Hauptbild
Buchcover mit einem Schwarzweiß-Porträt eines Mannes mit halbkurzen weißen Haaren und kurzem Bart. Darunter ein rotes Feld mit: "Komponistinnen und Komponisten Bayerns Band 71 – Roland Leistner-Mayer"
Banner Full-Size

Meine Musik soll ein Erlebnismoment sein

Untertitel
Roland Leistner-Mayer feiert 80. Geburtstag – Ehrung mit einer Monographie
Vorspann / Teaser

Der Komponist Roland Leistner-Mayer wurde am 20. Februar 1945 in Graslitz (Kraslice), Westböhmen, geboren. Seit langen Jahren lebt er zurückgezogen in Brannenburg im Inntal. Sein Œuvre ist vielseitig: Symphonien, Solokonzerte, Streichquartette, Sonaten mit Cello, Kontrabass, Bratsche und Klavier sind die Schwerpunkte seines Schaffens. Zugleich aber hat er ein Herz für Kinder und Jugendliche: Für sie schreibt er fassliche, klanglich attraktive Stücke, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Leistner-Mayer, der an der Münchner Musikhochschule bei Harald Genzmer und Günter Bialas studiert hatte, lief nie den Trends des Tages oder wohlfeilen Moden nach, sondern versucht in Abkehr von der Nachkriegs-Avantgarde den Hörer im Blick zu behalten: „Meine Musik soll ein Erlebnismoment sein“– dieser Ausspruch des Komponisten kennzeichnet präzise Charakter, Wesensart und künstlerische Zielsetzung.

Roland Leistner-Mayer ist ein Komponist zum Anfassen, einer, vor dem man keine Berührungsängste haben muss, selbst wenn man zeitgenössischer „E-Musik“ skeptisch gegenüberstehen sollte. Wie emotional diese Musik sich gebärdet, zeigen schon Titel wie „Sieben tapfere Klavierstücke“ oder „Six aveux d’amour“ („Sechs Liebeserklärungen“) für Hackbrettsolo.

Nach der Vertreibung aus der Heimat fasste die Familie in Vohburg an der Donau Fuß. Jahre später schrieb Leistner-Mayer gleichsam eine Liebeserklärung an das Städtchen seiner Kindheit, die „Vohburger Zwiefach-Polka“ für Klavier zu vier Händen. Das Stück, von überschäumendem Musikantentum beseelt und mit feinen böhmischen Reminiszenzen durchwirkt, mag ein Nebenwerk sein, aber eines, an dem Hörer wie Interpreten ihre helle Freude haben. Sozusagen eine bayerisch-böhmische Symbiose! Ehrungen blieben nicht aus. Sie aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Fazit: Der Komponist hat sich international positioniert.

Pünktlich zum Geburtstag erschien nun, herausgegeben vom Tonkünstlerverband Bayern, die Monographie „Roland Leistner-Mayer“. Der Band wendet sich nicht nur an Experten, sondern durchaus auch an interessierte Musikfreunde. Die Kapitel, welche Einzelaspekte des Werks beleuchten, wurden von Autoren geschrieben, die vor allem selbst ausübende Musiker sind und deshalb anschaulich und verständlich formulieren. Der Pianist Christoph Declara stellt im Klavierwerk den „unverwechselbaren Charakter“ fest. Frank Thoenes, der Kontrabassist, schwärmt von der „einmaligen Ausdrucksintensität“. Norbert Florian Schuck gibt eine Übersicht über den Schwerpunkt von Leistner-Mayers Schaffen, nämlich die acht Streichquartette und die Duo-Sonaten, unter dem Motto „Unmittelbarkeit der künstlerischen Aussage“.

Einen überaus authentischen Bericht liefert Ehefrau Heidi Ilgenfritz, die als Hackbrett-Virtuosin ihren Mann für dieses Instrument begeistern konnte, der in diesem Genre einen „wichtigen Beitrag zur Erweiterung des Repertoires“ geleistet hat. Die Hackbrett-Musik führt hin zu den Werken für Jugendliche: „Für Kinderhände, für Kinderohren“ betitelt Oliver Fraenzke seine Ausführungen. Ansprechende Titel wie „Der Troll und der Müll und der Wald“, „Auf dem Abenteuerspielplatz“ oder auch „Eine musikalische Donaureise“ zeigen Leistner-Mayers Empathie für den Nachwuchs.

Der Dirigent und Musikschriftsteller Christoph Schlüren spürt im Orches­terschaffen den „seismographischen Aufzeichnungen der Seelenschwingung“ nach. Und Roland Leistner-Mayer gibt Selbstauskunft über seine 3. Symphonie op. 81 „Das weiße Requiem“ für Chor und Orchester. Eines seiner bedeutendsten Werke, das im Rahmen der „Musica viva“ seine Uraufführung erlebte.

Leben und Werk laufen nie beziehungslos nebenher: Andreas Wehrmeyer gestaltet eine hinreißende biographische Skizze und macht die Wechselbeziehung zwischen äußeren Ereignissen und innerem Erleben plausibel. Der Autor konstatiert, Leistner-Mayer schaffe durch sein Œuvre „eine Gegenwelt“. Dies hat natürlich nichts mit Ignorieren von Problemen oder gar Eskapismus zu tun.

Franzpeter Messmer stellte im Interview die Frage: „Für Ihren weiteren Weg war die Musik von Leos Janácek wichtig. War das eine plötzliche Entdeckung?“ Antwort: „Der Komponist Evzen Zamecnik lud mich einmal nach Brünn ein. Dort hörte ich ein Orches­terkonzert mit der Sinfonietta von Janácek und am nächsten Tag ein Kammerkonzert mit dem Ersten Streichquartett nach Tolstois Novelle „Die Kreutzersonate“. Das ist Musik, an die man anknüpfen kann. Diese Spontaneität, Leidenschaft und Impulsivität, das war faszinierend und hat mich stark beeinflusst, meinen Weg zu finden.“

Papiermusik? Weit gefehlt! Wir gratulieren und wünschen weiterhin ungebrochene Kreativität!

Komponistinnen und Komponisten in Bayern. Band 71 „Roland Leistner-Mayer“, herausgegeben von Franzpeter Messmer für den Tonkünstlerverband Bayern, Allitera Verlag, 22,90 €

Print-Rubriken
Unterrubrik