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Mit einem stärkeren bürgerschaftlichen Engagement geht einher, dass sich die Kultureinrichtungen verändern. Diese Veränderungen betreffen aber nicht die Einrichtungen allein. Sie gelten ebenso für die Träger beziehungsweise Zuwendungsgeber dieser Einrichtungen. Betrachtet man allein die Seite der Eigeneinnahmen bei Institutionen, die öffentliche Mittel erhalten oder sich in der Trägerschaft der öffentlichen Hand befinden, so gehört das bürgerschaftliche Engagement zu den geldwerten Einnahmen und sollte so von Zuwendungsgebern auch angerechnet werden. Dies gilt neben Kultureinrichtungen gleichermaßen für Kulturvereine oder -verbände, die öffentliche Mittel erhalten. Auch hier stellt das ehrenamtliche, unentgeltliche Engagement eine beträchtliche Ressource dar, ohne die viele Vereinsaktivitäten nicht möglich wären.
Die Verbesserung der haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen bedeutet auch, dass zusätzliche private Finanzmittel bei den Empfängern bleiben können müssen. Spender von Geld wollen nicht, dass aufgrund ihrer Spende genau dieser Betrag an die Zuwendungsgeber zurückgezahlt werden muss oder gar die Kultureinrichtung beziehungsweise der Verein diese Summe im nächsten Jahr weniger erhält. Eine Reform des öffentlichen Haushaltsrechts, die bereits seit Jahren angemahnt wird, ist also dringend erforderlich, um mehr bürgerschaftliches Engagement zu ermöglichen. Hierzu zählt nicht nur eine Überprüfung des Jährlichkeitsprinzips der öffentlichen Haushaltsführung, sondern ebenso eine Durchforstung der Verwaltungsvorschriften in Hinblick auf die Zweckmäßigkeit bei der Durchführung von Maßnahmen, bei denen bürgerschaftliches Engagement erwünscht ist. Wenn ein Kulturverein als Zuwendungsnehmer zur Einwerbung, Verwaltung und Abrechnung von Mitteln eine ebensolche Verwaltungsstruktur aufbauen muss wie eine öffentliche Verwaltung als Zuwendungsgeber, wird das bürgerschaftliche Engagement unmöglich gemacht, da wesentliche Charakteristika wie unbürokratisches Handeln oder Flexibilität auf der Strecke bleiben. Zur weiteren Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements sind also Veränderungen im öffentlichen Haushaltsrecht unabdingbar.
Ein weiterer Baustein zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und zur Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft ist der Abbau des Misstrauens der öffentlichen Verwaltung gegenüber engagementbereiten Bürgerinnen und Bürgern. Ein wichtiger Bestandteil in der Debatte um die Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts sind die Forderungen nach Erleichterungen bei der Genehmigung von gemeinnützigen Stiftungen. Stifterinnen und Stifter geben einen Teil oder ihr ganzes Vermögen ewiglich und unwiderruflich in die gemeinnützige Stiftung. Dieses bürgerschaftliche Engagement sollte willkommen geheißen und ihm sollte nicht misstrauisch oder abwehrend begegnet werden. In der zweite Stufe der Reform des Stiftungsrechts sollten noch in dieser Legislaturperiode die politischen Weichen dafür gestellt werden.
Aber nicht nur die Einrichtungen und Verbände des Kulturbereiches oder Politik und Verwaltung sind gefordert, auch die Wirtschaft kann einen Beitrag zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements leisten. Zwar gibt es bereits Beispiele, dass sich Unternehmen mäzenatisch engagieren, doch sind hier sicherlich noch Potenziale vorhanden. Ein weiterer Ansatz wäre, das bürgerschaftliche Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht als Belastung für das Unternehmen anzusehen, sondern den Gewinn für das Unternehmen in das Blickfeld zu rücken.
In ihrem bürgerschaftlichen Engagement machen Menschen Erfahrungen, die auch im Unternehmen positive Wirkungen entfalten können. Bürgerschaftlich Engagierte setzen sich für die Gesellschaft ein, dieses Engagement legen sie beim Betreten der Arbeitsstelle nicht ab, vielmehr können die gewonnenen Erfahrungen und Kompetenzen sich im Arbeitsalltag als motivierend erweisen. In Unternehmen gilt es also, das Bewusstsein für den Wert des bürgerschaftlichen Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Unternehmen zu schärfen beziehungsweise zu wecken. Die Gesellschaft befindet sich in einem tief greifenden Wandel. Die herkömmlichen Milieus, Arbeitermilieu, katholisches Milieu, bürgerliches Milieu und so weiter haben an Bedeutung verloren, ihre Bindungskraft hat nachgelassen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zu mehr Mobilität bereit. Sie wechseln für eine Versetzung oder einen neuen Arbeitsplatz den Wohnort. Das kontinuierliche Engagement in Vereinen wird dadurch erschwert. Die Zahl kleiner Haushalte, insbesondere von Einpersonenhaushalten, nimmt zu. Alleinlebende haben andere soziale Kontakte und Netze als es Mehrpersonenhaushalte haben, die, wenn Kinder im Haushalt leben, dadurch in einem sozialen Netz von Kindergarten, Schule und so weiter eingebunden sind.
Dieser soziale Wandel scheint derzeit das bürgerschaftliche Engagement eher zu stärken. Die Formen des bürgerschaftlichen Engagements haben sich aber verändert und auch die Institutionen müssen sich ändern. Die Bereitschaft, sich für andere, für die Gemeinschaft zu engagieren, ist aber nach wie vor vorhanden.
Eine stärkere Durchdringung der Bereiche Staat, Markt und Dritter Sektor mit Elementen bürgerschaftlichen Engagements wird zwar die Utopie einer Zivilgesellschaft noch nicht Wirklichkeit werden lassen, wird aber ein Schritt auf dem Weg dorthin sein. Die Rahmenbedingungen hierfür zu optimieren ist Aufgabe der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“.