Schauplatz: die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung im idyllischen Trossingen. Im Kammermusiksaal übt ein Klaviertrio, nebenan feilt ein Holzbläserquintett an einem Sept-Akkord und aus dem großen Saal erklingt zeitgenössisches Klaviergehämmer. Ein Fagottist irrt samt Instrument durch die Gänge und fragt: „Hat jemand ’ne Ahnung, wo heute Ho3 geprobt wird?“
Schauplatz: die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung im idyllischen Trossingen. Im Kammermusiksaal übt ein Klaviertrio, nebenan feilt ein Holzbläserquintett an einem Sept-Akkord und aus dem großen Saal erklingt zeitgenössisches Klaviergehämmer. Ein Fagottist irrt samt Instrument durch die Gänge und fragt: „Hat jemand ’ne Ahnung, wo heute Ho3 geprobt wird?“Wo sind wir denn hier gelandet? Der alljährlich stattfindende Kammermusikkurs des Deutschen Musikrates hatte in diesem Jahr rund 40 junge Musikerinnen und Musiker im Alter zwischen 12 und 21 Jahren aus dem gesamten Bundesgebiet und von der Deutschen Schule in Istanbul zum gemeinsamen Musizieren in der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen zusammengeführt. Unter der künstlerischen Leitung von Inge-Susann Römhild von der Musikhochschule in Lübeck und einem namhaften Dozententeam, bestehend aus Hochschulprofessoren und Orchestermusikern, wurden vom 26. August bis 9. September 2001 Kammermusikwerke von Mozart über Beethoven und Dvorák bis hin zu Henze und Prokofieff einstudiert. Ein besonderes Schmankerl des Kurses: der Komponist Benjamin Schweitzer aus Dresden erarbeitete mit drei Ensembles eigene Werke. Eines davon wurde im Rahmen der Abschlusskonzerte in Freiburg uraufgeführt. Eine umfangreiche Literaturliste war im Vorfeld von den Dozenten und der Leitungsgruppe vorgeschlagen worden. Bei ihrer Anmeldung konnten die Musiker Wünsche angeben, die die Leitung bei der Einteilung der insgesamt 24 Ensembles nach Möglichkeit berücksichtigte.In der Regel wirkte jeder Teilnehmer dann in zwei verschiedenen Werken mit, an denen jeweils eineinhalb Stunden pro Tag gearbeitet wurde. Die restliche Zeit stand den Teilnehmern zur freien Verfügung, so dass die einzelnen Gruppen auch ohne Dozenten an ihrem Werk proben konnten und jeder genügend Zeit zum individuellen Üben hatte.
Da sich die meisten Teilnehmer vorher nicht kannten und somit keine gemeinsamen Proben vor Kursbeginn abgehalten werden konnten, war die intensive Vorbereitung der Stücke eines jeden einzelnen Teilnehmers selbstverständliche Voraussetzung, um direkt mit der Ensemblearbeit beginnen zu können. Außerdem ergaben sich einige spontane Kammermusikgruppen, die oft noch bis spät in die Nacht „just for fun“ gemeinsam musizierten. Dies ist nicht zuletzt der bestens bestückten Bibliothek der Bundesakademie zu verdanken, die für beinahe jede Besetzung Notenmaterial bereithält.
Welche Schwierigkeiten beispielsweise beim Zusammenspiel als Bläseroktett auftreten können, bekamen die Musiker, die in Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade c-Moll mitwirkten, sehr bald zu spüren. Unter Leitung von Martin Spangenberg (München/Weimar) arbeiteten sie an diesem Werk. Mal waren die Hörner zu präsent, dann hatten die Klarinetten zu wenig Energie, das nächste Mal waren die Fagotte zu leise – einen gemeinsamen Ensembleklang zu finden war gar nicht so einfach und es erforderte vor allem zweierlei: aufeinander Hören und aufeinander Eingehen. Auch bei ganz anders besetzten Ensembles war dies der Hauptinhalt der Probenarbeit: In der Romanze des Streichquartettes Es-Dur von Antonín Dvorák (unter Anleitung von Claude Starck, Zürich und Sebastian Hamann, Marburg/Frankfurt a.M.) zeigte sich, dass, abgesehen von technischer Perfektion, auch das gemeinsame Atmen und Fühlen der Tempi für das harmonische Zusammenspiel unerlässlich sind.
Für eine eher exotische Besetzung hatte Hindemith seine Kammermusik Nr. 1 konzipiert: neben Streichern, Bläsern und Klavier wirkte hier auch ein Akkordeon sowie Schlagwerk mit. Hier gab es auch außermusikalische Schwierigkeiten zu meistern. Da das Akkordeon etwas tiefer als Klavier und Xylophon gestimmt war, mussten bei der Intonation Kompromisse eingegangen werden. Neben der musikalischen Probenarbeit hatte die Leitungsgruppe und das Dozententeam ein kleines Rahmenprogramm für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammengestellt.
So stand die Dispokinese-Expertin und Bewegungspädagogin Alexandra Müller (Berlin) den Teilnehmern mit Rat und Tat zur Seite. Denn intensive Probenarbeit, wie sie in dem Kurs praktiziert wurde, kann zu Verspannungen und Fehlhaltungen führen. Neben Einzelberatungen zu instrumentenspezifischer Körperhaltung gab es täglich eine Stunde Entspannungs-, Lockerungs- und Dehnungsübungen für die gesamte Gruppe. An einem Abend stand ein Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema „Das Arbeitsfeld eines Komponisten in der heutigen Zeit“ mit Benjamin Schweitzer auf dem Programm.
Zeit zum Gedankenaustausch bestand bei diesem dicht gedrängten Tagesprogramm deshalb erst zu nächtlicher Stunde. Und wer noch nicht völlig ausgelaugt war, konnte sich im Tischfußball und Tischtennis-Rundlauf mit den Dozenten messen. Dass ein solcher Kammermusikkurs aber nicht nur zum gemeinsamen Musizieren und Arbeiten da ist, bewiesen mit Ausdauer die Teilnehmer – und ab und zu auch die Dozenten – beim allabendlichen Zusammensitzen im Foyer der Bundesakademie.
Hier hatte man Gelegenheit, sich gegenseitig im Gespräch näher kennen zu lernen. Zum Beispiel erfuhren hier die Teilnehmer einiges über die musikalischen Anfänge der Dozenten, die teilweise sogar selbst Teilnehmer beim Deutschen Kammermusikkurs gewesen waren! Des Weiteren gehörte bald zum täglichen Ritual die Gruppen-Bestellung beim Trossinger Pizza-Service und die „Band“, die sich jeden Abend neu formierte und im Keller für Kontrast-Sound sorgte.
Die meiste Ausdauer aber bewiesen mal wieder die Mädchen: Gerüchte sprechen von Tee-Parties – Tauchsieder-sei-Dank – auf dem Zimmer bis morgens um 6... Am Ende des 14-tägigen Kurses standen drei Abschlusskonzerte – in Trossingen, Calw und Schloss Ebnet bei Freiburg – auf dem Programm, in denen die Teilnehmer der Öffentlichkeit die Ergebnisse ihrer Probenarbeit präsentierten.