Der „Arbeitskreis Elementare Musikpädagogik an Ausbildungsinstituten in Deutschland“ (AEMP) widmet sich seit 1994 den Inhalten des Studienfaches Elementare Musikpädagogik (EMP) und deren organisatorischen und berufspolitischen Belangen. Die derzeit 46 Mitglieder sind Lehrende der EMP in Deutschland. Im Mittelpunkt der halbjährlich stattfindenden Tagungen stehen fachspezifische Diskussionen, neue Tendenzen des Lehrgebietes, Angleichung der Qualitätsstandards im Studium, hochschulpolitische Entwicklungen sowie die Darstellung des Faches in der Öffentlichkeit, etwa durch Symposien und Veröffentlichungen. Mit Barbara Metzger, Professorin für Elementare Musikpädagogik an der Hochschule für Musik Würzburg und seit 2005 Sprecherin des AEMP, sprach nmz-Chefredakteur Juan Martin Koch anlässlich des Ende April in Ochsenhausen stattfindenden AEMP-Symposiums.
neue musikzeitung: Was waren im Jahr 1994 die Gründe, den AEMP ins Leben zu rufen?
Barbara Metzger: Dieses ganz junge Fach hatte bis dahin keine gemeinsame Vertretung. Jeder war an seiner Hochschule mehr oder weniger Einzelkind, und wir hatten einfach das Grundbedürfnis, uns miteinander auszutauschen, sowohl inhaltlich als auch von den Prüfungsordnungen und von der gesamten Zielsetzung her.
nmz: War die Namensgebung damals eindeutig, war der Begriff Elementare Musikpädagogik schon so durchgesetzt, dass man sich darauf einigen konnte?
Metzger: Am Anfang trafen wir uns noch unter einem Konglomerat von EMP, AME (Allgemeine Musikerziehung), MGA (Musikalische Grundausbildung) oder MFE (Musikalische Früherziehung), und wir haben, wenn ich mich richtig erinnern kann, 1995 nach zwei Wochenenden schärfster Diskussion beschlossen, diesen Namen Elementare Musikpädagogik zu wählen, wohl wissend, dass der Begriff „elementar“ dadurch besetzt ist, dass das deutsche Bildungssystem diesen Elementarbereich kennt, der das Alter Null bis Sechs betrifft, und wohl wissend, dass er historisch betrachtet vieldeutig ist. Uns ist es wichtig, die elementare Begegnung mit Musik als grundlegend, schöpferisch, künstlerisch und immer am Menschen orientiert zu gestalten, wobei die Ausdrucksmittel Körper, Stimme, Instrument und Material produktiv oder reproduktiv zum Einsatz kommen und jeder Mensch in der Gruppe sich unabhängig von Alter oder Vorerfahrung einbringen kann.
nmz: Damals war das Fach jung und musste sich noch etablieren. Wie weit sind Sie damit seitdem gekommen?
Metzger: Soweit ich das beurteilen kann, hat sich sowohl der Begriff als auch unser Hintergrund, unser Gedankengut, sehr stark in Deutschland verbreitet. Ich komme gerade aus Bonn, vom Eltern-Kind-Gipfel des VdM, auch hier begegnete mir das Wort Elementare Musikpädagogik ganz oft, und zwar wirklich als eine Metaebene, eine Zusammenfassung des Bemühens um das aktive Musizieren mit unterschiedlichsten Zielgruppen in adäquater Qualität.
nmz: Zunächst einmal zu dem, was man studieren kann: Wie viele Studierende der EMP gibt es eigentlich, wo liegen die Berufsfelder?
Metzger: Im Moment gibt es 32 Institute, die in diesem Arbeitskreis zusammengefasst sind, also Hochschulen und manchmal auch Universitäten, in denen das Fach EMP als Hauptfach unterrichtet wird. Im Schnitt werden an den Instituten zwischen 20 und 50 Studierende ausgebildet, so dass wohl etwa 700 in dem Fachbereich studieren. Das ist aber nur eine Schätzung. Was die Berufsfelder angeht, so sind diese sehr groß und wachsen, sind aber davon abhängig, wie sich die Finanzierung entwickelt. Der Berufsbereich Musikschule entwickelt sich weiter, weil der Komplex des Eltern-Kind-Musizierens von den Musikschulen nun endlich wirklich adaptiert ist. Nach wie vor sehr wichtig ist der Bereich der Vier- bis Sechsjährigen, also die Musikalische Früherziehung, ebenso die Felder Instrumentenkarussell, Orientierungsstufe et cetera. Prädestiniert sind unsere Studierenden außerdem im Bereich des Anfänger-Instrumentalunterrichts, denn sie alle haben ja mindestens im Zusatzfach oder sogar im Hauptfach ein Instrument studiert. Der Bereich des Seniorenmusizierens ist ein ganz neues Gebiet für uns, und da ist eben die große Frage: Wer wird da in Zukunft zahlen? Hinzu kommen Projekte wie „Jedem Kind ein Instrument“ oder, von den Chorvereinen ausgehend, „Tonis Liedergarten“. All diese Initiativen, die darauf abzielen, Menschen in Deutschland wieder intensiv an das musikalisch aktive Tun heranzubringen, sind Aufgabenfelder, die unsere Elementarpädagogen sehr ansprechen.
nmz: Und wissen die potenziellen Arbeitgeber, dass es diese dafür gut ausgebildeten Menschen gibt? Hat sich das schon so weit herumgesprochen?
Metzger: Ich denke schon. Die Musikschulen, die Kindertagesstätten legen großen Wert auf ausgebildete Musikpädagogen im Grundstufenbereich. Musikpädagogische Großprojekte wie die oben erwähnten benötigen professionell ausgebildete Fachkräfte, deren Aufgabe vor allem in der Qualitätssicherung liegt, außerdem sind viele unserer Alsoventen auch freiberuflich tätig, unter anderem in der Erzieher- und Lehrer-Fortbildung. Hier ist ein großer Bedarf an Fort- und Weiterbildungen im Fach EMP zu beobachten, beispielsweise für Instrumentalpädagogen, die in ihrer Ausbildung keinen Einblick in elementares Musizieren und Gruppenunterricht erhalten haben.
nmz: Gibt es dafür eine zentrale Anlaufstelle oder muss sich ein Interessent für eine Fortbildung bei einzelnen Akademien und Fortbildungsinstituten selbst umsehen?
Metzger: Eine Zentrale gibt es bisher nicht, doch in vielen Bundesländern werden ganze Fortbildungsreihen angeboten, vom VdM im Landesverband Rheinland-Pfalz etwa oder von der Bundesakademie in Trossingen. Zu nennen wäre außerdem der gesamte Komplex der Orff-Schulwerk-Gesellschaft. Es ist im Moment also alles auf die Anbieter verteilt. Das ist vielleicht insofern auch ganz schön, weil wir dadurch merken, dass die Prinzipien des Elementaren Musizierens eigentlich viel wichtiger sind als den 27. Verein oder die 29. Bildungsinstitution aufzubauen. Entscheidend ist, dass sich die Prinzipien, dieser Nerv des elementaren Musizierens sehr stark herumsprechen.
nmz: Denkbar wäre aber, dass bestimmte Anbieter eine Art Qualitätssiegel des AEMP erhalten würden, die man dann auf Ihrer Webseite gesammelt finden würde.
DMetzger: as ist etwas, was anzustreben ist. Obwohl wir jetzt seit 14 Jahren Aufbauarbeit betreiben für das Fach, ist einfach noch unendlich viel zu tun. Die Pädagogen sind nicht unbedingt Marketing-Profis … Unser Anliegen ist es, die Idee und den Ansatz unter die Menschen zu bringen, und wenn das gelungen ist, können wir das Marketing nachsetzen.
nmz: Noch einmal zurück zum Studium: Wie steht es mit der Verbindung zu anderen Ausbildungszweigen, etwa den zunehmend auch universitär angebotenen Frühpädagogik-Studiengängen. Sollte da nicht eng zusammengearbeitet werden?
Metzger: Mit Sicherheit, aber die Hochschulen fangen eben erst jetzt im Sinne der Modularisierung an, fach- und institutsübergreifend zu denken und zu handeln. Es wurden zum Beispiel bisher keinerlei Ausbildungsgänge oder Veranstaltungen von Musikhochschulen an Unis anerkannt. Oder auch in der Zusammenarbeit mit Fachschulen für Sozialpädagogik: Wir konnten bisher nichts gegenseitig anerkennen. Es wäre wünschenswert, wenn wir da in Zukunft eine Öffnung anbieten könnten von der Hochschulseite aus.
nmz: Wie steht es mit dem Bereich Rhythmik? Da gibt es ja viele Gemeinsamkeiten.
Metzger: Die Rhythmik ist bei uns schon allein deswegen stark vertreten, weil wir in Personalunion im AEMP etwa zwölf ausgebildete Rhythmiker haben und umgekehrt im Arbeitskreis Rhythmik vier Menschen gleichzeitig unseren Bereich vertreten. Wir sind auch schon in informellen Gesprächen dabei, diese manchmal durchscheinenden Gegensätzlichkeiten so zu verbinden, dass wir – ich drücke mich jetzt noch vorsichtig aus – vielleicht eines Tages einen gemeinsamen Berufsverband aufbauen könnten, aber das ist jetzt wirklich noch Zukunftsmusik.
nmz: Ist man schon so weit, dass man sagen kann: Es gibt ein klar abgegrenztes Berufsbild, wo es Sinn machen würde, einen solchen Berufsverband zu gründen?
Metzger: Dieses Berufsfeld ist eigentlich bereits ein gemeinsames. Die informellen Vorgespräche laufen, Ergebnisse kann ich noch keine vermelden, aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass von beiden Fachvertretungen Rhythmik und EMP ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit besteht, ohne jetzt das eine oder andere in seiner Eigenheit zu verwässern.
nmz: Sie haben neue Adressatenkreise angesprochen, zum einen Eltern-Kind-Gruppen, zum Teil auch schon die werdenden Mütter, auf der anderen Seite die „Generation 50 plus“. Besteht die Gefahr, dass hier schnell Rezeptbücher auf den Markt kommen, die sagen: So und so arbeitet man mit diesen Gruppen, mit einfach nachzumachenden Beispielen?
Metzger: Menschen, die EMP studiert haben, sind generell in der Lage, selbständig Konzepte so zu gestalten, dass sie wirklich auf die einzelnen Zielgruppen reagieren können. Das heißt, die Konzepte, die es im Moment auf dem Markt gibt, sind eigentlich für diejenigen gedacht, die fachfremd unterrichten, also keine entsprechende Ausbildung haben. Trotzdem würde ich mir aber auch als ausgebildete „EMPlerin“ immer wieder Ideen und neue Inhalte aus solchen Konzepten herausgreifen.
nmz: Zum Schluss noch ein Blick auf die konkrete Arbeitsweise des Arbeitskreises. Er trifft sich zweimal im Jahr intern, tritt aber auch mit einer Webseite, Buchpublikationen und Kongressen an die Öffentlichkeit, aktuell Ende April in Ochsenhausen zum Thema Elementares Musizieren und EMP in der Schule (siehe nmz 3/08, S. 28). Der Weg an die Schulen erschließt sich ja nicht automatisch für die EMP. Wo sind die Berührungspunkte?
Metzger: Auch die Musikpädagogik der Schulmusikausrichtung nimmt inzwischen Kenntnis von der EMP. Und im Zuge der Modularisierung kann man jetzt auch darüber nachdenken, wie Musikhochschulen, Universitäten und so weiter stärker ineinander greifen könnten, etwa durch die gegenseitige Anerkennung von Leistungsnachweisen. Und das andere Standbein für dieses Thema ist, dass wir ja durch die kommende Ganztagsschule verstärkt mit Kooperationen zwischen den allgemein bildenden Schulen und den Musikschulen zu tun haben.
nmz: Wo die Lehrkräfte auf eine ganz andere Situation treffen als in der Musikschule, aufgrund größerer Gruppen und ganz anderer Motivationslagen.
Metzger: Genau darauf haben wir schon in der Ausbildung einen Blick und machen unsere Absolventen auch fähig für solche Aufgaben. Und das ist eigentlich im Sinne des elementaren Musizierens wieder sehr schön, denn jetzt treffen wir nicht nur auf die Kinder, die im Kindergarten oder in der Musikschule bewusst gefördert werden, mit einem Extra-Interesse der Eltern, sondern wir haben vielleicht die Chance, unsere Elementar-Idee an alle Menschen heranzubringen.
• J. Ribke: Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept, Regensburg 1995
• J. Ribke/M. Dartsch (Hg.): Facetten Elementarer Musikpädagogik. Erfahrungen – Verbindungen – Hintergründe, Regensburg 2002
• J. Ribke/M. Dartsch (Hg.): Gestaltungsprozesse erfahren – lernen – lehren. Texte und Materialien zur Elementaren Musikpädagogik, Regensburg 2004Das 3. Symposium des AEMP und der Kongress „Musik bewegt Kinder. Perspektiven – Modelle – Ansätze“ finden vom 25. bis 27. April 2008 in der Landesakademie Ochsenhausen statt. www.landesakademie-ochsenhausen.de; www.aemp.de