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Ausbeutung ist wieder akzeptiert

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Ein Interview mit dem neuen Vorsitzenden des Landesverbandes Berlin, Detlef Bensmann
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neue musikzeitung: Sie sind am 29. Oktober 2019 zum neuen Vorsitzenden des LV Berlin gewählt worden. Wie lange sind Sie mit dem DTKV Berlin verbunden?

Detlef Bensmann: Etwa seit Mitte der 1980er-Jahre – zunächst über das Studio Neue Musik und andere Projekte in enger Zusammenarbeit mit Dietrich Erdmann.

nmz: Als Saxophonist sind Sie als Solist und Vertreter der klassischen Sax-Literatur sowie auch als Lehrer an verschiedenen Institutionen tätig …

Bensmann: Meine Karriere als Saxophonsolist begann bereits zu Beginn meines Hauptstudiums an der HdK, die inzwischen zur UdK aufgewertet wurde. Mit dem Saxophonkonzert Alexander Glasunows und der Rhapsodie Claude Debussys debütierte ich im Oktober 1980 mit dem DSO in der Berliner Philharmonie in der Reihe „RIAS stellt vor“, Vorläufer von „Debut im DeutschlandRadio“. Parallel dazu produzierten wir eine Schallplatte mit „Virtuosen Saxophonkonzerten“, der bis heute an die 50 Schallplatten und CDs folgten, die einen Teil der über 20 für mich komponierten Saxophonkonzerte, darunter auch zwei von Dietrich Erdmann, und über 100 für mich und meine Kammermusikensembles komponierten Solo- und Kammermusikwerke dokumentieren.
Dass ich als Solist in die Künstlerliste des Deutschen Musikrats aufgenommen wurde, half dabei sehr. Parallel dazu erhielt ich noch vor meinem Konzertexamen ein Deputat an der UdK, später ergänzend an der HfM „Hanns Eisler“ und an anderen Institutionen, und ich reüssierte international auch als Komponist. Unter meinen Alumni finden sich Professoren in den USA, Mazedonien und China.

nmz: Wenn wir in die Geschichte des DTKV zurückblicken, ging es dem Musikerverband von Anfang an in erster Linie um die Sicherung der Qualität – also um gute Ausbildung und folgerichtig um die Anerkennung der Leis­tung von Berufsmusikern auf der Bühne und im Lehrberuf. Das Hauptziel des Verbandes sollte die Erhöhung der gesellschaftlichen Wertschätzung sein, die sich dadurch auch in angemessenen Honoraren widerspiegelt.

Bensmann: Letzteres versuchen wir in Berlin im Konzert mit dem Landesmusikrat, der DOV und der GEW zu erreichen. Die Ausbildung von Instrumental- und Gesangspädagogen hat sich in den vergangenen 35 Jahren stark verbessert. Die Einsparmaßnahmen der „öffentlichen Hand“ haben Deutschland als „Musiknation“ schwer beschädigt. Seit einigen Jahren wird mit Projekten wie „Jedem Kind ein Instrument“ und „Education-Programmen“ von Orchestern und Opernhäusern auch in Berlin daran gearbeitet, die Schäden wiedergutzumachen.
Das Bewusstsein, dass der Musikerberuf in allen Facetten auch finanziell interessant sein muss, damit junge Menschen bereit sind, ihre Begabung zum Beruf zu machen, ist in der Politik auch langsam angekommen, wie auch das Bewusstsein, dass Musik und Kunst in den Schulen dazu beitragen können, der Verrohung der Gesellschaft entgegen zu wirken. Ich sehe uns da auf einem guten Weg, auf dem wir aber nicht nachlassen dürfen.

nmz: Der Berliner LV hat sich über Jahrzehnte einen Namen gemacht durch die Förderung vor allem junger Musiker ( man denke an die Gründung von „Jugend musiziert“), Schülerkonzerte mit begabten Jungmusikern von DTKV- Mitgliedern, mit Dozentenkonzerte, Tonkünstlerkonzerte, in denen sich Mitglieder als Solisten oder Komponisten vorstellten. Wird es möglich sein, diese Reihen fortzuführen, oder sogar zu erweitern?

Bensmann: Ich trete dafür ein, diese Reihen fortzuführen und zu erweitern. Im Sommer erwartet uns das 49. Tonkünstlerkonzert und in der zweiten Jahreshälfte das Jubiläumskonzert, welches wir als „Tonkünstlerfest“ in großem Rahmen begehen möchten, in dem die Vielfalt der Arbeit unserer Mitglieder präsentiert wir. Es gibt in unserem Verband aber auch Mitglieder, die vehement dafür eintreten, alle bestehenden Reihen zu beenden, ohne Alternativen zu benennen.
Sie argumentieren, das Studio Neue Musik, die Tonkünstlerkonzerte oder das Podium junger Künstler „bedienen“ nur eine kleine Zahl von Mitgliedern ohne große Außenwirkung und seien daher für die anderen Mitglieder, mit deren Beiträgen diese finanziert würden, nicht interessant.
Dass diese Kolleginnen und Kollegen argumentieren wie die Politiker, die den Kunstbetrieb mit fatalen Folgen immer weiter privatisieren wollen, und somit am Ast sägen, auf dem sie sitzen, ist ihnen ebensowenig bewusst wie die Tatsache, dass sie Mitglieder auf diese Weise nicht ermuntern, aktiv die Arbeit des DTKV mit Konzerten oder AGs zu bereichern, sondern zum Austritt bewegen, weil sie eine Lähmung des Verbandes sehen. Ich sehe meine Aufgabe darin, den Verband zu einen und neue interessante Projekte wie Neue Musik für, von und mit Kindern auch in Schulen voranzubringen.

nmz: Wir können immer deutlicher beobachten, dass ein Großteil der Musiker inzwischen zu sogenannten „Patchwork“-Arbeitern geworden sind, weil sie mit einer Position nicht ausreichend ausgelastet sind, das ist ja nicht gerade qualitätsteigernd, oder?

Bensmann: Ausreichend ausgelastet wären sie schon, aber finanziell reicht es nicht. Ausbeutung ist seit den politischen Veränderungen unter Helmut Kohl und dann unter Gerhard Schröder als Kanzler wieder akzeptiert. Studien haben ergeben, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland so weit auseinander gegangen ist wie seit über hundert Jahren nicht mehr.

nmz: Der DTKV-Berlin besteht zur Zeit aus zirka 450 Mitgliedern, eine große Anzahl sind lehrend tätig. Was erwarten die Mitglieder vom neugewählten Vorsitzenden? Und wie können Sie die Verbindung aufnehmen, um mit möglichst vielen Leuten in Kontakt zu treten?

Bensmann: Sie erwarten von mir, dass ich mich für die finanzielle Verbesserung der Lehrenden sowohl an Hochschulen wie an staatlichen Musikschulen als auch im privaten Bereich einsetze sowie auch dafür, dass mehr feste Stellen eingerichtet werden. Gemeinsam mit den erwähnten Institutionen und den Lehrbeauftragtenvertretungen besuchen wir verantwortliche Politiker. Dies steht für mich für die kommenden Wochen auf dem Programm. Dabei werde ich versuchen, Mitglieder außerhalb des erweiterten Vorstands einzubeziehen. Abgesehen von Informationsschreiben über unsere Arbeit, beabsichtige ich, Stammtische und AG-Treffen von Zeit zu Zeit zu besuchen, um themenbezogen mit Mitgliedern ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Strategien zu entwickeln, die dann vor allem die Mitglieder realisieren sollen.

Das Interview mit Detlef Bensmann führte Adelheid Krause-Pichler.

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