Am 11. Oktober 2025 führte Kornelia Nawra im Münchner Rubinsteinsaal in ihrem Workshop ein ins „Notenlesen auf Basis der relativen Solmisation“. Was zunächst theoretisch klingt, erweist sich als praxisorientiert und sowohl für Musikerinnen und Musiker als auch für Lehrkräfte bereichernd. Kurz gefasst beschreibt die Fortbildung eine Methodik der Gehörschulung mit Praxisnähe, da sie auch für den Gesangs- und den Instrumentalunterricht angewendet werden kann.
Mit Boomwhackers und Freude an der Musik: Kornelia Nawra. Foto: Oliver Fraenzke
Gehörschule und Bereicherung für den Unterricht
Die Solmisation reicht bereits tausend Jahre zurück und wird oft auf Guido von Arezzo zurückgeführt, entwickelte im Laufe der Zeit viele Formen und Abwandlungen und ist in zahlreichen Ländern bis heute Grundlage eines jeden Musikunterrichts. Im deutschsprachigen Raum wird wenig solmisiert, weshalb viele der Teilnehmenden auch nur marginalen Kontakt mit der Materie hatten. Heute am gebräuchlichsten ist die Variante, die erste Stufe der Dur-Tonleiter als Do zu bezeichnen, die zweite als Re und folgend Mi, Fa, So, La und Ti (oft auch Si) – Moll beginnt demnach bei La als Grundton.
Die Besonderheit der relativen Solmisation liegt darin, dass die Silben nicht einfach je einem fixierten Ton entsprechen: Stattdessen kann die Silbenfolge auf jegliche Tonart angewendet werden. Dies schafft einen harmonisch-melodischen Überblick über eine Melodie schon beim Lesen. Auch erklärt sich so, warum es für die Gehörbildung ein nützliches Werkzeug darstellt: Trainieren wir singend und hörend die Abstände beispielsweise zwischen Do und So aufwärts (Quinte), so können wir das Spannungsverhältnis erkennen und singen sowohl in C-Dur als auch in Es-Moll oder in jeder anderen Tonart exakt dieses Intervall. Die Abstände sind nicht mehr mit Noten absolut gemacht, sondern bleiben flexibel im Raum. Musikalisch geschulte Ohren mögen erwidern, dass das auch beim Notenlesen offenkundig wird, und doch bewies Kornelia Nawra in der Praxis, wie viel leichter es sowohl Schülerinnen und Schülern als auch ausgebildeten Musikerinnen und Musiker beim Solmisieren fällt. Auch für Rhythmen kennt die Solmisationslehre eine Versprachlichung, was verbunden mit einem geschlagenen Puls hilft, einen klaren Überblick über die zeitliche Abfolge zu erhalten.
Der Kursleiterin gelang ein abwechslungsreicher Überblick über das Thema durch geschickte Wechsel von praktischen Teilen und theoretischen Einführungen, wo sie kurzweilig über die Geschichte der Solmisation berichtete, die wichtigen Vertreter benannte und auch Orte und Möglichkeiten der Beschäftigung kundtat. Diese Theorieblöcke umrahmte sie stets mit großen Praxisblöcken, so dass man immer im Tun blieb. Hauptsächlich wurde gesungen und dabei solmisiert, von Intervallübungen bis Kanon, von Übungsstückchen bis zu Auszügen aus bekannten Werken. Dabei entstanden manche großartige Momente des gemeinsamen Singens, obwohl die Teilnehmer keine Sänger, sondern Instrumentalisten waren. Gesungen wurde übrigens gänzlich ohne Instrument, denn indem der Grundton relativ war, konnten wir ihn für jede Übung frei wählen und spielten uns durch verschiedene Register frei hindurch.
Kornelia Nawra erläuterte auch für den Instrumentalunterricht bündig, wie Solmisation helfen kann und gab konkrete Beispiele, zeigte einschlägige Unterrichtsliteratur zum Thema. Auch beziehungsweise gerade das Thema EMP wurde hier behandelt, denn für Gruppenunterricht eignet sich das Thema Solmisation besonders gut durch die geschickte Einbindung von Spielen und die spaßige Heranführung an die Notation. Dabei ist übrigens die Solmisation keineswegs ausschließlich für Kinder, denn der klare Bezug zu einer (frei wählbaren) Tonart und die sichere Orientierung innerhalb dieser erweisen sich auch für Erwachsene und durchaus auch für erfahrene Musikerinnen und Musiker als großer Gewinn.
- Share by mail
Share on