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Gemeinsam weiterdenken!

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Zum 45. Bayerischen Musikschultag
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Im Rahmen des 45. Bayerischen Musikschultags trafen sich Vertreter*innen von Musikschulen und Musikhochschulen, um die Perspektiven des Berufes der Musikschullehrkraft zu diskutieren und sich über Erwartungen an sowie Bedingungen für eine engere Zusammenarbeit auszutauschen.

Das Zusammenspiel von Musikschulen und Musikhochschulen ist maßgeblich für die Arbeit von Lehrkräften an den Musikschulen wie auch Dozierenden an den Musikhochschulen. Bereits beim Musikschultag 2021 in Erding rief die Carl-Orff-Medaillenträgerin Professorin em. Barbara Metzger zu einer Vernetzung beider Institutionen auf: „Es bedarf einer noch klareren und strukturierteren Zusammenarbeit zwischen Musik-schulen und Musikhochschulen. Diese Bereiche müssen sich noch viel stärker gegenseitig durchdringen und befruchten.“ Dieser Aufruf gab einen entscheidenden Impuls für das Thema des Forums auf dem diesjährigen Musikschultag in Lauf a.d. Pegnitz. „Berufsperspektive Musikschullehrkraft“ und die Rolle von Musikschulen und Musikhochschulen, die sich in ihrem Handeln gegenseitig in einer Art Kreislauf bedingen: Eine gute Ausbildung an der Musikschule durch eine qualifizierte Musikschullehrkraft, die ihr Studium an einer Musikhochschule absolviert hat, bringt im Idealfall eine*n Studien­interessierte*n hervor, der*die wiederum die berufliche Laufbahn „Musikpädagogik“ an einer Musikhochschule anstrebt und neue Musikschüler*innen ausbildet. Diesen Zusammenhang haben sich die Teilnehmer*innen des Forums auf dem diesjährigen Musikschultag vergegenwärtigt und bewusstgemacht: Welche Akteure sind an diesem „Kreislauf“ beteiligt? Welche Bedingungen müssen erfüllt werden und wie kann ein Netzwerk aufgebaut werden, das sich mit genau diesen Fragen auseinandersetzt und Lösungsansätze erarbeitet?

Durch das Engagement, die Offenheit und Bereitschaft zu einem Austausch von unter anderem Prof. Rainer Kotzian von der Hochschule für Musik Nürnberg, Prof. Dr. Andreas C. Lehmann von der Hochschule für Musik Würzburg und Prof. Michael Forster sowie Prof. Klaus Mohr von der Hochschule für Musik und Theater München konnte in Kooperation mit den Musikschulvertreter*innen die Netzwerkarbeit ein Stück vorangebracht werden. Man ist sich einig: Die Zusammenarbeit soll perspektivisch ausgebaut werden. Die HFM Nürnberg arbeitet schon viele Jahre an einem intensiven Miteinander mit den umliegenden Musikschulen. Diese Erfahrungswerte teilte Prof. Rainer Kotzian mit allen Anwesenden und betonte die Notwendigkeit, Ausbildung und Studiengänge in Hinblick auf die Berufspraxis als Musikschullehrkraft zu optimieren und auszubauen. Dabei stand auch der Appell im Vordergrund, die Hierarchie zwischen künstlerischer und pädagogischer Ausbildung aufzulösen, mehr Diversität zuzulassen sowie zielgerichtet in Hinblick auf den Bedarf der Musikschulen auszubilden. Wichtige Schritte hierbei seien zum einen, Eignungsprüfungen an den Musikhochschulen zu differenzieren, da die Unterschiede zwischen künstlerischer oder künstlerisch-pädagogischer Aufnahmeprüfung zu gering seien. Zudem gäbe es keine Vorbereitungsangebote für Studieninteressierte, die eine künstlerisch-pädagogische Eignungsprüfung ablegen möchten. Zum anderen sollten pädagogische Lehrstellen mit Lehrkräften besetzt werden, die einen hohen Grad an pädagogischer Expertise mitbringen und Erfahrungswerte in Bezug auf Themen wie Berufsmarkt, mögliche Frus­trationsfallen aber auch Attraktivität des Berufsfeldes teilen können. Studierende bräuchten Lehrpersönlichkeiten als Vorbilder, die sie auf dem Weg durch die Hochschule für pädagogische Themen begeistern können – und das immer wieder. Zusätzlich sollten an den Musikschulen gute Strukturen für Praktika vorhanden sein mit Mentor*innen, die von den Musikschulen gestellt werden. Dennoch sei es wichtig, dass auch die Dozent*innen die Studierenden vor Ort zu einem gewissen Teil begleiten. Nur wenn alle beteiligten Akteure eine Teilhabe in der Praxis besitzen, könne eine Durchmischung und Bereicherung auf allen Ebenen gelingen. Die Arbeit der Musikschulen sollte an Einfluss auf die Ausbildung an den Musikhochschulen und an Wertschätzung gewinnen. Eine Honorierung der Mentor*innenarbeit –  ideell wie auch finanziell – kann das System mit motivierten Lehrkräften bereichern. Der Gedanke des gemeinsamen Handelns steht über diesen angestrebten Konzepten: Die künstlerische und pädagogische Ausbildung sollte gleichgestellt und gleichberechtigt betrachtet werden. Die Fachbereiche an den Musikhochschulen sollten durchmischt werden, um voneinander profitieren zu können – im ganzheitlichen Sinne. Dabei geht es nicht mehr um künstlerische oder technisch hoch gesteckte Maßstäbe, sondern um übergeordnete Erfahrungen wie das Aufeinander eingehen, die Wertschätzung von Erlebnissen in der Gemeinschaft – mit all ihrer Diversität und Vielfältigkeit in Fähigkeiten und Interessen. Nur in einer gemischten Gruppe kann dieser Mehrwert erfahren werden und nachhaltig wirken, Konkurrenzdenken abgestellt werden. Sowohl Studierende als auch Dozierende sollten ihre Sicht erweitern im Rahmen von fächerübergreifendem Unterricht und Konzerten. Auch die Studierenden hatten Raum für Äußerung von Wünschen und Hindernissen. Sie kommunizierten, dass im Studium zu wenig Berufspraxis integriert und die Vergütung an den Musikschulen nicht attraktiv genug sei. Seitens der Hochschule wurde betont, dass sich der Wunsch nach einer pädagogischen Tätigkeit bei Studierenden oftmals erst später entwickeln würde. Eine Weiterbildung nach bereits absolviertem Musikstudium und gegebenenfalls gesammelter Berufserfahrung wäre eine Möglichkeit, an einer Hochschule in die Pädagogik einzusteigen. Natürlich können solche Fortbildungen auch in Verbänden organisiert werden. Allerdings kann die Arbeit über Verbände allein den Bedarf an zum Beispiel EMPlern nicht decken. Ein Weiterqualifizierungsauftrag läge demnach auch direkt bei den Hochschulen. In § 2 Absatz 1 des Hochschulrahmengesetzes heißt es: „Die Hochschulen dienen […] durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Sie bereiten auf berufliche Tätigkeiten vor […].“ Der § 8 ergänzt dazu: „Die Hochschulen haben die ständige Aufgabe, im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Stellen Inhalte und Formen des Studiums im Hinblick auf die Entwicklungen in Wissenschaft und Kunst, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen in der Berufswelt zu überprüfen und weiterzuentwickeln.“

Die Netzwerkarbeit der HFM Nürnberg im Rahmen der Regionalkonferenz konnte schon seit mehreren Jahrzehnten gewinnbringend vorangebracht werden. Dennoch gibt es weiterhin einiges zu tun: So sind die nächsten Schritte, dass auch Musikschulen im Umkreis zur Konferenz eingeladen werden, die zwar zum Bezirk Ober­pfalz gehören, allerdings in unmittelbarer Nähe zur Musikhochschule liegen. Weiterhin sollen Hochschullehrende aktiv in die Musikschularbeit integriert werden und das Praktikum ihrer Studierenden begleiten. Am Ende steht das Projekt eines gemeinsamen Abschlusskonzertes, an dem Mentor*in, Studierende*r, Musikschüler*in, aber auch der*die zugehörige Dozent*in gemeinsam teilnehmen – jeder nach seinen Fähigkeiten. Dabei soll jeder das Beste geben, was er kann, niemand soll sich zurückhalten, aber jeder bekommt seine Rolle im Rahmen des Konzerts. Diese neue Praktikumsphase soll ab Frühjahr 2023 erstmalig erprobt werden. Auch die Hochschule für Musik Würzburg hat den ersten Schritt bereits getan: Dort wird im nächsten Jahr eine Regionalkonferenz geplant. Nach einem Vorbereitungs- und Vernetzungstreffen im Februar soll sich die erste Konferenz mit Musikschulen der umliegenden Region im Frühjahr anschließen. Dank der Offenheit und Kooperationsbereitschaft seitens der Musikhochschul- und Musikschulvertreter*innen konnte ein Grundstein für das „Gemeinsam“ gelegt werden: Perspektiven, Wünsche und Hindernisse wurden transparent dargestellt, bestehende Strukturen betrachtet, hinterfragt, Optimierungsansätze diskutiert. In den Regionalkonferenzen kann somit auf einer spezifischen Grundlage daran angeknüpft werden – gemeinsam und auf Augenhöhe. So kann Musik gemeinsam erlebt werden – auf allen Ebenen; von Musikschule bis Meisterklasse.

 

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