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Freiheit und Wahrhaftigkeit

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Studiokonzert mit Charles Ives‘ zweiter Klaviersonate
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Trotz ihrer unbestrittenen Bedeutung für die Musikgeschichte ist Charles Ives‘ Musik hierzulande selten zu hören. Einzig „The Unanswered Question“, ein kleines, poetisches Orchesterstück von 1908, findet ab und zu den Weg in den Konzertsaal.

Trotz ihrer unbestrittenen Bedeutung für die Musikgeschichte ist Charles Ives‘ Musik hierzulande selten zu hören. Einzig „The Unanswered Question“, ein kleines, poetisches Orchesterstück von 1908, findet ab und zu den Weg in den Konzertsaal. Nun hat sich der Würzburger Pianist Armin Fuchs, bekannt als Spezialist für Neue Musik, Liedbegleitung und Kammermusik, dem Werk des 1874 geborenen US-Amerikaners gewidmet. Nur wenige Pianisten wagen sich an Ives‘ zweite Klaviersonate „Concord, Mass. 1840-1860“, ein anspruchsvolles, rund 50-minütiges Stück, das enorme Kondition, brillante Technik und unbestechlichen Durchblick erfordert. Dass das Konzert des Studios für Neue Musik über 60 Menschen in die Hochschule für Musik Würzburg lockte, spricht für Fuchs’ Ruf als facettenreicher, sensibler Künstler – und für einen ausgeprägten Hunger auf Ives‘ Musik.

Die Vielseitigkeit des 56-jährigen Fuchs kommt Ives’ Musikverständnis sehr entgegen. Der Amerikaner, in seinem Beruf als Versicherungsunternehmer außerordentlich erfolgreich, plädierte stets dafür, Alltagserfahrungen in die Kunst mit einfließen zu lassen. „Nie vorher, so scheint es mir, hat ein Komponist so frei in seinem musikalischen Denken, so unvorbelastet durch alle möglichen ‚Regeln‘ eine Musik geschrieben, die so vor Leben, Humor und Energie sprüht und völlig eigenständig ist. Diese Freiheit und Wahrhaftigkeit sind für mich die zentralen Punkte bei Ives“, so Fuchs.

Namensgeber von Ives‘ um 1915 entstandener, später vielfach bearbeiteter „Concord“-Sonate ist eine Kleinstadt in Massachusetts. Concord, das „Weimar der amerikanischen Literaturgeschichte“, war im 19. Jahrhundert Zentrum der amerikanischen Transzendentalisten, die für ein selbstbestimmtes, naturnahes Leben sowie für Sklavenbefreiung, Frauenbewegung und Naturschutz eintraten. Jeder Sonatensatz ist einem Vertreter dieser Bewegung gewidmet: Ralph Waldo Emerson, Nathaniel Hawthorne, Amos Bronson Alcott und seiner Tochter Louisa May, sowie Henry David Thoreau, Vater des „zivilen Ungehorsams“.

In seiner Sonate arbeitet Ives freizügig mit Montagetechnik und musikalischen Zitaten. Ein ständiges Tun und Tönen stürzt hier auf den Hörer ein, der sich vor einem Überfluss an Ideen und Impulsen kaum retten kann. Im monumentalen ersten Satz erklingt erstmals das Schicksalsmotiv aus Beethovens 5. Sinfonie, das sich anschließend durch die ganze Klaviersonate zieht. Unverblümt stellt Ives im weiteren Verlauf einen Chopin’schen Trauermarsch neben Beethovens Hammerklaviersonate, amerikanische Kirchenhymnen neben den Hochzeitsmarsch aus Wagners „Lohengrin“. Fuchs begegnete der Sonate mit ruhiger, gleichsam gespannter Selbstverständlichkeit und einer pianistischen Geläufigkeit, die ihresgleichen sucht. Sein Anschlag ist unvergleichlich weich und schön und selbst im Lauten immer rund.

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