, greift zu kurz. Heininen war einer der letzten Schüler von Aarre Merikanto, seinerseits der vielleicht avancierteste Komponist jener übersehenen „goldenen Generation“ der 1920er Jahre, dessen vernichtetes 3. Violinkonzert er später „nachkomponierte“ (Tuuminki, 1993). Er setzte seine Studien bei äußerst gegensätzlichen Lehrern fort: in Köln bei Bernd Alois Zimmermann, in New York bei Vincent Persichetti, und auch bei Witold Lutosławski. Diese Bandbreite dürfte schon damals dem Wunsch gefolgt sein, sich nicht von stilistischen Scheuklappen einengen zu lassen, sondern sich einer Vielfalt von Einflüssen auszusetzen. Zimmermanns durch strikte Organisationsprinzipien mühevoll im Zaum gehaltene gedankliche Komplexität und Tiefe war wohl dennoch der im Kern prägendste Einfluss.

Dass Heininen in Finnland als Vertreter eines rigiden Modernismus galt, hatte vor allem mit dem dortigen konservativen Mainstream zu. Verglichen etwa mit den Historien- und Mythenopern eines Kokkonen oder Sallinen, die von den Jüngeren das Etikett „Pelzmützenopern“ angeheftet bekamen, musste vieles als avantgardistisch erscheinen, das im mitteleuropäischen Kontext unspektakulär erschien. Ironischerweise aber war es gerade dieser Generationskonflikt der späten 1970er, der zu Heininens internationalem Durchbruch beitrug – nicht so sehr als Komponist, sondern vielmehr als Kompositionslehrer. Nahezu alle Mitglieder jener Generation, die mit dem Ruf „korvat auki!“, Ohren auf!, einen ästhetischen Paradigmenwechsel einleitete und die heute mit Namen wie Kaija Saariaho oder Magnus Lindberg international für Finnlands Version der Moderne steht, haben bei Heininen studiert, und er prägte auch viele heute Dreißig- bis Fünfzigjährige. Ähnlich wie seinen Lehrer Zimmermann könnte man Heininen als „Ältesten einer jüngeren Generation“ bezeichnen; mit seinen Schülerinnen und Schülern verband ihn oft mehr als mit manchen seiner Altersgenossen. Nicht immer, so heißt es, waren diese Unterrichtsbeziehungen konfliktfrei, doch wenn man sich heute mit Heininen-Alumni unterhält, klingt Dankbarkeit an für das, was man bei ihm lernen konnte: Konsequente, kritische Technik im Umgang mit der Organisation von Material und Zeit, aber eben auch das Wissen um all die Möglichkeiten des kompositorischen „als ob“.

Dass der hochgebildete Heininen nicht nur rigide Ansprüche an sich und andere stellte, sondern auch ein selbstironischer Gesprächspartner sein konnte und ein warmherziger Mensch war, tritt hinter dem Bild vom strengen Lehrmeister oft zurück. Das nämlich ist die leise Tragik in dieser großen Komponistenpersönlichkeit – in gewisser Weise steht Heininen gleichsam im Schatten seiner Schülerinnen und Schüler. Programmhefttexten und Kurzbiographien ist er als „Lehrer von“ geläufig, aber seine Musik ist außerhalb Finnlands wenig bekannt. Doch viele seiner größeren Werke erlebten auch in seiner Heimat kaum mehr als eine Handvoll Aufführungen, obwohl er sich über Mangel an Auszeichnungen und Aufträgen nicht beklagen konnte: Heininens Werk gilt es, wie seltsam, immer noch oder überhaupt erst wirklich zu entdecken.

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