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Wir müssen Anregung zum aktiven Musizieren fördern

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Interview mit Prof. Ulrich Nicolai, dem neuen 1. Vorsitzenden des Tonkünstlerverbandes Bayern e.V.
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neue musikzeitung: Was macht den Bayerischen Tonkünstlerverband für die Musiklandschaft Bayerns unverzichtbar?

Prof. Ulrich Nicolai: Die Beantwortung Ihrer Frage würde ich gerne bundesweit sehen. Das Musikleben in Bay­ern und Deutschland hat eine lange und große Tradition, die auf Musik­erziehung und -ausübung auf allen Ebenen beruht. Dazu gehören heute die privaten Musiklehrerinnen und -lehrer genauso wie die privaten Musikinstitute, die öffentlichen Sing- und Musikschulen, der Musikunterricht an Schulen und das Musikstudium an Akademien und Hochschulen sowie die Mitwirkung in Chören und diversen Laienensembles. Dies ist für mich die Basis unseres aktiven Musiklebens, die aber durch die Entwicklung der Medien stark gefährdet ist. 

Fast jede Komposition, ganz gleich ob Klassik, Jazz oder Pop, lässt sich heute als Konserve erwerben und dank Internet ständig verfügbar halten. Dies ist einerseits sehr angenehm und ermöglicht jedermann den Zugang zur Musikwelt. Es ist aber andererseits auch sehr bequem und erfordert keinerlei Initiative und Kreativität. Die Anregung, sich selbst aktiv musizierend zu versuchen, was naturgegeben auch im Hobbybereich zumindest ein gewisses Maß an Disziplin erfordert, wird nicht unbedingt bestärkt. Hier sehe ich eine zentrale Bedeutung der Tonkünstlerverbände: Die Anregung zum aktiven Musizieren zu fördern – sowohl durch das Vermitteln von qualifizierten Lehrkräften wie durch zahlreiche Konzerte und Veranstaltungen, die gerade nicht nur in den großen Konzertsälen und Opernhäusern stattfinden, sondern jedermann ermöglichen, Musik „live“ zu erleben. Auch der Wettbewerb „Jugend musiziert“ ist hier unbedingt zu nennen. 

nmz: Worin sehen Sie Ihre Schwerpunkte in der neuen Aufgabe als erster Vorsitzender?

Nicolai: Der Bayerische Tonkünstlerverband befindet sich in sehr gutem Zustand – dank der Leistungen des bisherigen Vorstands. In diesem Sinne sehe ich meine Aufgabe zunächst darin, diesen Zustand zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Vier Bereiche möchte ich dabei thematisch hervorheben: 

  1. Ich bin selbst aktiver und leidenschaftlicher Musiker; in diesem Sinne interessieren mich natürlich die musikalischen Darbietungen aller Regionalverbände besonders. Ich weiß, dass der neue Vorstand ziemlich München- und auch ziemlich Hochschul-lastig ist – neben mir noch zwei Professorinnen und ein Professor. Dies mag bei den Regionalverbänden außerhalb der Landeshauptstadt die Befürchtung wecken, dass München im Mittelpunkt meiner beziehungsweise unserer Interessen stehen wird. Dem möchte ich ganz bewusst entgegensteuern und deshalb den Kontakt gerade auch zu den kleineren Regionalverbänden pflegen und ausbauen.
  2. Bei aller Wichtigkeit von Talent und Fleiß für den Beruf des Musikers weiß ich aus eigenem Erleben sehr gut, dass eine gehörige Portion Glück dazu­gehört, um als Musiker Karriere zu machen – wie auch immer diese aussehen mag. Die erfolgreiche Karriere ist aber leider nicht jedem vergönnt. Es gibt viele Musiker und Musikpädagogen, die trotz guter Qualifikation nur bedingt erfolgreich sind. Dabei meine ich neben dem künstlerischen Erfolg auch wesentlich den wirtschaftlichen. Für viele Kollegen ist es schwer, einigermaßen sorglos über die Runden zu kommen. Hier soweit wie möglich zu helfen, sehe ich auch als einen besonders wichtigen Aufgabenbereich der Tonkünstlerverbände. 
  3. Das Thema „Qualitätszertifikat“ scheint mir nicht genügend geklärt und vereinheitlicht zu sein. Daran müssen wir meines Erachtens arbeiten.
  4. Die Pflege der zeitgenössischen (bayerischen) Komponisten war und ist dem Verband ein wichtiges Anliegen. Diese Pflege möchte ich intensiv fortsetzen und ausbauen. Gleichzeitig fände ich es aber reizvoll, sich nicht nur auf zeitgenössische bayerische Kompositionen zu beschränken, sondern auch Werke älterer Komponisten aus Bayern mit in die Konzertprogramme einzubeziehen. Da gibt es viel zu entdecken. Außerdem schätze ich Programme, die unter thematischem Aspekt zusammengestellt sind, was oft eine ansprechende Kombination aus älteren und neueren Werken ermöglicht. 

nmz: Was hat Sie bewogen, dieses Amt zu übernehmen?

Nicolai: Mein Amtsvorgänger, Herr Dr. Messmer, hat mich angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, seine Nachfolge anzutreten. Nach gründlichen Überlegungen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dies nach dem Ende meiner aktiven Hochschullaufbahn eine interessante und sinnvolle Tätigkeit wäre, bei der ich auf meinen langjährigen Erfahrungen als Musiker und Pädagoge, aber auch als Mitglied und Leiter diverser Gremien an der Münchner Musikhochschule (Vizepräsident, Studiendekan, Senat, Hochschulrat etc.) aufbauen kann. Ich werde zwar auch nach meiner Emeritierung im September dieses Jahres der Hochschule noch verbunden bleiben, aber dies nur in zeitlich begrenztem Maße. Und da ich nicht der „Ruheständler-Typ“ bin, freue ich mich darauf, mich nochmals einer neuen Aufgabe zu stellen. 

nmz: Was werden Sie – im Vergleich zu Ihrem Vorgänger – anders machen und warum?

Nicolai: Diese Frage kann ich im Grunde (noch) nicht beantworten. Mein Vorgänger hat die Position des ersten Vorsitzenden hervorragend ausgefüllt und ich kann nur hoffen, dass ich dieser Vorgabe einigermaßen gerecht werde.

nmz: Welches sind Ihre persönlichen Lieblingsthemen in Ihrer zukünftigen Arbeit des TKVB?

Nicolai: Sehr wichtig ist mir – abgesehen von der thematischen Arbeit – eine gute Teamarbeit; darauf freue ich mich besonders. Als begeisterter Musiker denke ich zudem daran, gemeinsam mit Verbandskolleginnen und -kollegen selbst zu musizieren. Inwieweit das möglich sein wird, werden wir sehen.

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