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Kulturelle Bildung in der Wissensgesellschaft

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Von der Zukunft der Musikberufe
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Der Deutsche Kulturrat untersuchte in den letzten Jahren im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Kulturberufe in allen künstlerischen Sparten. Es wurde analysiert, inwiefern sich die Kulturberufe durch den Einsatz neuer Technologien verändern und wie Aus- und Weiterbildung auf die Veränderungen reagieren muss. Wird der Computer den Pinsel ersetzen? Wird in der Zukunft nur noch auf elektronischen Instrumenten musiziert? Werden künftig im Theater vornehmlich Videoaufnahmen von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen sein? Oder bleibt alles beim Alten? Und wie muss die Ausbildung und die Weiterbildung in den Kulturberufen aussehen?

Der Deutsche Kulturrat untersuchte in den letzten Jahren im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Kulturberufe in allen künstlerischen Sparten. Es wurde analysiert, inwiefern sich die Kulturberufe durch den Einsatz neuer Technologien verändern und wie Aus- und Weiterbildung auf die Veränderungen reagieren muss. Wird der Computer den Pinsel ersetzen? Wird in der Zukunft nur noch auf elektronischen Instrumenten musiziert? Werden künftig im Theater vornehmlich Videoaufnahmen von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen sein? Oder bleibt alles beim Alten? Und wie muss die Ausbildung und die Weiterbildung in den Kulturberufen aussehen? Auf der einen Seite standen die Optimisten, die große Erwartungen in die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien setzten und erwarteten, der gesamte Kulturbetrieb werde sich ändern. Die Barrieren zwischen Kunstproduzenten und -konsumenten schienen eingeebnet zu werden. Die neuen Technologien ermöglichten es scheinbar jedem, ein Kunstwerk zu produzieren und zu verbreiten. Darüber hinaus wurde erwartet, dass mehr Menschen Zugang zu Kunst und Kultur erhalten und damit der Traum von „Kultur für alle“ ein Stück näher rücken würde.

Die Pessimisten auf der anderen Seite sahen – salopp gesprochen – den „Untergang des Abendlandes“ voraus. Sie befürchteten, dass Kenntnisse in den alten Techniken verloren gingen. Dass weniger und nicht mehr Menschen sich Kunst und Kultur nähern, dass das Internet eine Sogwirkung entfaltet und so viele Zeitressourcen beansprucht, dass die so genannten traditionellen künstlerischen Ausdrucksformen und Veranstaltungsorte an Bedeutung verlieren.

Heute kann man feststellen, dass beide – Optimisten und auch Pessimisten – nicht Recht hatten. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden. Das Versenden von Informationen oder von Dokumenten per E-Mail, das Einholen von Auskünften und Informationen aus dem Internet hat längst den Reiz des Außergewöhnlichen verloren. Die neuen Technologien haben weder dazu geführt, dass die Theater und Konzertsäle leer sind. Sie haben aber auch nicht dazu beigetragen, dass jeder ein Künstler wird.

Neue Medien sind zu den alten hinzugetreten. Damit ist genau die Entwicklung eingetreten, die bereits bei der Einführung und Etablierung anderer Medien zu beobachten gewesen ist. So kam das Fernsehen zum Hörfunk hinzu. Der Hörfunk ist dadurch keineswegs obsolet geworden. Er hat vielmehr neue Funktionen im Rahmen der gesamten Mediennutzung erhalten. So wird voraussichtlich in einigen Jahren der Umgang mit dem PC und dem Internet selbstverständlich sein und Medienkompetenz sich unter anderem darin erweisen, die unterschiedlichen Medien, also Buch, CD, Fernsehen, Hörfunk, Internet, jeweils so auszuwählen, dass ein möglichst hoher Nutzen für den jeweiligen Nutzer entsteht.
Mit Blick auf die künstlerische Aus-einandersetzung befinden wir uns, was die neuen Medien betrifft, jedoch erst am Anfang einer Entwicklung, auch wenn bereits seit einigen Jahren mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien experimentiert wird. Ähnlich wie sich der Film in seinen Anfangszeiten am Theater orientierte und die Kinos als Filmtheater oder Filmpaläste einen ähnlichen Genuss wie Theater versprachen, rekurriert auch die Medienkunst noch auf Vorgefundenem und hat noch keine eigene Formensprache entwickelt. Auch die Literatur im Netz baut auf Erzählstrategien auf, die bereits seit Jahrhunderten gelten. Das gemeinsame Schreiben von Texten ist mithilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien vielleicht technisch einfacher durchzuführen. Es ist aber keine neue literarische Ausdrucksform, da es hierfür seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Vorbilder gibt.

Beispiel Berufsfeld Musik

Die Sparte Musik, als die ausdifferenzierteste künstlerische Sparte, hat in der Studie des Deutschen Kulturrates einen wichtigen Stellenwert. Von der festen Anstellung in einem Ensemble bis zur Selbstständigkeit sind alle Arbeitsverhältnisse in der Sparte Musik vertreten. Die Anforderungen an die Qualifikation der Musikerinnen und Musiker richten sich je nach Beschäftigungsverhältnis. Mitglieder eines Spitzenorchesters müssen andere Voraussetzungen erfüllen als Mitglieder eines Stadttheaterorchesters.

Die Musikerinnen- und Musikerausbildung für die so genannte Ernste Musik beginnt bereits im Kindesalter. Wer nicht frühzeitig ein Instrument erlernt, hat kaum realistische Chancen, die Aufnahmeprüfungen an den Musikhochschulen mit Erfolg absolvieren zu können. Ein wohldurchdachtes und stringent durchgeführtes Wettbewerbssystem ermöglicht frühzeitig das Erkennen und anschließende Fördern junger Talente. Kaum einer der heute bekannten Solomusikerinnen und -musiker hat in seiner Kindheit nicht am Wettbewerb ”Jugend musiziert“ teilgenommen und dort einen Preis erhalten.

Diese frühe Förderung von Talenten, die vom Deutschen Musikrat, dem Dachverband der Musikverbände in Deutschland, organisiert und getragen wird, ist für alle anderen künstlerischen Sparten vorbildlich. Eine Erweiterung der bestehenden Förderung in der musikalischen Entwicklung ist die Förderung mit Blick auf die spätere Berufswahl. In Beratungsgesprächen sollen den Jugendlichen die Chancen, aber auch die physischen und psychischen Voraussetzungen der professionellen Musikerinnen- und Musikerlaufbahn nahe gebracht und damit die Berufswahl begleitet werden.

An die frühe Förderung der angehenden Musikerinnen und Musiker schließt sich bei den professionellen Musikerinnen und Musikern im Bereich der so genannten E-Musik ein Studium an einer der 24 Musikhochschulen in Deutschland an. Voraussetzung für die Aufnahme einer künstlerischen Musikausbildung ist das erfolgreiche Bestehen der Aufnahmeprüfung. Die Hochschulreife wird nicht zwingend vorausgesetzt.

Die Hochschulausbildung in Musik orientiert sich zum überwiegenden Teil, wie die Gesprächsrunden des Deutschen Kulturrates und Einzelgespräche mit Hochschullehrern und Rektoren von Ausbildungsstätten im Rahmen der Studie ergaben, am klassischen Repertoire der Opern- und Konzerthäuser. Neue Musik spielt bei der Ausbildung ausübender Künstlerinnen und Künstler eine untergeordnete Rolle. Bei den Komponistinnen und Komponisten ist die Auseinandersetzung mit den modernen künstlerischen Ausdrucksformen dagegen selbstverständlich. Neue Medien sind daher ein Studienbestandteil im Fach Komposition.

Die geschilderte Ausbildung der ausübenden Künstlerinnen und Künstler ist solange bedarfsorientiert und folgerichtig, wie der größte Teil der Absolventen auch tatsächlich den angestrebten Beruf des Orchestermusikers oder Chorsängers ergreifen kann. Die Deutsche Orchestervereinigung hat jedoch darauf hingewiesen, dass den 5.000 Absolventen der deutschen Musikhochschulen in den letzten Jahren nur 850 zu besetzenden Stellen an deutschen Orchestern gegenüberstanden. Das heißt vollkommen unabhängig von der eigenen Leistung hatte weniger als ein Fünftel der ausgebildeten Orchestermusikerinnen und -musiker überhaupt eine Chance, eine Stelle im angestrebten Beruf zu finden.

Der Abbau von Orchestern wird diese Situation in den nächsten Jahren verschärfen, auch wenn durch Pensionierungen Lücken in Ensembles entstehen. Für die Ausbildung heißt dies, dass den Studierenden Alternativen zur Orchestertätigkeit aufgezeigt werden müssen. Sie müssen das Rüstzeug erhalten als Selbstständige in kleinen Ensembles zu spielen, sie müssen Qualifikationen in der Musikpädagogik erwerben, sie sollten sich mit der so genannten Gebrauchsmusik befassen. Verschiedene Musikhochschulen haben auf diese Herausforderung reagiert und legen in den Studienordnungen fest, dass neben der Musikausbildung in Nebenfächern und Wahlfächern zusätzliche Qualifikationen erworben werden, die das spätere Tätigkeitsspektrum erweitern. Im Hinblick auf die Gebrauchsmusik gibt es eine Schnittfläche zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die in den oben genannten Berufsfeldern keine oder zumindest eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
Erfahrungen im Umgang mit neuen Technologien und zwar hier musik-, rundfunk- und filmspezifischen Anwendungen sind erforderlich, um in diesem Bereich tätig zu werden. Hier bestehen Berührungspunkte mit der Tätigkeit der Tonmeister, die in ihrer Ausbildung Ingenieur- und Musikwissen verbinden. Die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg bietet einen speziellen Studiengang „Film- und Sounddesign“, in dem selbstverständlich auch die Nutzung und Anwendung neuer Technologien bei der Musik- beziehungsweise Geräuschherstellung vermittelt wird.

Wichtig sind Kenntnisse in der Anwendung neuer Technologien mit Blick auf Managementfragen. Absolventen müssen mit Internet und E-Mailumgehen können, um sich selbst vermarkten zu können. Dies gewinnt an Bedeutung, wenn sie selbstständig sind. Die Ausbildungssituation im Bereich der so genannten Unterhaltungsmusik stellt sich vollkommen anders dar als in der so genannten Ernsten Musik. Zwar wurden an einigen Musikhochschulen Studiengänge für Jazz- oder auch Popularmusik etabliert, die sich aber in erster Linie an angehende Musiklehrer und -lehrerinnen richten. Der Weg des Pop- oder Jazzmusikers verläuft nach wie vor zum überwiegenden Teil vom Laien über den semiprofessionellen zum professionellen Musiker oder Musikerin. Wettbewerbe auf der regionalen Ebene und die Bereitstellung von Infrastruktur sind hier die geeigneten Förderinstrumente auf dem Weg zum professionellen Musiker. Kulturpolitische Entscheidungen wie der Auftrag an soziokulturelle Zentren, einen größeren Teil des Mittelbedarfs durch Eigeneinnahmen zu decken, haben einen direkten Einfluss auf die Nachwuchsförderung im Rock- und Popbereich. Wenn in einem soziokulturellen Zentrum eher eine Disko veranstaltet wird, weil dadurch höhere Einnahmen erzielt werden als durch Auftritte bislang unbekannter Gruppen, fallen Auftrittsorte und damit auch Möglichkeiten der Entwicklung weg. Da in diesem Bereich das „learning by doing“ eine zentrale Rolle spielt, ist die Bereitstellung von Infrastruktur eine der wichtigen Möglichkeiten der Ausbildungsförderung. Rock- und Popmusiker haben sich zwar auf Landesebene in den verschiedenen Rockinitiativen zusammengeschlossen und auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Rock leistet wichtige koordinierende Arbeit, dennoch ist das Fördersystem nicht in Ansätzen mit dem der so genannten E-Musik vergleichbar. Dies gilt neben Fragen der musikalischen Entwicklung auch für die Vermittlung von Markt- sowie Managementkenntnissen.

Da Rock- und Popmusik von ihrem Wesen her vielfach mit elektronischen Instrumenten gespielt wird, haben die neuen Technologien selbstverständlich das Equipment dieser Bands verändert. Ebenfalls haben sich die musikalischen Stile gewandelt, Techno, HipHop und andere Musikstile bedienen sich selbstverständlich der neuen Medien. Ebenfalls die Clubmusik, die wiederum nur in kleinen Auflagen produziert wird und sich an ein kleines Publikum richtet.
Eine weitere wichtige Veränderung, die aber weniger den künstlerischen Prozess als vielmehr die Verbreitung betrifft, ist die Möglichkeit von Bands, selbst CDs zu brennen. Bis vor einigen Jahren war die Erstellung des ersten Tonträgers der Flaschenhals für Bands, um bekannt zu werden. Die neuen technischen Möglichkeiten haben diesen Flaschenhals der Erstellung von Tonträgern deutlich verbreitert. Junge Gruppen können relativ problemlos ihre CDs selbst brennen. Den Markteintritt bedeutet dies aber noch nicht. Es kommt vielmehr darauf an, andere davon zu überzeugen, dass die Musik hörenswert ist. Auftritte zu erhalten, um dann vielleicht den Sprung in das Radio zu schaffen.

Fasst man diese kursorische Betrachtung des Musikarbeitsmarktes und der Musikerausbildung zusammen, so ergibt sich folgendes Bild:

  • in der so genannten E-Musik erfolgt die Ausbildung in einem langen Ausbildungsweg vorwiegend entlang des traditionellen Kanons; neue Medien spielen keine oder zumindest eine untergeordnete Rolle; Handlungsbedarf mit Blick auf die Aus- und Weiterbildung besteht hier in erster Linie in der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten in Arbeitsfeldern außerhalb der Theater und Konzerthäuser, da die Einstellungschancen gering sind; neue Medien haben in der Gebrauchsmusik und im Selbstmarketing eine Bedeutung,
  • in der so genannten U-Musik gibt es bis auf einige Ausnahmen keine geregelten Ausbildungsgänge; die Übergänge vom semiprofessionellen zum professionellen Arbeiten sind fließend; der Umgang mit Technik ist traditionell selbstverständlich, durch neue Medien ergeben sich neue technische Möglichkeiten aber auch neue künstlerische Ausdrucksformen.

Kulturelle Bildung in der Wissensgesellschaft – Zukunft der Kulturberufe.
Hg. von Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz.
Format DIN A 5, broschiert, 628 Seiten, ISBN 3-934868-07-x, 25,90 Euro,
Bestellungen an: ConBrio Verlagsgesellschaft, Postfach 10 02 45, 93002 Regensburg, Tel. 0941/945 93-0, Fax 0941/945 93-50, E-Mail: info [at] conbrio.de (info[at]conbrio[dot]de)

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