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Musikgeragogik und Musiktherapie

Untertitel
Schnittmengen, Abgrenzungen und fehlende Ausbildung in NRW
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Am 30. August 2025 fand in der Landesmusikakademie NRW in Heek im Rahmen der Mitgliederversammlung des Landesmusikrats NRW eine Fachtagung zu Musikgeragogik und Musiktherapie statt.

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Hans Hermann Wickel eröffnete die von Holger Müller moderierte Veranstaltung mit einer Einführung, in der er die Entwicklung der Musikgeragogik in Deutschland nachzeichnete. Er erinnerte daran, dass bereits 1997 in Münster eine interdisziplinäre Ringvorlesung zu Fragen des demographischen Wandels stattfand. Schon damals lagen die Fakten zum Älterwerden der Gesellschaft auf dem Tisch. Einen wichtigen Impuls setzte 2001 der erste Fachtag „Musik bis ins hohe Alter“, bei dem didaktische und methodische Zugänge für das Musizieren älterer Menschen gesucht wurden. Musikgeragogik wurde in den folgenden Jahren zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin.

Lutz Neugebauer nahm eine eindringliche Analyse der aktuellen Situation der Musiktherapie in NRW vor. Er stellte fest, dass es in NRW bislang weder eine Erstattung ambulanter musiktherapeutischer Leistungen durch die Krankenkassen gibt, noch eine regulierte landeseigene Ausbildung für Musiktherapeutinnen und -therapeuten existiert. Vor diesem Hintergrund skizzierte er eine Prognose, wonach bis zum Jahr 2030 mit etwa 500.000 Menschen mit Demenz in Deutschland zu rechnen sei, was den dringenden Bedarf an musikgestützten Angeboten unterstreiche. Das Gesundheitssystem ist kompliziert: Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, den Leistungsanspruch der gesetzlich Versicherten auszugestalten, dem sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zugewiesen. Musiktherapie hat bei diesem bislang keinen Platz. Die Leistungen müssen im detailreichen Sozialgesetzbuch (SGB) verankert sein. Grundlegend ist eine Trennung der Leistungserbringenden in Heilberufe und Gesundheitsfachberufe.

Für Musiktherapie fehlt bislang jegliche bundesgesetzliche oder landesrechtliche Regelung, was eine Hürde für die Integration in das Gesundheitssystem darstellt. So stockt auch die Entwicklung der musiktherapeutischen Ausbildung in NRW: Der erste entsprechende Studiengang entstand in den 1980-er Jahren an der Musikhochschule Aachen, gefolgt von Angeboten in Herdecke, Siegen und Münster. Damit war NRW Vorreiter beim Ausbau der Musiktherapie – doch bald stießen die Studiengänge auf institutionelle Bremsen und auf den Ausschluss von Musiktherapie im Anhang der Heilmittelrichtlinie 1992.

Prof. Dr. Rosemarie Tüpker stellte schließlich Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Musikgeragogik und Musiktherapie gegenüber, die sie anhand ihrer langjährigen Erfahrung und Forschung mit großer Klarheit herausarbeitete. Sie verglich zunächst die akademischen Studiengänge beider Disziplinen: Während die Musiktherapie typischerweise stark klinisch ausgerichtet, methodisch fundiert und mit psychotherapeutischem Schwerpunkt konzipiert ist, versteht sich die Musikgeragogik als eine bildungstheoretische Disziplin. Musiktherapie zielt darauf ab, das individuelle Leiden zu lindern, Ressourcen zu reaktivieren und die Lebensqualität des Einzelnen zu verbessern. Im Gegensatz dazu geht es in der Musikgeragogik um musikalische Bildungsangebote im Alter, die sich bewusst an Menschen in nachberuflichen oder nachfamiliären Lebensphasen richten. Tüpker betonte das grundsätzliche Recht älterer Menschen auf Kultur und musikalische Teilhabe.

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