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Das Musikleben ins Ländliche tragen

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Zum Tod des Pianisten, Festivalleiters, Pädagogen und Musikwissenschaftlers Bernhard Böttner
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Am 12. August 2013 verstarb Prof. Bernhard Böttner im Alter von 89 Jahren. Auf besonderen Wunsch der Familie des Verstorbenen nahm der Musikhistoriker Dr. Raphael Woebs im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten eine Würdigung der beruflichen Lebensleistung seines Lehrers und Mentors vor.

Bernhard Böttner durfte im Jahr 2005 das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich für sein Gesamt-Lebenswerk entgegen nehmen. Es lassen sich vier Hauptaspekte seines beruflichen Wirkens herausarbeiten – zuallererst sein künstlerisches Wirken als Konzertpianist: Böttner war beim legendären Hermann Abendroth auch zum Dirigenten ausgebildet worden, doch er entschied sich 1947, nach einem aufsehenerregenden Pianistendebüt mit der Dresdner Staatskapelle unter dem Dirigat von Joseph Keilberth, für eine pianistische Laufbahn. Die prägende Ausbildung hierfür hatte er bei Günter Raphael erhalten, und sein besonderer Einsatz galt stets den Werken von im „Dritten Reich“ verfemten Komponisten sowie der zeitgenössischen Musik. Es folgten zahlreiche Auftritte als Solist der Berliner und Münchner Philharmoniker, des Gewandhausorchesters Leipzig, sowie fast aller deutscher Staats- und Rundfunk-Sinfonieorchester – mit Tourneen quer durch Europa, Schallplatten- und späteren TV-Aufnahmen.

Durch den Umzug nach Sommerhausen bildete sich der zweite Aspekt im beruflichen Wirken Bernhard Böttners heraus – sein kulturelles Engagement als Festivalleiter: Im Jahr 1964 rief Böttner das internationale Musikfest Sommerhausen Recital ins Leben. Die Grundidee dieses „non profit“ Festivals war es, das kulturelle Musikleben von Weltgeltung aus den Großstädten heraus in die ländlichen Gebiete der Gesellschaft zu tragen – eine kulturpolitische Idee, mit der Böttner seiner Zeit weit voraus war.

Es gelang ihm, Künstler von Weltruf zu gewinnen, welche auch schirmherrschaftliche Aufgaben übernahmen (u.a. Henryk Szeryng, Emil Gilels, Pierre Fournier, Maurizio Pollini). Eines der Hauptanliegen des Recitals war die Förderung des künstlerischen Nachwuchses. Dies ist für Böttner immer von größter Bedeutung gewesen und er konnte sich diesem Anliegen insbesondere in seiner Zeit als Pädagoge nachhaltig widmen – dem dritten Aspekt seiner Laufbahn: 1969 wurde Bernhard Böttner zum Professor für Klavier und schließlich zum Leiter des Musiklehrerseminars am Nürnberger Meistersinger Konservatorium berufen. Er bekleidete diese Ämter bis zu seiner Pensionierung und richtete während dieser Zeit die Fächer Musikphysiologie und Methodologie der Klaviertechnik neu ein.

Als anerkannter Stilistik-Experte publizierte er zahlreiche Artikel für die Fachpresse, nahm an wissenschaftlichen Podiumsdiskussionen teil und setzte sich dabei mit Fragen moderner Kompositionstechnik sowie deren klavierspezifischer Interpretation auseinander. Aus dieser Arbeit heraus entwickelte Böttner sein pädagogisches Haupt-Lehrwerk „Die pianistische Universaltechnik“, in dem er sich erstmalig auch aus medizinisch-physiologischer Sicht mit dem Spiel- und Bewegungsapparat des Instrumentalisten befasste.
 

Böttner hatte erkannt, dass durch eine unwissenschaftliche Pädagogik, die methodologisch alles im Diffusen lässt, zu viele physische Spielschäden bei den Studenten hervorgerufen wurden. Gegen diese „Genie-Pädagogik“ hat er sich stets verwahrt – die Pointe dabei: Böttner erhielt für besagtes Lehrwerk dann auch einen wissenschaftlichen Medizinerpreis.
Nicht zuletzt Alfred Brendel fand überaus lobende Worte für das Lehrbuch und schrieb, er habe durch dieses Buch erst verstanden, was er eigentlich auch in physiologischer Hinsicht leiste, wenn er Klavier spiele. Damit sind wir beim vierten Aspekt der beruflichen Lebensleistung Bernhard Böttners – seiner wissenschaftlichen Tätigkeit: Hier hat Böttner eine weitere bedeutende Veröffentlichung hinterlassen, seine „Große Genealogie der Pianistik“. Es handelt sich hierbei um einen internationalen Stammbaum der Lehrer-Schüler-Beziehungen in über 400 Jahren Klaviermusikgeschichte; und bis zum Jahr 1997 schaffte es Böttner, unglaubliche 1.047 Namen in eine Lehrer-Schüler-Abfolge mit ihren historischen Querverbindungen einzuordnen – eine herausragende wissenschaftliche Leistung.

Wir verlieren mit Bernhard Böttner nicht nur einen großen Künstler und einen großen Pädagogen, sondern vor allem einen großartigen Menschen.

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