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Etwa 20 Personen verschiedener Altersstufen sitzen in einem kleinen Raum wie ein Publikum zusammen.

Teilnehmende der 2. Fachtagung Klavier. Foto: Mona Rössler

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Neue Erkenntnisse für Anfängerunterricht und erste Schnupperstunde

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Rückblick auf die 2. Fachtagung Klavier in Freiburg
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Wir wurden regelrecht verwöhnt. Nein, nicht mit gutem Essen, auch nicht mit besonderem Kaffee – aber mit sieben Anfängerunterrichtseinheiten, bei denen wir zuschauen durften. Die jüngste Schülerin war gerade mal vier Jahre alt, der älteste Schüler neun Jahre. 

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Wir, das waren 16 Klavierlehrerinnen und zwei Klavierlehrer, die meisten erfahrene Pädagoginnen und Pädagogen, die seit Jahrzehnten unterrichten. Was treibt diese Menschen an, sich für viele Stunden in einen Raum zu setzen, während draußen die schönste Herbstsonne wärmt? Bei der Vorstellungsrunde schälte sich dies deutlich heraus: 90 Prozent der Teilnehmenden arbeiten selbstständig und vermissen den Austausch. Diesen Austausch haben wir alle an dem Tag erhalten und darüber hinaus noch viel mehr. Deshalb gilt der erste große Dank Jonas Falk, für seine perfekte Organisation, sein Finden der Schülerinnen und des Schülers, die sich vor uns unterrichten ließen. Und an sein eigenes Vorunterrichten, alles in Ruhe, großer Freundlichkeit und zeitlich im Griff. Das Thema des Wochenendes war „Anfängerunterricht und die erste Schnupperstunde“. Dorothee Graf-Schwehr, vielen bekannt als Verfasserin des „Klaviergartens“, begann mit einer Schnupperstunde für die sechsjährige Leonora, die sie hier zum ersten Mal traf. Wir erlebten eine Mitternachtsgeisterstunde, in die das Kind ganz eintauchen konnte und dabei die Struktur der Tastatur, den Effekt des Pedals (ohne dies zu sehen), den lockeren Anschlag aus dem Arm heraus und natürlich auch kleine Melodien erfahren und erfassen konnte. Auch bei den folgenden Unterrichtseinheiten wurden anhand eines Bildes aus dem „Klaviergarten“ die Tasten erforscht, die Finger ins Spiel gebracht, beispielsweise als Fußballspieler mit ihren Nummern. Der Unterricht fand ohne Stühle statt, die Kinder bewegten sich frei zwischen dem Tisch und dem Instrument hin und her.

Nach jeder Unterrichtseinheit gab es für uns Raum, Fragen zu stellen, eigene Ideen zu äußern oder einfach zuzuhören und aufzunehmen, wie man „es“, diesen Anfängerunterricht beziehungsweise eine Schnupperstunde, auch noch machen könnte. Das gemeinsame Mittagessen ermöglichte es, sich in kleineren Runden näher kennenzulernen. Für den Sonntag hatte sich Chris­tina, eine Teilnehmerin, zur Verfügung gestellt, die sechsjährige Leonora zu unterrichten. Wir bewunderten ihren Mut! Und als Abschluss der „Live-Unterrichtsstunden“ kam der neunjährige Noah.

Jonas Falk entwickelte eine Improvisationsstunde, in der wir alle in die Melodien von Noah eintauchen konnten. Sei es im Vierer-Rhythmus oder auch mal in einem Fünfer – Noah ließ seine Finger über die weißen Tasten gleiten und Jonas Falks Begleitung in d-Moll/C-Dur ergab eine schwebende Atmosphäre, Noah konnte sich fast nicht mehr lösen. Die zwei Hauptthemen in der Schlussdiskussion waren: körperliche Nähe und Unterrichtsentgelte. Darf man berühren? Würde sich ein Kind trauen, „Nein“ zu sagen, wenn man es fragt? Aber zunächst kommen für uns alle diese Fragen: Berühre ich? Warum berühre ich? Wie berühre ich? Kann das, was ich mit meinem Körperkontakt erreichen will, nicht auch über Bilder und Vorstellungen geschehen? Wer sich diese Fragen noch nie gestellt hat, wird sie sich nach diesem Wochenende stellen und in dieser Beziehung nochmals zu einem bewussteren Unterricht kommen. Ganz herzlichen Dank an Jonas und Dorothee und auch an alle Teilnehmenden für dieses bereichernde und lebendige Wochenende!

Ursula Schnidrig war selbst Teilnehmerin des Fachtags.

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