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Zwischen Strahlen und „blühendem Leid“ - Zum Tod des Heldentenors Peter Seiffert

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Gute Startbedingungen: hineingeboren in ein musisches Zuhause, dann hoher Wuchs, gute Figur, solide Ausbildung, daher ein gut fokussierter lyrischer Tenor, erste kleinere Rollen in der Deutschen Oper am Rhein ab 1978, im „Wildschütz“, in „Fra Diavolo“ oder „Zar und Zimmermann“. Für Seifferts junge Stimme kann bis heute hörenswert stehen: Welcher deutsche Tenor singt das heikle „Ingemisco“ in Verdis „Requiem“ derart erfüllt?

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Der fesche junge Mann fiel dann 1979 im Deutschen Musikwettbewerb, vor allem aber in der damals höchst populären Talentshow von Anneliese Rothenberger auf. Prompt folgten erste Gastengagements und dann holte ihn der 1981 nach Berlin berufene Götz Friedrich an die Deutsche Oper: ab 1982 im dortigen Ensemble Tamino, Don Ottavio, Lensky, Matteo oder der Hans, der die „Verkaufte Braut“ gewinnt – alles ein kluger Aufbau, ohne den noch nicht Dreißigjährigen, aber eben dieses Mannsbild mit der blendenden Bühnenerscheinung als „Helden“ zu missbrauchen. Da war zwar ein klarer, strahlkräftiger Tenor, aber einer, der erkannte, dass es ein leuchtendes Vorbild gab: Seiffert stand in diesen 1980er Jahren in genau jenen Rollen auf der Bühne, die der unvergessene Fritz Wunderlich gut zwanzig Jahre zuvor lange, lange gesungen hatte – und dazu befragt, sagte Seiffert: „Der Name Fritz Wunderlich bedeutet für mich eine ganz große Herausforderung im lyrischen deutschen Fach. Er hat etwas ganz Wichtiges geschafft. Zu seiner Zeit gab es ja diese typischen Mozart-Säusler, die alles ganz leicht, ganz süß gesungen haben. Das hat er vermännlicht, er war kein Säusler, sondern eine gesunde, kernige, männliche Stimme. Das war richtungsweisend – das war das Wichtigste – für mich.“ 

Diese kernige, männliche Stimme besaß Seiffert auch – verführerisch früh in Richtung „heldisches Fach“ weisend … und da hatte er erneut Glück, denn auch Münchens GMD Wolfgang Sawallisch setzte nicht auf eine schnelle Helden-Karriere: er ließ 1983 Seiffert als Fenton in den „Lustigen Weibern von Windsor“ debütieren, dann Lyrisches wie den Nureddin im „Barbier von Bagdad“ singen und nahm ihn später mit an die Mailänder Scala, in Mendelssohns „Lobgesang“. 

Ähnlich vokal klug wirkte der weitere Aufbau durch Götz Friedrich: auch er erkannte Seifferts Potential fürs schwere Heldenfach – ließ ihn aber als ersten Schritt ins Wagner-Repertoire „nur“ Erik im „Fliegenden Holländer“ singen. Das „Parsifal“-Debüt folgte für den dann 34-jährigen erst 1988 in Londons Covent Garden, wo Friedrich Chefregisseur war. 

Sawallisch betreute Seifferts ersten Lohengrin 1989 in München – und dann formte Friedrich Seifferts Berliner Lohengrin 1990 so sensationell, dass die Weltkarriere des nun Mittdreißigers begann. Als letzter „Ritterschlag“ muss aufgeführt werden: Seifferts strahlendes Debüt als Stolzing bei den Bayreuther Festspielen 1996 – damit stand der nun 42jährige in der ersten Reihe der damaligen Heldentenöre wie etwa Ben Heppner. Seifferts Weltkarriere folgte, nachzulesen in Sängerlexika und Fachzeitschriften.

Daneben erschienen auch schön bebilderte Home-Stories, denn von 1986 an war Seiffert mit dem fotogenen Sopran-Star Lucia Popp verheiratet. Diese künstlerisch aber vollkommen divergierende und wohlmöglich auch daher konfliktbeladene Beziehung endete endgültig unschön mit Skandalberichten in Boulevardblättern 1993. Zunächst unbeeinträchtigt ging aber Seifferts Heldentenor-Karriere zwischen Florestan, Tannhäuser ab 1999, Otello, Rienzi ab 2001 und schließlich Tristan 2006 unter Daniel Barenboim opernweltweit weiter. 2002 hatte er während seinen Lohengrin-Auftritten in Bayreuth die Elsa-Partnerin Anna-Maria Schnitzer kennengelernt und dann geheiratet.

In all diesen Jahrzehnten wurde von Seifferts Frohnatur berichtet, seiner unverstellten Zugänglichkeit für ein Gespräch oder einen Witz mit dem Inspizienten wie dem Bühnenarbeiter, fern allem „Star-Tenor-Tum“. Dazu passten gelegentliche Ausflüge des österreichischen und bayerischen Kammersängers ins Operettenfach, auch mit Ehefrau Schnitzer. Dem Vernehmen nach lebte er durchaus genussfreudig, bis vor etwa zehn Jahren von ersten Gesundheitsproblemen erzählt wurde. Er sang, unterbrochen von Absagen, in Abständen noch Florestan, Tannhäuser und Parsifal bis 2021. 

Ein schönes, jetzt wohl letztes Dokument zeigt ihn in einer seiner letzten Glanzpartien: als schön dunkel timbrierten Siegmund, diesen nach seiner Liebesnacht verschatteten Helden des „blühenden Leids“, in der 2017 von Vera Nemirova betreuten Rekonstruktion der „Walküre“ aus dem legendären „Karajan-Ring“ (Cmajor Bluray 742904) – und beim kritischen Zusehen fällt auf, dass sich Seiffert immer wieder hinsetzen muss – während vokal kaum Wünsche offenbleiben. Jetzt ist seine Stimme endgültig – „nach langer schwerer Krankheit“ des 71-jährigen – verstummt. Doch zahlreiche Aufnahmen lassen lebendig bleiben: seine kernig strahlende Heldentenorstimme. 

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