In nur neun Tagen ein komplettes sinfonisches Programm einzustudieren, ist für ein Jugendsinfonieorchester kein Pappenstiel. Dirigent Siegfried Westphal versucht dieses Wagnis mit der Jungen Philharmonie OWL (Ostwestfalen-Lippe) jedes Jahr aufs Neue. Zuletzt hat er sich mit Anton Bruckners 6. Sinfonie einen besonders schweren Brocken vorgenommen.
Was zu Lebzeiten des Komponisten regelmäßig als unspielbar abgelehnt wurde, diese nur Bruckner eigene gewaltige Klang-Architektur von feierlicher Größe, fordert den erfahrenen ganzen Sinfoniker. Den jungen Musikern glückte bei ihren Auftritten in Bünde, Paderborn, Bielefeld und Detmold Bemerkenswertes: Spieltechnische Bewältigung und klangliches Erfassen der Musik sprechen Bände für die orchesterpädagogische Arbeit von Siegfried Westphal, der die siebzig Teens und Twens spürbar zu Höchstleistungen angespornt hat und in kurzer Probenzeit so viel Bruckner-Feeling entwickeln konnte. Auch seine dirigentische Vermittlung und Ausstrahlung führte zu einer beeindruckend präzisen und präg-nanten Partitur-Umsetzung.
Herausforderung Bruckner bietet herrliche Aufgaben, die das Ensemble als trefflich abgestimmtes Ganzes wie in den einzelnen Stimmgruppen auskostete. Die lang gezogenen Streichergesänge verströmten majestätischen Ernst; blitzsauberer Geigenklang und schmuck agierende Holzbläser führten auf eine lichtdurchflutete Kopfsatz-Landschaft voller Vitalität, die Blechbläser-Riege übergipfelte lustvoll mit gleißend praller Strahlkraft. Dabei ließ die dynamische Auffächerung und Geschmeidigkeit keine Wünsche offen.
Das „sehr feierliche“ Adagio entfaltete sich in weit aufgespannten, auch strukturell durchzeichneten Bögen. Das Scherzo bekam funkelnd feingliedrigen Aufriss. Und das Finale türmte sich ohne jede Einbuße bei Intonation oder Konzentration in Bruckner-typischer Emphase zum vielfarbigen Panorama auf.
Vor dem Bruckner’schen Großwerk stand zweimal solistisches Konzertieren. Mit Max Bruchs zeitgleichem schwermütigen Konzert-Adagio nach hebräischen Melodien „Kol Nidrei“ gab die 19-jährige Cello-Stimmführerin Daniela Kükenshöner aus Bünde ihr Solodebut. Sie ließ ihr Talent zu einem ganz edlen Celloton voll aufleuchten.
Helen Dabringhaus, die zehn Jahre bei der Jungen Philharmonie mitwirkte, ist nach abgeschlossenem Studium in Hannover inzwischen selbst Musikpädagogin und gefragte Soloflötistin. Sie beeindruckte mit Jacques Iberts Flötenkonzert, das zu der schwersten Literatur gehört, die die Querflöte als Soloinstrument vor ein großes Sinfonieorchester stellt. Gestalterisch überlegen schenkte sie dem virtuos-brillanten Neoklassiker von 1932 ausgereifte Technik, bestechende Artikulation und Klarheit des Tons.
In fein dissonanter bis bitonaler Orchester-Gleichgestimmheit berührte das Andante-Linienspiel, hatten die von ihr mit leichtfüßiger Tempo-Bravour servierten Ecksätze mitreißende Wirkung.
Aber auch der Blick in die Zukunft ist vielversprechend: In der kommenden Arbeits- und Konzertphase im Mai/Juni steht mit dem Cellokonzert von Antonín Dvorák und der ersten Sinfonie von Johannes Brahms Hochromantisches auf dem Programm.